Fünftes Buch.

[194] Die sonne hatte mit ihren herfürbrechenden strahlen den Niel zu erleuchten kaum begonnen: kaum hatte sie desselben stille fluht zu vergülden angefangen: kaum hatte sich ihr liebliches antlitz über die spitzen des gebürges erhoben; als ein großes freudengetöhne die gantze königliche stadt Memfis erfüllete. Die Trompeten warden geblasen; die trummeln gerühret; die schällenspiele beweget; die zinken beseelet; die zittern geschlagen / und andere seitenspiele gespielet. Die Reichsstände warden rege. Die Ritterschaft erhub sich. Mit einem großen geschleppe zogen sie nach der Burg zu. Einieder war aufs köstlichste gezieret / aufs prächtigste geschmükket. In diesem herlichen gepränge trahten sie in den Reichssaal. Da war der König /mit den Reichsrähten / schon zugegen. Er saß aus einem köstlichen Reichsstuhle / von hintenzu mit seinen Kammerherren und Hofjunkern ümringet. Auf der rechten hand hatte sich der Heliopelsche Ertzbischof /mit dem Reichskantzler / und Reichsschatzmeister /niedergelaßen: und auf der linken die Reichsrähte.

Als sie nun alle beisammen waren / stund der Reichskantzler auf / und täht / im nahmen des Königes / an die Reichsstände eine kurtzbündige rede. Darinnen gab er ihnen den willen des Königes zu verstehen / auch warüm er sie entbohten. Und diese rede beschlos er mit zwo fragen: erstlich / ob sie alle gesonnen weren den Josef vor ihren Schaltkönig zu erkennen? darnach / ob sie ihm[195] huldigen wolten? Des Reichskantzlers rede beantwortete der Reichsstände Worthalter eben so kurtzbündig: und sie selbsten rieffen auf die zwo vorgestellte fragen einmündig ja.

Auf dieses so willige jawort erhub sich / auf befehl des Königes / der Ertzbischof / samt dem Reichskantzler und Reichsschatzmeister / als auch allen Reichsrähten / den Josef zu hohlen. Nicht lange darnach brachten sie ihn geführet. Ein Hofmahrschalk ging allein voran; und Josef / zwischen dem Ertzbischoffe und dem Reichskantzler / hernach: denen alle die übrigen folgeten. Sobald sie vor den König gelanget / begaben sie sich alle wieder in ihre stellen. Und Josef blieb allein / nachdem er sich auf das allerehrbietigste geneuget / vor dem Reichsstuhle stehen. Der König gab ihm einen wink / daß er nähern solte. Er gehorchte zur stunde / und traht dichte vor die stufen des Reichsstuhls. Darauf wiederhohlete der König fast alle worte / die er vor sechs tagen zu ihm geredet / als er ihn zum Schaltkönige erwehlet. Josef neugte sich abermahl zur erden nieder / und als er sahe / daß der König sich bewegte aufzustehen / stieg er bis auf die oberste stufe des Reichsstuhls / und fiel alda nieder auf seine kniehe.

Hierauf zog der König seinen Siegelring vom finger / und stekte ihn auf Josefs finger. Darnach nahm er auch eine güldene Kette / die er am halse trug; und hing sie üm Josefs hals. Unten an diese Kette war ein Brustpfennig / darauf ein Elefant gepräget stund / angegliedert. Der Elefant solte die Königliche Majästäht / die sich / wie der Elefant / vor niemand neuget / bezeichnen. Hiermit übergebe ich euch / sagte der König / alle gewalt über das gantze Egipten. Ich bin Farao: ohne euren willen sol niemand im gantzen Reiche / seine hand / oder seinen fuß regen. Alles sol euch / und ihr niemand / untertahn sein. Ich heisse Farao: und ihr solt Zafnat Paaneach / das ist Heiland der Welt / genennet werden. Wir haben ein solches vertrauen zu euch / daß wir es unnöhtig achten / uns / durch den eid der treue / euch zu verbinden. Ja wir zweiflen keines weges / ihr werdet ohne das / eurer weisheit nach / so zu herschen wissen / daß es uns nimmermehr gereuen wird euch zu unsrem Mitherscher erkohren zu haben.

Hiernach boht der König dem Josef die hand / und richtete ihn / mit einem hertzlichen glükswundsche /wieder auf. Er hingegen neugte sich gegen den König dreimahl zu erde nieder; und bedankte sich vor die hohe gnade / vor das guhte vertrauen / und den hertzlichen wundsch des Königes / in alleruntertähnigster niedrigkeit. Inzwischen stunden der Ertzbischof und der Reichskantzler auf / und führeten den neuen Schaltkönig auf einen besonderen Reichsstuhl. Diesen hatte man / zur linken seite des Königlichen Reichsstuhls / auf ein etwas erhobenes gestelle gesetzt / und mit den allerköstlichsten prunktüchern ausgezieret. Sobald sich Josef alhier niedergelaßen / setzte ihm der Ertzbischof eine königliche Krohne / welche der Reichsschatzmeister auf einem weissen seidenem küssen nachtrug / auf das heupt. Hierauf gab ihm der Reichskantzler auch den Reichsstab / dessen spitze mit einem Storche / und das unterende mit einer klaue vom Fluspferde gezieret / der ebenmäßig durch einen Reichsraht nachgetragen ward / in die hand: und der Ertzbischof sprach endlich über ihn / der gewohnheit nach / den seegen.

Nach volendeten diesen Kröhnungsgeprängen /deutete der Reichskantzler den Egiptischen Reichs ständen und der gantzen Ritterschaft / durch eine zierliche / doch kurtze rede / die huldigung an. Sobald er ausgeredet / ward ihnen der Eid ihrer gehohrsamkeit vorgelesen; und[198] sie bekräftigten denselben mit aufgerekten fingern. Der König hatte zwar anstalt machen laßen / daß Josef / straks nach der Kröhnung / durch die gassen der stadt Memfis solte geführet werden /dem Volke seinen neuen Schaltkönig zu zeigen. Aber die helfte dieses tages war schon verlauffen. Der mit tag war herbei genahet; und die tafeln zum Kröhnungsmahle albereit gedekket. Darüm ward solches gepränge bis auf den künftigen morgen verschoben: und das neugierige Volk bekahm vor dieses mahl seinen neuen Gebieter nicht zu sehen. Vor dieses mahl muste es sein großes verlangen mit geduld speisen: ein solches verlangen demselben glük zu wündschen / von dessen wunderlichen glüksfällen der ruf überal / durch die gantze stadt / erschollen.

Mitlerweile ward das übrige des tages in voller lust zugebracht. Und diese lust üm so viel angenehmer zu machen / hatte der König / im Burggarten / eine große Läube längst der mauer hin aufrichten laßen. Alhier gab der schatten eine kühle luft / das auf den bodem gestreuete bluhmenwerk einen anmuhtigen geruch /und der lust garten selbst ein liebliches aussehen. Hierunter ward das Kröhnunsgmahl gehalten. Hier ergetzte sich der König: und mit ihm der ausbund des gantzen Egiptischen Adels. Hier saß Josef nunmehr in voller herligkeit / und freude. Alles seines vorigen elendes / und alles seines leides hatte er vergessen. An stat seiner leibeigenschaft / hatte er das gebiet eines so mächtigen Königreichs in seinen händen. An stat seiner vorigen schmaach und verachtung / ward er itzund mit kniebeugen geehret. An stat des knechtischen nahmens / führete er itzund einen königlichen; und ward ein Heiland der welt genennet. An stat des Rokkes / den ihm die Ehbrecherin vom halse gerissen / hatte ihn der König in reine weisse seide gekleidet. An stat der eisernen ketten seines gefängnüsses / trug er eine güldene: an stat des[199] knechtischen fesselringes /einen Königlichen Siegelring / zur bekräftigung seiner macht. An stat des zeichens der Leibeignen / führete er einen Königsstab in der hand / und einen Königskrantz auf dem heupte. An stat des schlammichten Stokhauses / hatte er eine Königliche wohnung. Ja alles / was er zuvor elendes gehabt / war nunmehr in lauter herligkeit verändert. So herlich ward ihm seine Gottesfurcht belohnet / seine Tugend bezahlet / seine Keuschheit vergolten.

Auf den morgen ward des Königes zweiter Stahtswagen färtig gemacht. Dieser blinkte von lauter golde. Vier schneeweisse pferde zogen ihn. Der pferdeschmuk schimmerte von köstlichen steinen. Auf diesem prächtigen wagen fuhr Josef durch die fürnehmsten gassen der stadt. Zween Heerolden / aus den ältesten des Heers erlesen / ritten vor ihm her / in goldgestikten köstlichen rökken: und vor diesen vier Trompeter. So oft der Stahtswagen vor einen marktplatz / oder an eine neue gasse kahm; da bliesen die Trompeter / und die Heerolden rieffen mit lauter stimme vor dem Josef aus: Dis ist der junge Königliche Vater; dis ist der junge Vater des Reichs. Hinter dem Stahtswagen her ritten etliche Hofjunkern des Schaltköniges auf köstlichen Arabischen und Persischen pferden. Alle waren auf das köstlichste gezieret. Zu beiden seiten des wagens lieffen die Edelknaben /die Kammerdiener / die Lakkeien / in überaus zierlicher leibestracht. Die Menschen lagen in den fenstern / stunden auf den tåchern / warteten in den tühren /lieffen und drångeten sich auf den gassen. Alle verlangeten den neuen Schaltkönig zu sehen. Wo Josef vorüberfuhr / da hörete man ein großes freudengeschrei. Das frohlokken / das jauchzen / das glükzu / das lebe lange hatte kein ende. Ob er schon lange vorbei war /so klung doch der nachruf immer hinter ihm her. Man rief ohn unterlaß / so lange man den Stahtswagen[200] erblikken konte. Ja viele streueten Palmenzweige vor ihm her: andere vielerlei bluhmen. Damit lagen alle straßen bedekt / wo er durchhinfuhr.

Es war nun hoher mittag. Eben machte die sonne den kürtzesten schatten / als Josef wieder nach der Burg zu kehrete. Unterdessen hörete doch die freude des volkes nicht auf. Wer nur etwas vermochte / der hatte seine nachbaren und freunde zu gaste. Man teilete den armen reichlich aus; ja etliche liessen sie speisen. Diese algemeine freude währete bis in die sinkende nacht. Alle reden / die man hörete / waren vom Josef. Sein lob erklung durch die gantze stadt. Eines ieden mund war vol seines ruhmes. Sie priesen seine fürtrefliche schönheit / sein überaus leutseeliges wesen. Die ihn niemahls reden gehöret / urteileten dannoch von seiner so volkommenen Tugend aus den Augen: die als zween unbetrügliche verrähter des hertzens weren. Sein gantzes Angesicht / sagten sie /da man die Seele / als auf einem öffentlichen markte /mit den euserlichen dingen handeln siehet / zeigt es genug an / was vor edle schätze sein hertz verbürget. Wir seind glüklich / daß wir einen solchen / den die Götter so volkommen geschaffen / über uns herschen sehen. Das gantze Egipten hat ein großes von ihm zu hoffen. Wir alle haben dem Himmel nicht genug zu danken. An diesen und mehr dergleichen reden war des volkes vergnügung gnugsam zu spühren. Ja sie bezeugten / durch ihre milde gastfreiheit / und große freude / mehr als genug / daß die worte mit dem hertzen übereinstimmeten.

