Sechstes Buch.

[