Noch zween tage blieb Josef auf der Burg. Innerhalb dieser zeit redete er mit dem Könige von allem /was des Reichs wohlfahrt betraf. Fort und fort waren sie beieinander. Alles / was Josef riet / ward beliebet. Seine rahtschläge hatten ein weites aussehen. Sie gingen durch die instehenden sieben reichen jahre /[201] bis in die sieben Mageren. Er erwug alles / was zu tuhn stünde / mit reiffem vorbedacht. Alle seine anschläge zieleten fürnähmlich auf zwei dinge: den König groß /und die Untertahnen wohlfahrend zu machen. Und darüm entschlos er sich das gantze Egipten zu besehen. Die beschaffenheit der Königlichen herschaft war ihm nunmehr aus dem munde des Königes selbsten bekant. Er hatte deswegen schon alles genau untersuchet; auch albereit mittel gefunden / sie in einen besseren stand zu bringen. Aber solches recht auszuführen / muste er nohtwendig die gelegenheit aller Länder besichtigen. Und dieses muste mit ehestem geschehen; damit er seine schlüsse darnach anlegen könte. So zog er dan auf den dritten tag aus. Der erste zug ging auf Heliopel zu.

Diese schöne Stadt lag auf einem hohen schutte / in einer anmuhtigen aue des landes Gessen / zwischen zween ärmen des Niels: zu welcher man / durch einen verborgenen gang unter der erden und dem Niele hin /von Memfis gelangen konte. Die Ebreer nennen sie On; die Griechen aber Heliopel / das ist Sonnenstadt; und die Araber Betsames / Sonnenhaus / oder Ainsemes / Sonnenauge. Und diese drei letzte nahmen führete sie vom Sonnenspiegel / welcher alda im Götzenhause der Sonne gefunden ward / und es mit seinen strahlen den gantzen tag durch erleuchtete. Egipten hatte keine ältere stadt / als diese. Mizraim /des Noah enkel / und Hams zweiter sohn / der erste Egiptische König nach der Sündfluht / hatte sie gebauet. Alhier hat er seinen Königlichen sitz gehabt: als auch nach ihm sein sohn Mesramutisis; und nach diesem der dreimahl große Hermes / der Sonnenseulen erfinder / und uhrhöber der heiligen Bilderschrift / ja der gantzen Egiptischen weisheit. Und also war dieser Hermes der dritte Egiptische König nach der Sündfluht.[202] Er war derselbe Merkuhr / den die Egipter Tot / und Ftar / das ist den Gott der Götter / die Fönizier Taut / die Araber Idris / die Ebreer Hador / das ist einen fürtreflichen Vernunftfechter / nenten. Ja er war in dieser ersten Königlichen und Priesterlichen Egiptischen Stadt der erste Priester. Er war derselbe / der / zu Abrahams zeiten / die Egiptische Priesterschaft gestiftet. Er war derselbe / der den grund geleget zum Heliopelschen Ertzbischoftuhme. Einer von dessen nachsassen im Priestertuhme war itzund Fürst Potifar: den die Ebreer einen großen Weltweisen / als auch einen Vorsteher der Gelehrtheit und des götzendienstes der Sonne nennen. Diesen /als seinen ehmahligen Herrn / wolte Josef besuchen. Ein Hofjunker muste voran reiten / dem Ertzbischoffe solches anzumelden.

Sobald der Heliopelsche Ertzbischof Josefs ankunft verstanden; da lies er alles / was er nöhtig achtete / einen so großen Gast auf das herlichste zu bewürten / alsobald zuschikken. Auch befahl er seine Freulein Tochter / die Fürstin Assenat / von der Sonnenburg zu hohlen. Diese hatte bis auf gegenwärtige stunde noch niemahls einiges Mansbild gesehen. Und darüm war sie schüchtern vor allen mansbildern. Ja sie verachtete sie schier alle. Und dieses wolte ihr /fast als eine hofart und vermässenheit / zugemässen werden. Sonsten war sie in allen dingen den Ebreischen Töchtern gleich / und überaus guhtahrtig / auch so schön / daß sie vor die schönste des gantzen Reichs gehalten ward. Als sie nun ankahm / gab ihr der Ertzbischof alsobald Josefs ankunft zu erkennen. Josef / sagte er / der Starke Gottes / wird zu uns kommen: und ich habe beschlossen / dich mit ihm zu vermählen. Sie aber gab eine weigerliche antwort: dan ihr war noch zur zeit unbekant / daß der König ihn zum Herscher über das gantze Egipten[203] gesetzet. Nein / nein! rief sie überlaut: ich wil keinem Gefangenem oder Leibeigenem / aber wohl einem Königlichen Fürsten vermählet sein. Und indem sie also redeten /kahm einer von den tohrwächtern dem Ertzbischoffe anzumelden / daß der Schaltkönig schon in der schlosgasse sei. Als Assenat diese zeitung hörete / da eilete sie geschwinde nach ihrer Burg zu. Gleichwohl trieb sie ihre neugierigkeit so weit / daß sie lüstern ward den Josef zu sehen. Und darüm blieb sie oben über dem Burgtohre / in einem fenster / stehen.

Unterdessen ging der Ertzbischof / mit seiner Gemahlin Toote / dem Josef entgegen / bis vor das Schlostohr. Da empfingen sie ihn mit der allertiefsten ehrerbietigkeit. Und er begab sich / samt seinem gantzen gefolge / in den vorhof: dessen tohre zur stunde wieder geschlossen / und mit einer stärkeren wache versehen warden. Josef saß auf dem zweiten Stahtswagen des Königes / welcher mit golde gantz überzogen / und mit überaus künstlichem bildwerke gezieret. Vier schneeweisse Pferde / derer zeume /gebis und schnallen von dichtem golde / mit edelen steinen ausgesetzt / zogen diesen wagen. Er selbsten war gekleidet in reine weisse seide; und darüber trug er einen sammeten Rok mit golde sehr zierlich gestikt. Auf seinem heupte stund eine güldene Krohne / mit zwölf köstlichen steinen / darüber zwölf sterne zu sehen / versetzet. In der hand hielt er einen güldenen Reichsstab / und einen Oehlzweig / samt der frucht. Vier Edelknaben gingen auf ieder seite des wagens. Ihre langen über die schultern fliegende haarlokken waren zierlich vergüldet / und eben so zierlich gekrüllet. Ihre kleider waren von schneeweisser seide / mit güldenen bohrten verbrähmet. In der rechten hand trugen sie einen wurfspies / und in der linken einen schild / überzogen mit golde. Der vor- und nach-trab war nicht weniger köstlich und prächtig.[204]

In dieser pracht und herligkeit erblikte die junge Fürstin Assenat den Josef. Sie sahe seine himlische schönheit: und war betrübt über die worte / welche sie kurtz zuvor gesprochen. Ach! sagte sie / sehet! die Sonne vom himmel ist auf ihrem wagen zu uns kommen. Ich wuste nicht / daß Josef Gottes Sohn were. Dan keiner unter allen Menschen hat eine solche schönheit können zeugen. Keiner Frauen leib hat ein solches Licht können gebähren. Mit kläglicher stimme sprach sie diese worte. Mit bereuenden seufzern klagte sie ihre vorige unbesonnenheit an. Mit traurigem wesen ging sie nach ihrem zimmer zu. Nicht ein wort kahm mehr aus ihrem munde. Sie war gleich als entzükt: und in solcher entzükkung setzte sie sich auf ihr bette.

Unterdessen begab sich Josef von dem wagen / und ging / mit dem Ertzbischoffe Potifar / in sein schlos. Straks wusch man ihm / nach der Egiptischen weise /die füße. Und er fragte mit gebietender stimme: was ist das vor ein Weibesbild / das über dem burgtohre im fenster lag? daß man sie straks aus diesem Schlosse schaffe. Dan er befahrete / sie möchte ihm auch /wie viel andere getahn / mit geschenken verdrüßlich fallen: die er doch mit unwillen von sich warf. Aber der Ertzbischof gab ihm zur antwort: Mein Herr /sagte er / es ist meine Tochter / die alle Mansbilder fliehet. Auch hat sie zuvor niemahls einiges Mansbild gesehen / als uns an diesem heutigen tage. Doch wan es Meinem Herrn beliebt / so sol sie kommen ihn zu grüßen. Josef gedachte bei sich selbst / wan sie alles mansvolk fliehet / so wird sie mich auch wohl zu frieden laßen. Und darüm sagte er zum Ertzbischoffe: wan eure Tochter ein solches Freulein ist / so habe ich sie lieb / als were sie meine Gemahlin. Sobald die Mutter dieses vernahm / lief sie eilend auf die Burg ihre Tochter zu hohlen. Und sie brachte sie in den saal / und stellete sie vor Josefs angesicht.[205] Da geboht ihr der Vater / und sagte: Meine Tochter / grüße deinen Bruder / der alle fremde Frauen hasset / gleichwie du alle Männer. Und Assenat neugte sich mit sehr zierlichen und schaamhaftigen gebährden / und sprach: Gegrüßet sei der Geseegnete des allerhöchsten Gottes. Darauf antwortete Josef / und sagte: Gott / der alle dinge lebendig machet / seegene Sie. Und Potifar befahl seiner Tochter ferner / daß sie den Josef küssen solte. Aber als sie sich solches zu tuhn näherte; da strekte Josef seine hand aus / berührete ihre brust /und sagte: Demselben / der dem lebendigen Gotte dienet / und isset das broht des lebens / und trinket den trank der unsterbligkeit / geziemet nicht / daß er eine fremde mit seinem munde berühre. Es geziemet ihm nicht den mund einer solchen zu küssen / welche die stummen und gehöhrlosen Abgötter küsset / und isset der Götzen broht / und trinket / aus den bächern der Abgötterei / den trank des todes und der fünsternüs /und schmieret sich mit öhle der unreinigkeit.

Als nun Assenat Josefs reden hörete / und sich gleichsam verschmähet sahe; da ward sie von hertzen betrübt. Sie weinete bitterlich. Die trähnen schossen /als zwee schmertzenströhme / mildiglich aus den augen. Ja es fehlete wenig / daß sie / vor übermäßigen schmertzen / nicht gar in ohnmacht niedersunk. Josef hatte zwar nicht gern mit dem Frauenzimmer zu tuhn. Kaum gönnete er ihnen / daß sie ihn ansehen mochten. Er befahrete sich stähts / daß dadurch der spiegel seiner keuschheit verdunkelt würde. Ja noch weniger lies er zu / daß sie ihn anrühreten. Daß eine Fraue den Einwohner des Paradieses aus seiner herligkeit gestoßen / lag ihm stähts im sinne. Darüm flohe er den ümgang mit Weibesbildern / als eine anstekkende seuche. Gleichwohl bewegte ihn Assenat zum mitleiden. Ihr betrübtes / doch zugleich allerholdseeligstes und schaamhaftigeswesen zog ihn zur barmhertzigkeit. Hatte er sich von ihr kurtz zuvor nicht wollen küssen oder berühren laßen; so rührete er sie itzund selbsten an. Er legte seine hand auf ihr heupt / und seegnete sie. Und Assenat erfreuen sich über seinem seegen in ihrem hertzen dermaßen / daß sie vor großen freuden krank ward. Sie ging hin / und neugte sich auf ihr bette. Da überdachte sie alle worte des Josefs. Da beherzigte sie alle seine reden. Diese würkten in ihr ein hertzliches leidwesen / eine recht bußfärtige reue. Hertzlich bereuete sie ihr abgöttisches wesen. Von hertzen war es ihr leid / daß sie bisher den leblosen Abgöttern gedienet. Sie verleugnete sie alle: und erkante den wahren lebendigen Gott.

Unterdessen machte sich Josef fröhlich. Er aß und trank. Und nach gehaltener tafel / täht er / mit dem Ertzbischoffe / einen lustwandel: da er zugleich die gelegenheit und fürnehmsten gebeue der Stadt besichtigte. Unter andern besahe er die fürtrefliche Sonnenspitze / welche die allererste war / die man in der gantzen welt gesehen. Mizraim der erste Egiptische König nach der sündfluht / hatte dieselbe / auf Hermes Trismegists angeben / zu bauen beschlossen; aber sein Sohn und Nachsas Mesramutisis volzogen. Dieses geschahe üm das 2213 jahr nach erschaffung der welt / und vor der heilgebuhrt um das 1840. Vom erfinder derselben / dem itzt genenten Hermes /haben die noch heutiges tages in Deutschland und anderwärts befindliche Irmenseulen oder Hermesseulen ihren nahmen.

Weil nun Josef sahe / daß diese Sonnenseule aus einem sonderlichen und gantz ungemeinem Marmelsteine bestund; so fragte er den Ertzbischof: woher dieser Marmel kähme? Er antwortete: der Erfinder der Sonnenspitzen / mein vorfahr Hermes Trismegist /oder Tot / wie wir ihn eigendlich nennen / hat ihn aus dem gebürge gegen der stadt Tebe über brechen laßen:[208] und von dannen wird er noch itzund zu allen Egiptischen Sonnenspitzen gehohlet. Kein ander wird zu denselben iemahls gebrauchet / als dieser. Daß aber der Erfinder darzu eben diesen Marmel erlesen /hat er nicht ohne sonderliche uhrsachen getahn. Er hatte beschlossen die Feuerspitzen / welche man bisher allein den Menschen zum gedächtnüsse gebauet /in eine andere gestalt zu verändern / die zu seinem vorsatze geschikter were. Dieser vorsatz war / daß die Strahlen der Sonne / wie des Feuers durch jene / hierdurch solten abgebildet; und ihr / der Sonne selbsten /solche Spitzen geheiliget; auch ein sin an denselben /durch eine verborgene Bilderschrift / entworfen werden. Daher hat er diese neuerfundene Spitzen auch Sonnenspitzen / oder vielmehr Sonnenfinger genennet: und sie schlänker und gerader in die höhe führen laßen; damit solche heilige Schrift daran üm so viel besser könte gelesen werden. Weil er nun sahe / daß die Sonne / der diese Spitzen / wie jene den Menschen / zu ehren solten gestiftet sein / ihre herschaft über die vier Uhrwesen am allermeisten ausübete; so hat er auch / zum baue derselben / einen vierfärbigen Stein /der das geheimnüs solcher vierfachen Herschaft der Sonne abbildete / erkohren. Dan dieser Tebische Marmel / desgleichen sonst nirgend gefunden wird / hat gleichsam zur grundfarbe eine goldgläntzende röhte: welche bald mit Kristal- oder ametisthellen / bald mit aschgrauen oder wasserfärbigen / bald mit schwartzen flekkern durchschäkkert und eingespränkeit ist. Die gold- oder feuer-rohte farbe sol das Feuer; die durchscheinenden Kristalflekker die Lust; die graublauen oder wassergrauen das Wasser; und die schwartzen oder grauschwartzen die Erde bedeuten.

Wie groß aber / fragte Josef weiter / und wie hoch werden diese Sonnenspitzen gemeiniglich aufgeführet; und was wird eigendlich vor ein maß im aufbaue derselben[209] beobachtet? Die kleinesten Sonnenspitzen /antwortete der Ertzbischof / seind zehen oder zwölf füße / die grösten hundert / ja wohl hundert und vierzig hoch. Auch seind sie nicht alle gleich vierekkicht /das ist an ihren seiten nicht alle von einerlei breite. Wan eine ihrer vier seiten unten am grundsatze drei ellen breit ist; so ist die gantze Seule / vom untersten grundsatze an / bis an den obersten grundsatz der aufgesetzten oder abgestumpften spitze / dreissig ellen hoch. Und also befindet sie sich allezeit zehn mahl so hoch / als eine seite des untersten grundsatzes breit ist. Die seite aber des obersten grundsatzes der abgestumpften spitze ist allemahl üm das dritte teil schmähler / als die breite an des untersten grundsatzes seite. Darüm / wan die seite unten am grundsatze drei ellen breit ist / mus dieselbe unter dem übersatze der abgestumpften spitze nur eine elle breit; und die höhe der aufgesetzten oder abgestumpften spitze eben so hoch sein / als die seite des untersten grundsatzes breit ist. Wie nun diese Sonnenseulen oder Sonnenspitzen von unten auf bis an den obersten güpfel zwar algemach schlänker und schlänker werden / aber nicht gantz gerade spitzzu lauffen / sondern oben eine abgestumpfte spitze bekommen; so lauffen hingegen die Feuerspitzen / oder / wie man sie von ihrem nachmahligen gebrauche eigendlich nennen kan / die Grabspitzen von ihrem viel breiterem grundsatze nach oben zu / mit allen ihren ekken und seiten / in einem gantz geraden lauffe hin / bis in das euserste der spitze. Und was vor ein unterscheid ist zwischen den Sonnenstrahlen / und Feuerstrahlen; ein solcher ist auch zwischen den Sonnen- und Feuer- oder Grabspitzen: indem diese viel plumper und dikker / ja viel schieffer; jene aber viel schmähler / schlänker / und dünner / ja mehr aufgerichteter zu stehen pflegen.

Nachdem sich Josef im besichtigen dieser uhralten Stadt / daher alle Egiptische weisheit entsprungen /[210] und fast alle andere völker sie gehohlet / bei zwo stunden belustiget; da begab er sich wieder auf das Ertzbischofliche schlos. Alhier verzog er noch ein halbes stündlein: welches mit allerhand gelehrten reden zugebracht ward. Darnach nahm er seinen abschied. Der Ertzbischof nöhtigte ihn zwar bei ihm zu übernachten. Aber so bitseelig konte er nicht sein. Josef reisete weg. Gleichwohl verhies er über acht tage wiederzukommen. Seine reise ging auf die stadt Tanis zu: welche die Ebreer Zoan nennen. Diese hatte Mizraim ebenmäßig erbauet. Auch ward sie nach der zeit der Egiptischen Könige Sitz: da Moses so viel wunderwerke verrichtete.

Unterdessen legte Assenat ein schwartzes trauerkleid an: und warf alle Götzenbilder zum fenster hinaus / welches nach dem mittage zuging. Auch bestreuete sie ihr heupt mit asche / lag auf den kniehen /fastete / und weinete sieben tage nacheinander. In aller dieser zeit hörete sie nicht auf zu bähten. Sie bähtete den lebendigen Gott an / den Gott Josefs. Sie flöhete / sie seufzete tag und nacht; und lies nicht nach / als bis sie der Höchste erhöret. Sie ward auch in warheit erhöret: und die herligkeit Gottes erschien ihr.

Auf den achten tag sahe Assenat / in der morgendömmerung / zum fenster hinaus / nach dem aufgange zu. Da erblikte sie den morgenstern: und neben ihm täht sich der himmel auf. Plötzlich erschien ein großes mächtiges Licht. Das sahe sie; und fiel in die asche nieder / auf ihr angesicht. Mitlerweile lies sich ein Man vom himmel hernieder. Der stund bei ihrem heupte. Er rief sie bei ihrem nahmen. Aber aus furcht konte sie nicht antworten. Er rief zum andern mahle: Assenat / Assenat. Da ermunterte sie sich /und antwortete: Herr hier bin ich: sage mir / wer du bist? Ich bin ein Fürst / gab er zur antwort / des Hauses Gottes / und ein Herzog der Heerschaaren des HERrn. Stehe auf /[211] und trit auf deine füße; damit ich mit dir rede. Assenat richtete sich auf. Sie sahe den Man an: und er war Josef gantz gleich. Er war eben gekleidet / wie Josef. Eben einen solchen Reichsstab hatte er in der hand. Eben eine solche Krohne trug er auf dem heupte. Aber sein angesicht war / als der blitz. Seine augen strahleten / wie die Sonne. Und seine haare gläntzeten und schimmerten / als feuerflammen. Assenat erschrak über diesen anblik. Sie fürchtete sich / und fiel wieder auf ihr angesicht. Der Engel aber tröstete sie / und richtete sie auf. Lege dein trauerkleid ab / sagte er. Tuhe das gürtel deiner buße weg: und den sak deiner reue von deinen lenden. Wasche den staub ab von deinem heupte. Reinige dein angesicht / und deine hände mit dem lebendigen wasser / und lege deinen schmuk und zierraht an; damit ich mit dir rede.

Hierauf ging Assenat eilend hin / in ihre kammer. Eilend legte sie ihren besten schmuk an; und kahm wieder zum Engel. Da befahl ihr der Engel / daß sie ihr heupt entblößen / und den schleier ablegen solte. Dan du bist / sagte er / ein Freulein. Eine Jungfrau bistu. Darüm sei stark / und freue dich / o Jungfrau Assenat. Dein gebäht ist erhöret. Deine seufzer seind durch die wolken gedrungen. Dein Nahme stehet schon in das Buch des lebens geschrieben. Daraus sol et nimmermehr vertilget werden. Von diesem tage an solstu / als eine gantz erneuerte und lebendig gemachte / das geseegnete Broht des lebens essen / und den Trank der unvergängligkeit trinken: ja mit dem heiligen öhle solstu gesalbet werden. Heute ist dir Josef zum Breutigam gegeben. Und hinfort solstu Vielzuflucht heissen. Dan deine Bußfärtigkeit hat dich bei dem Allerhöchsten versühnet. Nun hat Er dir seine gnade geschenket. Du bist eine Tochter des Allerhöchsten / eine fröhliche / eine fort und fort lachende /und eine züchtige Jungfrau.[212]

Also war Assenat nunmehr bekleidet mit weissem sammet der Heiligkeit. Sie war angetahn mit reiner seide der Gottseeligkeit. Im ungefärbtem atlasse der Keuschheit schimmerte sie / als eine liebliche Lilje. Im purper der Schaamhaftigkeit blühete sie / als eine anmuhtige Rose. In allen Jungfreulichen Tugenden grühnete sie / als ein lustiger Lorbeerbaum; und wuchs auf / als eine herliche Zeder. Ja sie war volkommen schön / als Sara; gantz holdseelig / als Rebekka; überaus lieblich / als Rahel. Und in solchem herlichen schmukke gefiel sie Gott / und ihrem Breutigam.

Die freude / welche diese junge Fürstin über solcher fröhlichen bohtschaft empfand / war unaussprechlich. Auch freuete sie sich in wahrheit nicht ümsonst. Die höchste gnade des Allerhöchsten war ihr verkündiget. Der Himmel stund ihr offen: im Buche des lebens ihr nahme: die lebensspeise vor sie bereitet. Die salbung mit dem Oehle der heiligkeit war ihr versprochen: Josef zum Breutigam geschenket. Nichts konte sie mehr wündschen. Sie war in die volle glükseeligkeit versetzet. Die zeitliche und ewige hatte sie beisammen. Und darüm trug sie verlangen dessen nahmen zu wissen / der ihr alle diese glükseeligkeit verkündigte. Sie fragte den Engel / wie er hiesse? Er aber gab zur antwort: mein Nahme stehet mit dem finger Gottes in das Buch des Allerhöchsten geschrieben; und alle dinge / die in demselben buche stehen / seind nicht auszusprechen. Auch ist es keinem sterblichen Menschen nütz solches zu hören /oder zu sehen.

Hierauf hielt Assenat den Engel bei dem saume seines Rokkes. Ach! sprach sie / habe ich gnade für deinen augen gefunden / so setze dich ein wenig auf mein bette / darauf noch kein Mansbild gesessen. Ich wil unterdessen hingehen / und dir die tafel bereiten. Und der Engel sagte / daß sie es mit der hast tuhn solte. Hierauf[213] setzte sie ihm alsobald eine neue tafel vor: und etwas brohtes / und weines / mit köstlichen gewürtzen / darauf. Der Engel begehrte auch einen Honigfladen. Und als sie betrübet stund / weil sie keinen hatte: da sagte er / daß sie in ihrer speisekammer /auf dem anrichttische / zusehen solte. Als sie nun hinging zu sehen / da fand sie einen schönen Fladen /vom allerreinesten honige; der so weis war / als der schnee / und gantz lieblich schmäkte. Diesen trug sie dem Engel vor / und sagte: Ach! Herr / ich habe gantz keinen Fladen gehabt: aber mit deinem heiligen munde hastu es gesprochen; und es ist also geschehen. Darüm ist auch sein geschmak eben so süße / als der ahtem deines mundes.

Der Engel erfreuete sich inzwischen über der Assenat hohem verstande. Auch hub er seine hand auf /und legte sie auf ihr heupt. Seelig bistu / sagte er / O Assenat / die du die Abgötter verlaßen / und an den lebendigen Gott gegleubet hast. Darüm solstu / und alle dieselben / die / mit hertzlicher reue / sich zu dem HERRn bekehren / von diesem Fladen essen; den die Bienen des Paradieses Gottes von seinen edlen Rosen gemacht haben. Darvon essen alle Engel Gottes: und alle / die darvon essen / werden in ewigkeit nicht sterben. Und er brach ein stükke vom Fladen / und aß darvon. Das übrige stekte er in der Assenat mund /und sagte zu ihr: nun hastu das Broht des lebens gegessen / und bist mit dem Oehle der heiligkeit gesalbet. Von diesem tage an solstu gantz erneuert und gesund werden. Du solst eine Hofstat sein aller derselben / welche zum Nahmen des almächtigen Gottes /des Königes der ewigkeit / ihre zuflucht nehmen. Hierauf rührete er den Fladen an / da das stükke war abgebrochen: und er ward wieder gantz. Straks rührete er ihn / mit dem eusersten des fingers / noch einmahl an: und der strich seines fingers ward zu bluhte. Assenat war verwundert / als sie solches[214] sahe. Ja sie verwunderte sich noch vielmehr / als sie gewahr ward / daß sich ein gantzer schwarm Bienen darinnen bewegte: welche so weis waren / als der schnee / und flügel hatten / als sammet / mit vielerlei farben. Diese Bienen flogen alle zusammen üm die junge Fürstin her / und machten einen Honigfladen in ihrer hand. Endlich geboht ihnen der Engel / daß sie wieder in ihr vaterland kehren solten; und sie flogen / nach dem morgen zu / ins Paradies. Darnach rührete der Engel den Fladen zum driten mahl an: und ein feuer ging von der tafel auf / welches den Fladen verzehrete; die tafel aber blieb unbeschädiget: und der rauch dieses feuers roch über alle maße lieblich.

Bisher war Assenat gantz allein bei dem Engel gewesen. Aber itzund wündschte sie / daß ihre Stahtsjungfrauen seiner angenehmen geselschaft auch geniessen möchten. Ach! sagte sie / Herr / ich habe sieben Jungfrauen / welche mit mir in einer nacht gebohren / und mit mir auch auferzogen seind. Könte ich doch so bitseelig sein / daß sie möchten geseegnet werden / gleich als ich. Der Engel gewährete sie ihrer bitte: und als die Jungfrauen hineingeträhten waren /seegnete er sie / und sprach: Der allerhöchste Gott seegne euch / und laße euch werden zu sieben Seulen der Stat der zuflucht. Hierauf befahl er / daß die tafel wieder aufgehoben würde: und sobald solches geschehen war / verschwand er vor ihren augen.

Nicht wenig verwundert war Assenat. Nicht wenig bestürtzt machte sie diese begäbnüs. Ihr Frauenzimmer erschrak. Es geriet in eine plötzliche furcht. Furcht und zittern überfiel sie. Nicht wusten sie / wie ihnen geschahe. Inmittels erhub sich unversehens ein schal der trompeten. Assenat schikte geschwinde hin zu vernehmen / was es were. Man brachte bericht /der Schaltkönig sei vor dem tohre. Straks lief sie hinab. Flugs[215] eilete sie dem Josef entgegen. Er zog eben in den vorhof ein / als sie ihn erblikte. Sie nahete sich hastig. Sie traht vor den wagen / und grüßete ihn mit tiefster ehrerbietigkeit. Sie erzehlete ihm alles /was sich begeben. Sie sagte ihm alle worte des Engels. Nicht eines ward verschwiegen. Und Josef erwog sie in seinem hertzen. Aber er lies sich nicht märken / was er bei ihm beschlossen. Er schwieg stil. Doch ermahnte er sie in ihrer Gottesfurcht zu verharren.

Nach gehaltenem mittagsmahle brach Josef eilend auf / und zog wieder nach Memfis. Unterwegens begegnete ihm die Königliche Fürstin Nitokris. Diese reisete nach Heliopel / die Assenat zu besuchen. Beide Stahtswagen hielten stil. Josef stieg ab / und ging nach der Fürstin zu / seine schuldigkeit abzulegen. Nach geschehenen grüssen / fragte sie zur stunde: ob er die Fürstin Assenat gesehen? und wie es ihr ginge? Eben diesen morgen / gab er zur antwort /habe ich die ehre gehabt sie zu sprechen: und ich weis nicht anders / als daß es ihr wohl gehet. Das hat er vor ein großes glük zu schätzen / fing die Fürstin hierauf an: dan sie zu sprechen ist keinem Herrn iemahls widerfahren. Es ist ein sehr guhtes zeichen /und ein vorspiel / daß er derselbe Fremdling sein wird / der in ihren armen schlafen sol. Ja er ist es selbsten /auf den der Göttliche Ausspruch schon vor zwanzig jahren gezielet. Nun sehe ich desselben erfüllung vor der tühre. Ja nun stehet es allein bei ihm / daß er ihr bald die tühre eröfne. Bei ihm allein stehet es / uns einen fröhlichen tag zu machen. Darüm was er tuhn wil / daß tuhe er bald. Mich selbsten verlanget darnach.

Ich märke wohl / antwortete Josef / daß die Königliche Fürstin mit ihrem diener zu schertzen gesonnen. Ich schertze keinesweges / fiel ihm Nitokris in die rede. Es ist mein lauter ernst. Und schon vor zehen oder[216] zwölf jahren habe ich die gedanken gehabt / daß er derselbe sei / der künftig der Fürstin Assenat solte vermählet werden. Und hierzu hat mich veruhrsachet die Aussprache der Götter / die er dazumahl selbsten erklährete. Ja die drei Treume / die er / auf mein ansuchen / gedeutet / haben mich darinnen bekräftiget. Alles ist nunmehr erfüllet / bis auf dis einige / daß er in der schönen Assenat armen ruhen sol. Er untersuche die sache selbsten. Er denke ihr selbsten nach. Ich weis / er wird es anders nicht befinden. Und keine andere / als die liebseelige Assenat / ist dieselbe Fürstin / der zu liebe ich ihm alle die gunst erwiesen / die er iemahls von mir genossen. Sie ist dieselbe / die ich meinete / als ich neulich im Burggarten mit ihm redete. Mehr weis ich nun nichts zu sagen / als ihm und ihr glük zu wündschen. Und hiermit nahm sie plötzlich ihren abscheid / damit sie vor abende nach Heliopel gelangen möchte.

Als nun Josef zu Memfis angelanget / da begab er sich straks zum Könige. Erstlich erzehlte er ihm / was er verrichtet. Darnach täht er etliche vorschläge / wie man das Getreidich / in den schon angefangenen reichen jahren / solte zum vorraht einsamlen. Delta oder Unter-Egipten hatte er nunmehr meist besichtiget. Dieser Nordwinkel bestund fürnehmlich in drei teilen. Darüm war er gesonnen auch drei Kornverwalter alda zu verordnen. Hierzu schlug er den Sohn des Kaufmannes / bei dem er gewohnet / eh er zu Fürst Potifarn kahm / und dan zween seiner gewesenen Mitgefangenen vor. Auch solten ihnen noch fünf andere Unterverwalter zugefüget werden. Diese alle wählete er aus den besten und treuesten / die ihm bekant waren. Sonderlich sahe er auf dieselben / von denen er ehmahls guhtes genossen. Und solche beförderte er vor allen andern / wozu sie geschikt waren. So dankbar war sein hertz / daß er nicht eines vergaß. Der König lies ihm alles gefallen.[217] Was er taht / war wohl getahn. Was er sagte / das galt. Er setzte ein / er setzte ab /nach eigener wilkühr. Alles stund in seiner macht.

Nach abgehandelten Reichsgeschäften / kahm Josef endlich auf seine eigene. Er hatte nunmehr beinahe das dreissigste jahr überschritten. Auch solte er nun seine eigene haus- oder hof-haltung führen. Darzu war ihm eine Gehülfin nöhtig. Es war zeit zur heurraht zu schreiten. Die gelegenheit boht sich selbsten an. Die Fürstin Assenat schien darzu von Gott versehen. Ihr einundzwanzigstes jahr hatte sie erreichet. Ob sie schon keine Ebreerin war / so war sie doch den Ebreischen Töchtern gleich. Zudem hatte sie / aus Göttlichem antriebe / den Ebreischen Gottesdienst ümhälset. Ja es schien / als wan sie zu Josefs Gemahlin gebohren. Es schien / als wan sie darzu albereit in ihrer gebuhrt erkohren. Es schien / daß sie darzu so sonderlich erzogen. Kein Frauenzimmer fand sich im gantzen Egipten / das sich zum Josef so wohl schikte / als Assenat. Keine stund ihm so wohl an /als sie. Und also entschlos er sich den König selbsten darüm anzusprechen. Er wartete nicht lange. Straks täht er ihm seinen schlus kund. Straks brachte er sein begehren an. Zur stunde ward es gebilliget: ohne verzug bewilliget. Der König schikte flugs hin / die Fürstin Assenat selbsten zu hohlen. Er befahl den Ertzbischof / samt seiner Gemahlin / mitzubringen. Eilend solten sie kommen. Der wille des Königes litte keinen verzug. Er verlangte fast mehr diese neue Braut zu sehen / als Josef selbsten.

Mitlerweile hatte die Königliche Fürstin den weg glat gebahnet. Sie hatte der schönen Assenat des Josefs herkommen entdekt. Sie hatte ihr alle seine glüksfälle geoffenbahret. Sie hatte ihr der Semesse Traum / samt dem ihrigen / erzehlet. Alle erklährungen / alle gedanken / die sie darüber gehabt /hatte sie ihr eröfnet[218] Nichts / ja gar nichts hatte sie ihr verschwiegen. Und also sahe Assenat augenscheinlich / daß der Himmel sie schon vorlängst zur Gemahlin des Josefs bestimmet. Ja ausser dem / was ihr der Engel geoffenbahret / sahe sie aus diesen erzehlungen / daß die zeit ihrer vermählung vor handen. Darüm dankte sie dem Himmel für seine so treue vorsorge. Darüm machte sie sich ie mehr und mehr bereit / ihr verhingenes glük dankbarlich anzunehmen.

Als nun die Königlichen Abgefärtigten ankahmen /die Assenat / samt ihrem Herrn Vater und ihrer Frau Mutter / zu hohlen; da muhtmaßete sie zur stunde /daß der Allerhöchste seinen schlus über sie zu volziehen vorhette. Sie konte anders nicht tuhn / als die Göttliche schikkung annehmen / und dem Königlichen befehle gehorchen. Sie zog alsobald mit. Des morgens sehr früh brach man auf. Die Königlichen Abgeordneten / als auch der Ertzbischof / samt seiner Gemahlin / fuhren voraus. Die Fürstin Assenat folgete. Bei ihr saß die Königliche Fürstin Nitokris. Straks hinter diesen zwo Fürstinnen kahm Semesse /mit den sieben Stahtsjungfrauen der Assenat / auf vier sonderlichen kutschen. Eben so viel kutschen hatten auch die Kammermägdlein. Eine schöne reiterei von drei hundert köpfen machte den nachschwalk.

Sobald sie bei Hofe angelangten / ward der Ertzbischof / samt seiner Gemahlin und Freulein Tochter / vor den König geführet. Dieser empfing sie überaus freundlich / sonderlich die Fürstin Assenat: die er anders nicht / als seine Tochter / nennete. Nach abgelegten wenigen höfligkeiten / redete er den Ertzbischof also an: Ich habe gegenwärtige seine Tochter / sobald sie gebohren war / vor meine und des Reichs Tochter angenommen. Und darüm bin ich verpflichtet / sie zu versorgen. Ich bin verbunden /[219] auf ihre wohlfahrt bedache zu sein. Besser aber kan und weis ich solches nicht zu tuhn / als durch eine guhte vermählung. Des Egiptischen Reichs Schaltkönig Josef / den ich gleichmäßig vor meinen Sohn erkenne / träget belieben zu ihr. Und daher bin ich hertzlich erfreuet. Auch wündschet nun mein hertz nichts mehr / als daß ihr belieben mit dem seinigen übereinstimme. Ja ich hofe gewis / ihr Ja werde dem seinigen begegnen. Und in solcher hofnung / bin ich bereit /Sie mit Ihm zu vermählen. Aus meiner hand sol Er Sie / als meine eigene Tochter / empfangen. Ich wil /daß sie meine untertahnen vor ihre Schaltkönigin erkennen. Und mit diesem meinem willen / zweifle ich nicht / werde sich der wille ihrer leiblichen Eltern vereinbahren.

Der Ertzbischof bedankte sich gegen den König zum alleruntertähnigsten. Er bedankte sich vor die hohe Königliche gnade; vor die treue Väterliche vorsorge; ja vor das allergühtigste hertz / das er seinem gantzen Hause zuzutragen so gar gnädig geruhete. Auch übergab er ihm seine Tochter gantz und gar /mit ihr / nach seinem allergnädigsten willen / zu walten und zu schalten. Hierauf wendete sich der König nach der Fürstin Assenat zu. Meine Tochter / sagte er / ich habe das guhte vertrauen zu ihr / es werde meine gefaste hofnung auf ihrer seine nicht vergebens sein. Weil nun das Freulein / mit schaamhaftigen blikken / die augen niederschlug / und keine antwort gab; so fragte der König: wessen habe ich mich dan nun zu meiner Tochter zu versehen? Mein dankbahres hertz / antwortete sie / habe ich Seiner Majestäht schon vorlängst / in alleruntertähnigster gehorsamkeit / zu eigen gegeben; und eben also übergebe ichs itzund aufs neue. So wil dan meine Tochter /fuhr der König fort / daß ich Sie mit[220] dem Schaltkönige vermähle? Mein wille hat hier keine wahl / gab Assenat zur antwort; weil er dem willen Seiner Majestäht gantz untergeben ist / so daß er auch Seinem winke gehorchen mus. Gehorchen mus / fing der König das wort auf: das ist mein wille nicht. Sondern ich wil / daß sie willig / und nicht gezwungen ihr Jawort von sich gebe. Wie es der allerhöchste Gott schikket / fuhr das Freulein weiter fort / und es der König mittelt / damit bin ich zu frieden. Beides nehme ich willig an; weil ich wohl weis / daß es zu meinem aufnehmen gereichet. Wie solte ich der Göttlichen schikkung / und dem Königlichen willen / die beide so guht seind / widerstreben? Es sei ferne von mir auch nur die gedanken zu haben.

Weil nun der König sahe / daß Assenat von seinem vorschlage nicht abgeneugt were; so lies er den Schaltkönig hohlen. Dieser erschien alsobald. Sehr freundlich empfing er seinen künftigen Vater / seine künftige Mutter / seine künftige Gemahlin. Auf allen seiten offenbahrte sich die freude. Die liebe / die sich bisher verborgen gehalten / euserte sich itzund mit voller kraft. Josef selbsten konte sie nicht länger verhehlen. Man erblikte sie aus allen seinen gebährden. Alle seine worte gaben sie genug zu verstehen. Es war mit lust anzusehen / wie er der Assenat so liebseelig begegnete: und sie wieder ihn so holdseelig anblikte. Der König märkte / daß seine gegenwart die liebe /sich recht zu eusern / verhinderte. Darüm sagte er zum Ertzbischoffe: daß er gesonnen sei ein lust gänglein im Burggarten zu tuhn; und wan es ihm beliebte /so könte er ihm / mit seiner Gemahlin / geselschaft leisten. Hierauf ging er straks nach der tühre zu / und der Ertzbischof / samt seiner Gemahlin / folgete. Josef nahm die Assenat bei der hand / in willens die geselschaft mit zu halten. Aber der König winkte ihm / daß er bleiben solte. Wir drei / sagte[221] er / haben etwas heimlichs miteinander zu reden / daß sie beide nicht wissen sollen. Und vielleicht wollen sie zwei dergleichen tuhn / da der dritte zu viel ist. Darüm können sie hier allein bleiben: und wir wollen auch allein unsern lustwandel verrichten. Bald wird es zeit sein das abendmahl zu halten. Dan wollen wir wiederkommen / und uns miteinander ergetzen.

Also blieb Josef mit der Fürstin Assenat im Königlichen zimmer. Die gespräche / die sie in geheim hielten / wollen wir nicht offenbahren. Was alhier unter der Rose geredet worden / gebühret uns nicht nachzuschwatzen. Doch wollen wir dieses sagen / daß der unterliche liebesvergleich in einem stündlein volkömlich getroffen worden. Dan sobald der König /mit seiner geselschaft / wiederkahm / und lächlende fragte: ob sie nunmehr eins weren? da gab ihm Josef zur anwort: Eins ist in alwege besser / als zwei. Darüm haben wir uns bemühet / dieses zwei in Eins zu bringen. Und das ist auch glüklich geschehen. O eine himlische rechenkunst / die aus zweien Eins ma chet! rief der König überlaut. Lange müsse dieses Eins währen! Lange müsse diese Vereinigung tauren! Lange müsse dieses vereinbahrte Paar leben! Der Himmel müsse es seegnen! Ihm müsse kein böses begegnen! Alles müsse zum besten gedeien.

Wie nun solche Vereinigung in geheim geschlossen war; so ward sie noch diesen abend / in gegenwart des Königes / der Königin / und beider hochfürstlichen Eltern des Freuleins Assenat / ja des gantzen Königlichen Frauenzimmers / und aller Hofbedienten /durch ein öffentliches Verlöbnüs volzogen. Und also bekahm Josef seines gewesenen Herrn Tochter zur Gemahlin; und mit ihr / zum Brautschatze / sechzig tausend güldene krohnen. So herlich ward ihm seine Tugend belohnet / so reichlich seine Keuschheit vergolten. Ja so köstliche /so fürtrefliche / so schöne früchte trug ihm seine Gottesfurcht. Assenat war die schönste / die Tugendvolkomneste / und / nächst der Königlichen Fürstin Nitokris / die allerfürnehmste junge Fürstin des gantzen Egiptens. Eine so fürtrefliche Braut ward dem Josef zu teile. Ein so edeler schatz muste die bitterkeit seines gelittenen elendes versüßen. Aus dem Hause / da man ihm die meiste schmaach zugefüget / ward er mit ehren gekröhnet /mit freuden erfüllet / mit wohllust gesättiget. Jederman war / mit ihm / erfreuet. Jederman wündschte den neuen Breuten glük. Unter dem getöhne der klingspiele / unter dem schalle der trompeten / erhub sich /durch den gantzen saal / ein fröhlicher zuruf. Und dieser währete so lange / bis die spähte nacht sie zu scheiden nöhtigte.

Auf den morgen ward der tag zum Beilager bestimmet. Inzwischen solte alles darzu auf des Königes kosten / färtig gemacht werden. Inzwischen wolte Josef das Ober- und Mittel-Egipten durchreisen. Alda wolte er gleich also / wie er im Unter-Egipten getahn / zur einsamlung des getreidichs anstalt machen. Nach dieser entschliessung begab sich der Ertzbischof /samt seiner gemahlin und Freulein Tochter / wieder nach Heliopel. Der Schaltkönig begleitete sie: und als man daselbsten angelanget / besahe er zugleich die heilige Sonnenburg / die zwanzigjährige wohnung der schönen Assenat.

Diese Burg lag recht vor dem Ertzbischoflichen Schlosse / rundherüm mit Lust-Baum- und andern gärten / als auch einer starken und hohen mauer ümgeben. Zwei tohre gingen in den hof des gemelten Schlosses / und eben so viel nach der stadt zu: jene gegen morgen und mittag / diese gegen abend und mitternacht. Auf der Morgenseite lag der Lustgarten: auf der mittagsseite der Baumgarten: auf der abendseite der Küchengarten;[224] und auf der nordseite der Tiergarten. Der Lustgarten war mit vielerhand bluhmen und andern fremden gewächsen bepflantzet. Hier schimmerten die Rosen. Hier blinkten die Liljen. Hier lachten die Narzissen und Hiazinten. Hier blüheten die Tatuhrstauden / und das wohlriechende Moschkraut. Hier grühneten die heiligen Kreuter und pflantzen; die Seewärmuht / das Efeu: die heiligen stauden und beume; der Rundbaum / der Lorbeerbaum / der Magenbaum / und andere dergleichen. Hier wuchs das Knabenkraut / die Hertzwurtz / der Augentrost / das Zahnkraut; derer euserliche gestalt ihre innerliche kraft und würkung anzeigete. Hier stund auch das wunderseltzame Surnag; dessen wurtzeln / durch ihre entjungfernde manskraft / das zahrte Frauenzimmer verscheuchet. Von den andern beumen / stauden / pflantzen / kreutern und bluhmen / die sich alhier befanden / wollen wir nichts melden.

Der Baumgarten war mit vielerhand Beumen reihenweise besetzet. Diese alle stunden schnuhrgerade /in unterschiedlichen schichten: in der ersten / Goldäpfelbeume / Zitronenbeume / Granahtäpfelbeume / Feigenbeume; in der zweiten / Zipressenbeume / Mirtenbeume / Sant- oder Hartzbeume / Karneb- oder Horn-beume / daran das Johannesbroht wächset; in der dritten / die Musenbeume / die Wollenbeume / Atlenbeume / Lablab- oder Bonenbeume / Alkannen; in der vierden / Schwartze Zimmet- oder Schohtenbeume / Sebe sten- oder / Brustbeeren-beume / Dattelnbeume /derer mänlein man mit den weiblein aneinander geflochten / Tamarinden- oder Sonnenbeume / Balsambeume / und so fort.

Der Küchengarten war mit allerhand Egiptischen Kohl-muß- und andern Küchen-kreutern beflantzet:[225] welche man so wohl roh / als gekocht / und eingemacht zur speise gebrauchte. Hier wuchsen die berühmten Egiptischen Bohnen. Hier stund das Egiptische Pappelnkraut oder Bammia: dessen vielekkichte flaschenfrucht ein angenehmes essen verschafte. Sonderlich befand sich alhier der Egiptische Kohl in großer mänge: dessen vertust die Kinder Israels in der Wüste mit schmertzen bejammerten. Darzu kahmen allerhand ahrten der Melonen / und eine große anzahl kreuter / und anderer früchte / die man alle zur speise zu nützen pflegte.

Der Tiergarten war mit allerhand Egiptischen geheiligten Tieren versehen; welche sie als Götter zu ehren pflegten: als Krokodillen / Katzen / Hunde / Bökke / Widder / Bähre / Wölfe / Leuen / und dergleichen. Sonderlich aber ward alhier der Götzen / ochse / der schwartz war und weis geflekkert / in einem stalle sehr heilig gehalten: als auch der Babian / der dem Abgotte Serapis geheiliget / und zur erfindung des Wasseruhrs anlaß gegeben. Gleichesfals sahe man alda / in einem Vogelhause / mancherlei Egiptische geheiligte Vogel; als den Habicht / den Eib oder Egiptischen Storch / den Adler / den Sonnenvogel / und dergleichen mehr. Im vorhofe stund auf der rechten hand ein Springbrun lebendiges wassers /welches in einen großen steinernen trog geschossen kahm. Hiermit pflegte man die gärte zu wässern / auf das ihre gewächse bekleiben möchten.

Mitten in diesem weiten ümfange lag die Burg selbsten / mit zehen großen zimmern und sählern versehen. Im ersten hatten die algemeinen Egiptischen güldenen und silbernen Abgötter / denen die Fürstin Assenat täglich gedienet / gestanden. Der bodem war mit glatten vierekkichten marmelstükken belegt; die mauren rund herüm mit edlen steinen geschmükt; und die seulen[226] von lauterem golde. Im andern ward der Fürstin Kleiderschmuk / Geschmeide / Tafelzierraht /Gold- und silber-werk / samt den Prunktüchern / verwahret. Im dritten hatten sich allerhand Götzen des Landes befunden; da die Fürstin ihr gebäht täglich verrichtet. Im vierden / welches sehr groß / und mit drei großen fenstern nach dem morgen / mittage / und mitternacht zu versehn war / wohnete die Fürstin Assenat selbsten. Hierinnen stund ein gantz güldenes bette / mit sammet / und allerhand seidenem zeuge gezieret. In den übrigen gemächern befand sich der Assenat Frauenzimmer. Diese alle waren mit köstlichen prunktüchern behangen / und mit anderem schmukke überflüßig versehen.

Als nun Josef alhier alles besehen / und sich / mit seiner Assenat / ein wenig ergetzt hatte; da nahm er seinen abschied / die Länder durchzureisen. Der Ertzbischof begleitete ihn bis an den Sonnenbrun /der nicht weit von Heliopel gelegen. Diesen brunnen halten etliche vor denselben / in dessen wasser die Jungfraumutter Marie des Kindleins Jesus wündeln gewaschen / als sie nach der zeit / mit ihm / vor dem Könige Herodes in Egipten geflohen / und sich in dieser gegend verborgen gehalten. Auch zeiget man noch itzund alda / bei dem Flekken Matarea / einen alten Egiptischen Feigenbaum / welcher hohl und auf der einen seite voneinander geborsten. In diesem Baume sol sich gemelte Jungfrau Marie / mit dem Heilkinde / vor ihren verfolgern einige tage lang verborgen haben. Etliche fügen hinzu / daß gemelter Feigenbaum eben dazumahl voneinander geborsten; und als die Mutter / mit dem Kindlein / sich darein verstekt gehabt / wieder zusammengeschlossen worden /so lange bis die verfolger vorbei gewesen: da er sich aufs neue geöfnet / und mit solcher öfnung bis aus den heutigen tag stehen geblieben.

Und also besichtigte Josef zum allerersten diese schöne[227] gegend des landes Gessen; die er nachmahls vor seinen Vater und seine Brüder / sie zu bewohnen /erlesen. Hierauf reisete er nach Bubast: da der götzendienst der Katzen und Hunde fürnehmlich im schwange. Bei den Ebreern heisset es Pileset; bei den itzigen Egiptern Azut oder Aziot. Nach dieser stadt zu warden ehmahls alle Katzen / die in Egipten starben / eingesaltzen geschikt; und alda / gleichwie die Habichte zu Butis / mit heiligen geprängen begraben. Von dannen ging die reise ferner fort in die andern städte des Mittel-Egiptens. Endlich zog er auch in das Ober-Egipten; dessen hauptstadt das prächtige Tebe / der nachmahlige Königliche sitz / war. Diese Stadt ist ehmahls so gewaltig groß gewesen / daß sie mit hundert tohren geprahlet. Als er nun alles besichtiget / und überal anstalt gemacht das getreidich einzusamlen / auch hierzu königliche Kornheuser zu bauen befohlen; da begab er sich wieder nach Memfis.

Acht tage vor der bestimten zeit des Beilagers kahm Josef in dieser königlichen stadt an. Eben hatte sich die Fürstin Assenat alda auch eingefunden / die Königliche Fürstin zu besuchen. Eben stunden diese beide Fürstinnen im fenster / als der Schaltkönig zum Burgtohre hineinfuhr. Niemand war froher / als Assenat / da sie ihren Breutigam erblikte. Kaum konte sie sich halten / daß sie ihm nicht straks entgegen lief. Kaum konte sie so lange warten / bis er selbsten kahm seine schuldigkeit bei seiner Braut abzulegen. Das glük wolte beiden so wohl / daß der König eben vor die stadt geritten. Und also gab dessen abwesen ihnen gelegenheit einander üm so viel eher wilkommen zu heissen. Dieses geschahe mit den höchsten freudenbezeugungen. Niemahls hat die Morgensonne den Erdkreus lieblicher gegrüßet / als beiderseits grüsse waren. Die holdseeligen reden / die anmuhtigen blikke spieleten durcheinander.[228] Diese zeigeten an /was jene nicht durften. Die freudigen bewegungen des hertzens euserten sich durch die augen / die eignen werkzeuge der Liebe. War die zunge blöde / so waren diese des zukühner.

Mitlerweile kahm der König an. Unversehens überraschete er dieses liebe Paar. Unvermuhtlich traht er zum zimmer hinein. Zur stunde ward ein stilschweigen. Josef eilete ihm straks entgegen / die Königliche hand zu küssen. Da veränderte sich der schertz in ernst; der liebeshandel in stahtsgeschäfte. Der Schaltkönig erzehlte den verlauf seiner reise. Seine verrichtungen täht er kund. Der König billigte sie alle. Alles / was Josef angeordnet / gefiel ihm über die maße. Die Kornverwalter waren nunmehr durch das gantze Egipten bestellet. Hierüber solten auch Oberaufseher verordnet werden. Derer sieben / vermeinte Josef /würden genug sein. Nähmlich drei im Ober-Egipten; und so viel im Unter-Egipten; aber im Mittel-Egipten nur einer; weil er alda selbsten zugegen / und neben diesem die aufsicht zu haben vermöchte. Die wahl dieser sieben hohen Beamten übergab er dem Könige: und der König ihm wieder. Darbei blieb es. Auf dem Schaltkönige solte alles beruhen. Alle solten ihre ämter und befehle nur aus Josefs hand empfangen.

Weil nun des Königes wille war / das Josef alles allein nach seinem eigenen guhtdünken / bestellen solte; so machte er seinen eigenen Hofmeister zum Oberaufseher im Mittel-Egipten. Die übrigen sochse wählete er / auf erleubnüs des Königes / aus den Königlichen Höflingen. Diese alle waren aus dem fürnehmsten Egiptischem Adel entsprossen / und darbei noch unverehligt. Nach geschehener wahl / baht Josef den König ihm zu erleuben / daß er auf den abend seine Braut / samt ihrem Frauenzimmer / und den erwehlten Oberaufsehern / im königlichen Lustgarten bewürten möchte. Alles[229] ward ihm zugestanden; und darzu dem Küchenmeister befohlen / daß er solches Mahl auf das herlichste zurichten liesse. Hierauf ging der König zu seiner Gemahlin / den Josef bei seiner Liebsten allein zu laßen. Auch ward gemelten sechs Höflingen angesagt; daß sie diesen abend des Schaltköniges gäste sein solten; und über eine stunde in der Fürstin Assenat zimmer sich einfinden. Diese / welche von ihren neuen Bestallungen noch nichts wüsten / waren überaus verwundert. Sie konten ihnen nicht einbilden / woher ihnen solche ehre kähme.

Nach verlauf der angesagten zeit erschienen die eingeladenen / auf das prächtigste gekleidet. Der Schaltkönig empfing sie alle sehr freundlich. Auch zeigete er ihnen alsobald an / mit was vor Bestallungen er sie versehen. Sie bedankten sich auf das untertähnigste vor solche so hohe gnade. Einieder gelobte mit mund und hertzen an / seinem befehle getreulich nachzukommen. Der Fürstin Assenat sieben Stahts jungfrauen kahmen eben zum zimmer hinein geträhten / die Fürstin zur tafel zu begleiten. Und hiermit erhub sich der Schaltkönig / und nahm seine Liebste bei der hand. Auch befahl er seinem Hofmeister / und den andern sechs Oberaufsehern dergleichen zu tuhn. Einieder solte vor sich eine Jungfrau erwehlen; und also gepaaret ihm folgen. Sobald sie in den garten gelanget / lies sich Josef / mit seiner Braut / bei der tafel nieder: und die gäste folgeten ihm / wie sie gegangen / zu paaren. Jederman war fröhlich. Josef selbsten hatte seine sonderliche lust an dieser bunten reihe. Er fragte das Frauenzimmer: ob ihnen diese gepaarte geselschaft nicht besser anstünde / als ihr bisher geführtes einsames leben? Termuhtis / darzu sich sein Hofmeister gesellet / gab offenhertzig zur antwort: sie wündschte vor ihr teil so gepaaret zu bleiben. Sie sol es auch bleiben / fing ihr Josef das wort[230] auf: und ich zweifle nicht / es werde ihrem gatten eben also belieben. Es kan mir nichts besser belieben / fing der Hofmeister hierauf an: und ich bin mit meiner gattin mehr als wohl zu frieden. Hierauf rieffen sie beiden alle glükzu: und der Schaltkönig fragte die übrigen / ob sie auch also gesonnen? Weil nun keine von den Jungfrauen einige antwort gab; so antworteten endlich die sechs Höflinge alle zugleich / sie wündschten nichts liebers / als fort und fort so gegattet zu leben: auch fügten sie hinzu / daß sie nicht zweifelten / ihre gattinnen würden dergleichen wündschen; weil sie ihr ja mit stilschweigen andeuteten.

Alle diese sieben Jungfrauen waren aus der maße schön. Sie waren alle aus den fürtreflichsten Adlichen geschlechtern entsprossen. Und wie sie der schönheit / und dem stande / alle gleich waren / so waren sie es auch in der schönheit. Keine hatte sich weder hier /noch dar einigen vorzug anzumaßen: so gleichmäßig jung / schön / und edel waren sie alle. Und eben darüm war einieder gatte mit seiner gewehlten gattin über die maße vergnüget. Keiner misgönnete dem andern sein teil. Einieder bildete ihm ein / er hette die schönste gewehlet. Der Schaltkönig sprach endlich das letzte wort aus. Weil ich dan sehe / sagte er / daß sie sämtlich gepaaret sein / und bleiben wollen; so wündsche ich ihnen allen den himlischen seegen. Ja ich wil / daß mein trautag ihr trautag sei. Ich wil / daß meine freude die ihrige vermehre. Das wil ich; damit meine lust üm so viel volkommener sei / wan ich / mit meiner traue / die ihrige volziehen sehe.

Mitlerweile war der ruf von diesem neuen Liebeshandel vor des Königes ohren gelanget. Er saß noch /über der tafel. Aber aus neugierigkeit / solche gepaarte sieben in ihrer vollen lust zu sehen / stund er eher auf / als er gewohnet. Unvermuhtlich traht er in den garten. Die Königin hatte er an der rechten / und die Königliche[231] Fürstin an der linken hand. Also nahete er der Sommerlaube / darunter alle diese Breute saßen. Eben waren sie in ihrer besten lust / als er sie überraschete. Zur stunde bewegte sich alles. Allesamt stunden sie auf / des Königes gegenwart zu ehren. Der Schaltkönig Josef und die Fürstin Assenat trahten von ihrer stelle / dem Könige sie zu übergeben. Aber er winkte ihnen / daß sie bleiben solten. Wir kommen nicht / sagte er / sie in ihrer lust zu stöhren; sondern den neuen Breuten glük zu wündschen. Auf diese worte neugten sie sich alle mit tiefster ehrerbietigkeit. Mein Hof / fuhr der König fort / hat heute von großem glükke zu sagen; weil er sechzehen Breute beieinander schauet. Das ist nie erhöhret / so lange diese Burg gestanden. Aber woher komt uns ein so plötzliches und so seltenes glük? Ohne zweifel haben wir es der Fürstin Assenat zu danken. Hiermit ging er von ihnen / nach dem hintersten ende des gartens zu; damit er sie in ihrer freude nicht stöhrete.

Unterdessen setzten sich alle diese Verlobten noch einen augenblik nieder. Nicht mehr als einmahl ward herüm getrunken / und dem Frauenzimmer noch etwas vom nachtische vorgedienet. Darnach erhub sich der Schaltkönig / mit der Fürstin / So tähten auch alle seine Gäste. Er nahm seine Liebste bei der hand / sich zum Könige zu begeben: und die neuen Oberaufseher / samt ihren Breuten / folgeten ihm nach. Also gingen sie gepaaret nach hinten zu; da der könig / samt seiner Gemahlin und Freulein Tochter / unter einem laubergange saß. Alda ersetzten sie sich mit allerhand kurtzweiligen gesprächen. Allerhand schertzreden fielen vor. Allerhand lustspiele warden begonnen. Aber Niemand schien lustiger zu sein / als der König. Er schertzte fort und fort. Fort und fort erwähnte er des unvermuhteten glükkes / das heute seinem Hofe zugestoßen. Dieser abend / sagte er / sei würdig / daß ihn der höchste der Götter auf seiner[232] Amme fel mit güldenen buchstaben anzeichnete; daß dessen gedächtnüs im himlischen Ertzschreine verwahret würde.

Es war nunmehr sehr späte. Es nachtete auf dem gantzen obersten weltkreuse. Der fünstere schatten hatte die helfte der erdkugel ümgeben. Doch machten ihn die fünkelnden sterne liechte. Der aufgehende mohn zertrieb ihn. Der Kanohpstern schimmerte von ferne. Er winkte durch die stille luft den Verliebten ein zeichen zu geben / daß sie scheiden solten. Es war hohe zeit die nachtruhe zu nehmen / und die ermüdeten glieder / durch den schlaf / zu erfrischen. Der König begab sich endlich aus dem garten. Die gantze geselschaft folgete bis vor der Königin zimmer. Alda geseegnete sie der König. Bei der Fürstin Assenat schieden sie zuletzt alle voneinander. Einieder ging an seinen ort / und begab sich wohlvergnüget zur ruhe.

Auf den andern tag bekahm Josef lust die nächstgelegenen Grabspitzen zu besichtigen. Der König selbst zog mit. Die Königin / samt dem gantzen Königlichen Frauenzimmer / folgete. Die Fürstin Assenat hielt ihnen geselschaft. Der erste zug ging auf die zwo ältesten zu: welche Schur / Schahaluaks Sohn /vor der Sündfluht / auf der abendseite des Niels gebauet. Andere melden / daß Enoch die eine gestiftet: und darein alle seine gühter / und bücher / auch was er sonst köstliches gehabt / geschaffet; weil er gewust / daß die Erde / mit wasserfluhten / kurtzkünftig überschwämmet werden solte. Eine iede dieser Grab- oder Feuer-spitzen war vierekkicht / gantz glat / und drei hundert und siebenzehen ellen hoch / auch vierhundert und sechzig auf allen vier seiten breit. Man hatte sie so stark / so fürsichtig / und so auf die währe gebauet / daß sie weder vom erdböben / noch von den heftigsten sturmwinden den geringsten schaden leiden konten. Alle und iede steine /[233] damit man sie in die höhe geführet / waren zwo ellen hoch / und fünfe lang. Inwändig befanden sich sieben gemächer: welche man nach den sieben Schweifsternen genennet. In ieden gemache stund ein güldener Götze. Der eine wiese mit der hand nach dem munde / und hielt ein buch vor der stirne. Wan iemand nach ihm zutraht / täht er den mund auf. In diesem lag ein schlüssel an einer kette. Die ostliche Grabspitze solte König Schurids / die westliche seines Bruders Hugits begräbnüs sein. Aber die Sabeer melden / daß in der einen Agatemon / das ist Set / und in der andern Hermes / das ist Enoch / und Elmalum / mit dem Zab / des Hermes Sohne / begraben sei.

Hierauf besahe man auch die Grabspitzen und Grabhöhlen auf der morgenseite des Niels / vor der stadt Memfis. Alda befand sich der grund weit und breit gantz steinicht und felsicht; wiewohl er mit sande anderthalben fuß hoch bedekt war. In und durch diesen steinichten grund hin waren die Grabhöhlen /mit ihren untererdischen gängen / gehauen: und auf demselben stunden die ungeheuer-großen gewaltigen Grabspitzen. Diese waren nicht aus steinen des grundes / darauf sie stunden / gebauet; sondern aus andern / die man von anderwärts her / mit großer mühe /darzu gehohlet. Und darüm hat man sich üm so viel weniger zu verwundern / wan wir lesen: daß man mit dem baue der grösten Grabspitze wohl zwanzig jahre zugebracht / ja wohl dreihundert tausend menschen /in währender zeit / fort und fort daran arbeiten laßen. In diesen Grabspitzen stunden die Leichen der Egiptischen Könige / und anderer fürnehmen Herren: und in den steinernen Grabhöhlen unter der erde der andern Einwohner. So heilig und sorgfältig bewahreten die Egipter aller ihrer Abgestorbenen leiber; damit sie vor der gewalttähtigkeit des feuers / des wassers / und der luft ewig befreihet[234] blieben. Ja sie salbeten sie auch überdas / wider die verwäsung / mit allerhand kräftigen artzneien / ehe sie in gemelte Grabspitzen oder Grabgewölbe beigesetzt warden. Und darzu spahreten sie keine kosten.

Mit verwunderung war es zu sehen / wie solche Grabhöhlen so weit unter der erde hingingen. Eine war immer grösser und köstlicher / als die andere: und von einer zur andern konte man allezeit durch schmahl ausgehauene gänge gelangen. Dieser höhlen und gänge sahe man so viel; auch lieffen sie so krum und so wunderseltzam in- und durch-einander herüm /daß sie anders nicht / als ein Irgarten zu sein schienen. Sie erstrekten sich nicht allein bis unter die Stadt / derer meistes teil auf diesen Grabgewölben stund; sondern auch / unter der Sandsee hin / selbst bis an das Ammonische und Serapische Götzenhaus in der Sarkischen wüste. Und dieses kahm den Priestern sehr wohl zu statten; weil sie ohne einiges ungemach / vermittelst dieser höhlen / von beiderseits örtern zusammenkommen konten. Dan sonsten hetten sie / im reisen über der Sandsee hin / nicht allein der heftigen Sonnenhitze / sondern auch dem überaus verdrüslichen sandstaube unterworfen sein müssen: darunter die reisenden vielmahls / wan es ein wenig stürmet /erstükt / und mit sak- und pakke begraben werden. Gemeiniglich waren solche Gewölbe funfzehen / oder zwanzig füße lang / und eben so breit; dergestalt daß sie recht vierekkicht lagen. Auch stunden in den selben gemeiniglich vier reihen tafeln / aus eben demselben steine gehauen. Jede tafel war ohngefähr fünf füße lang / drittehalben breit / und einen hoch. Hierauf pflegte man die Leichen / in höltzernen / auch wohl steinernen särgen / zu setzen. An den seitenmauren sahe man etliche Bilder der Egiptischen Beschirmgötzen in einer länglichrunten tafel / mit vorwärtsgebükten gesichtern / ihre aufsicht über die leichen anzudeuten / ausgehauen.[235] Dergleichen Beschirmgötze stund auch oben am hauptende / auf den sarg geschnitzt oder gehauen: wiewohl auf etlichen /an desselben stat / des Verstorbenen bildnüs gesehen ward. Am fußende stund vielmahls ein Habicht / und mitten auf der dekke des sarges eine verborgene bilderschrift; welche gemeiniglich auf die beschirmung des Leichnams zielete.

Meistenteils war der todtenkasten / darinnen eine Fraue lag / oben auch als eine Fraue / und darinnen ein Mansbild lag / auch als ein Mansbild gestaltet. Auf etlichen Frauensärgen sahe man der Abgöttin Isis bild / mit den sinbildern der sechs Gottheiten / welche das böse vertreiben solten: als den Orus / in gestalt eines knabens; den Anubis / mit einem hundeskopfe; die Nefte / welche die Egiptische Venus sein solte /als ein kniekendes Frauenbild; den Babian oder Kinozefal / als einen affen; den Osiris / in gestalt eines Habichts; und Arueris / mit einem strükke / wie auch alle die andern / die gewalt der gegenstreitenden machten zu binden; damit sie die Seele des abgestorbenen üm so viel ungehinderter nach den sieben himmelskreusen zuführen möchten. Die Isis hatte einen zierlich gestikten schleier üm den kopf / dessen enden auf die schultern hingen: und vor der brust sieben ahrtig gestikte schweiffe / welche die sieben Himmelskreuse bedeuteten. Zwischen iedem der ersten drei schweiffe stunden zween von den gemelten sechs Gottheiten: und ein Frauenbild mit ausgestrekten armen in der mitte; welche in ieder hand eine schlagfeder / mit einem dreifachen flügel / hielt / und die Egiptische Jinx / das ist das Göttliche ebenbild / darnach alles geschaffen worden / bedeutete. Sonsten war gemelte Isis mit einem zahrten netze überzogen.

Die Leichen selbst / welche gebalsemet in diesen särgen lagen / waren mit dünnem leinwand oder seidenemzeuge / das man mit wachse / peche und einer kreidichten pappe steif und tauerhaftig gemacht / zierlich und dichte bewunden. Und auf diesen gepapten wündeln stund gemeiniglich des Abgestorbenen bild /mit unvergänglichen farben / gemahlet: welches die kenzeichen ihres Götzendienstes / mit den früchten /die man den Götzen zu weihen pfleget / in den händen hielt. Auch sahe man alda unterschiedliche vielfärbige bänder / mit flinkerndem zeuge bestreuet / schweifsweise über die wündeln hin gezogen oder zusammengehäftet. Zwischen diesen schweiffen oder kreusen befanden sich vielerhand heilige bildzeichen; die alle ihre sonderliche bedeutungen hatten.

Auf eben dieselbe weise waren auch die meisten Serapen oder Beschirmgötzlein / welche man an die wündeln der Leichen / sie vor den bösen geistern zu beschirmen / fest genähet / gewündelt / und mit verborgenen sinbildern gezieret. Diese bestunden an sich selbsten aus gebakkenem tohne / und hatten die länge eines fingers / auch wohl einer hand. Etliche waren gebildet als eine Frau / andere als ein Man. Gemeiniglich hatten sie eben dieselbe bilderschrift vor der brust / als die Leiche selbsten: und diese kahm meistenteils auf folgenden sin aus: Der Beschirmgott / durch geheiligte gaben / und angenehme dienste bewogen /gönne dieser Leiche das leben / und führe sie in die Himlischen kreuse. Oder aber also: Der Geist dieses leibes / durch das leben der gnädigen und vorsehenden Gottheit beseeliget / sol durch das anbähten der Stäbe des Orus / der die jahre be herschet / nach dem himmel zu fliegen. Neben gemelten Schirmgötzlein lagen auch zu weilen mit im sarge etliche papierne Rollen / mit Egiptischen Sinbildern bemahlet. Darauf stund das Leicher gepränge / oder vielmehr die abbildung der Götzen / welche man darinnen[238] der Leiche / auf heiligen bahren / nachgetragen. Dan die Egipter hatten die gewohnheit /wan sie ihrer verstorbenen begräbnüsse / sonderlich der Könige / Priester / oder anderer vornehmen leute /hielten / daß sie ihnen die Bilder der fürnehmsten Abgötter / in eben der ordnung / als in den ümgängen der hohen festtage gebreuchlich / nachtragen ließen. Und hierdurch wähneten sie / wan ihre Götzen sie solchergestalt gleichsam mit zu grabe begleiteten / daß sie ihre Seelen üm so viel eher in die seelige wohnung führen / und vor aller gewalt der gegenstrebenden bösen Geister vertähtigen würden. Ja eben dasselbe augenmärk hatten sie auch / wan sie die gemelten rollen / mit den bildnüssen solcher Abgötter bemahlet /zu den leichen in die särge legten.

In einer Grabspitze sahen sie auch etliche Todtengefäße / darinnen man die Leichen der Königlichen Kinder gelegt hatte. Diese waren länglichtrund / über dem fuße dikbeuchicht / und warden nach dem halse zu immer schmähler und schmähler. Etliche hatten oben auf des Kanopus angesicht / andere einen Habichtskopf stehen. Rund ümher waren sie mit Egiptischen Sinbildern reihenweise gezieret. Bei diesen Leichengefäßen / als auch in etlichen Grabgewölben unter der erde / fanden sie zugleich ewigbrennende Lichter oder Lampen. Diese Lampen waren von gekochter kreide zubereitet. Teils hatten die gestalt eines hundes / teils eines Menschen / teils eines habichts /teils eines stiers / auch wohl einer schlange. Etliche brauten mit drei / andere mit vier / auch wohl mit acht / ja zwölf daachten. Die daachte waren von unverbrenlichem steinichtem flachse: welche mit Steinöhl oder Jüdenpeche / durch verborgene röhren / die man aus den öhl- oder pechbrunnen in die Lampen geleitet / fort und fort befeuchtet und getränket warden.

Mit solchen ewigen Lichtern wolte man die unsterbligkeit[239] der Seele bezeichnen; auch zugleich die unsterblich gewähnten Gottheiten der Egipter darnachzu ziehen / die Leiche zu beschirmen / und die Seele / durch ihre stähtige gegenwart / zu verherlichen. Dan weil die Egiptischen Weisemeister sahen /daß die eigenschaft des Lichtes oder Feuers den Göttlichen würkungen sehr gleich war; so hielten sie das Feuer vor ein solches sichtbahres zeichen der Gottheit / welches sie / durch eine verborgene kraft / lüstern machte das Licht mit ihrer gegenwart stähts zu beseeligen. Ja sie wähneten / wan ihre Gottheiten also bei diesen lichtern stähts zugegen weren / daß sie der Verstorbenen Seelen / damit sie in keine leiber der unvernünftigen Tiere führen / da sie elendiglich leben müsten / bewahren würden. Eben zu dem ende wendeten sie auch so viel kosten an / ihre Leichen durch balsemen unverwäselich / und ihre Grabstätten unvergänglich zu machen; damit die Seelen / imfal sie nicht in den Himmel / oder in andere Menschliche leiber gelangten / gleichwohl in oder bei dem gräbern so lange verbleiben möchten / bis sie nach verlauf der sieben tausend jahre wieder in ihre eigene leiber kehreten. Dan sie hielten darvor / daß die Seelen der Menschen / wan sie gottloß gelebet / so lange üm die gräber herüm schwärmeten / bis sie eines andern Menschen / oder auch wohl Viehes leib angetroffen /dahinein zu fahren; sonderlich wan der Leichnam / ihr altes wohnhaus / verwäset / und die Gottheiten von dannen weggewichen.

Nachdem man nun diese Grabstätten wohl besichtiget / da zog man weiter fort / nach dem Märischen Irhofe zu. Dieses große weit ümfangene gebeu bestund in drei tausend und fünfhundert heusern / also daß es eine große stadt zu sein schien. Alda hatten alle Egiptische Götzen ihre Heiligtühmer: darinnen unterschiedliche Grabspitzen von vierzig ellen stunden. Auch[240] befand sich eine Grabspitze von vierzig schritten am eusersten ende des gantzen baues. Diese war mit großen ausgehauenen bildern allerlei tiere gezieret; und hatte einen gang unter der erden hin. Im eingange gelangte man in so viel und so lange irgänge; welche so wunderlich und so krum herüm durcheinander lieffen / daß sich niemand / ohne geleitsman / weder hinein / noch heraus zu finden vermochte. Der gantze bau war in zwölf unterschiedliche Höfe geteilet. Hier lagen / in sehr prächtigen gewölben unter der erde / zwölf Könige / die diesen Irhof gebauet / als auch die heiligen Krokodillen begraben. In allen diesen Höfen befanden sich sehr hohe köstliche sähler; und üm die plätze herüm überaus prächtige gänge /derer tächer auf porfiersteinernen bildseulen ruheten. Etliche bildeten die Götzen ab / andere die Könige: wieder andere hatten die gestalt der ungeheuren Riesen / und dergleichen Wundergeschöpfe. Wan etliche tühren aufgetahn warden / hörete man ein heftiges donnern. Auch tähten sich etliche der Götzenheuser von sich selbsten auf / sobald das feuer auf der brandhöhe flammete: wan es aber verloschen / sprangen sie plötzlich wieder zu.

Inmittelst nahete die bestimte zeit zum Beilager des Schaltköniges herbei. Man verfügte sich wieder nach Memfis. Da war eben der Königliche Fürst von Libien angelanget. Aber er gab sich nicht kund. Man wuste anders nicht / als daß er ein Edelgesteinhändler were. Davor wolte er auch gehalten sein. Hierdurch bekahm er gelegenheit die Königliche Fürstin zu sprechen. Etliche mahl kahm er zu ihr / seine wahren sehen zu laßen. Allezeit brachte er was sonderliches /was neues / was köstlichers. Endlich lies er ihr eine sehr köstliche Perlenschnuhr zur schaue. Sie fragte /was sie gelten solte? Er gab zur antwort: er hofte mehr darvor in zu bekommen / als sie wählt sei. Die Königliche Fürstin[241] fragte wieder: wie sie das verstehen solte? und er antwortete: einer Liebhaberin ist nichts zu teuer. Sie besahe die Perlen. Sie befand sie überaus rein / überaus klahr. Nicht eine konte sie finden / daran der geringste tadel zu spühren. Sie waren groß. Sie hatten einen schönenglantz. Ihre recht runte glätte stund ihr wunderwohl an. Diese Perlen / gedachte sie bei sich selbst / mus ich haben / und solten sie auch noch so viel kosten. Darüm behielt sie die Schnuhr bei sich / sie den König sehen zu laßen: und befahl dem verkeuffer auf den folgenden morgen wiederzukommen. Er sagte ja: aber der nicht wiederkahm / war er. In etlichen tagen lies er sich nicht blikken. Ob schon die Königliche Fürstin hin und wieder nach ihm vernehmen lies / so war er doch nirgend zu finden.

Josef hatte nunmehr alles bestellet / was zu seinem Trautage nöhtig. Die eingeladenen gäste begunten algemach anzukommen. Der Ertzbischof / samt seiner Gemahlin / war schon vorhanden. Der gantze Hof machte sich bereit gegen künftigen morgen. Alles Frauenzimmer verlangte die schöne Braut / in ihrem köstlichen brautschmukke / zu sehen. Nicht weniger trugen verlangen ihre Stahtsjungfrauen dieser liebseeligsten Fürstin geselschaft zu leisten. Sie zehleten alle stunden / ja alle zeitblikke. Auf den abend versuchten die Kunstspieler und Meistersänger die Brautlieder /welche bei der traue solten erschallen. Dis war ein vorspiel der instehenden freude. Und hiermit erreichte dieser letzte hofnungstag sein lang gewündschtes ende.

Quelle:
Philipp von Zesen: Assenat, Amsterdam 1670, S. 194-242.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Meyer, Conrad Ferdinand

Gedichte. Ausgabe 1892

Gedichte. Ausgabe 1892

Während seine Prosa längst eigenständig ist, findet C.F. Meyers lyrisches Werk erst mit dieser späten Ausgabe zu seinem eigentümlichen Stil, der den deutschen Symbolismus einleitet.

200 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon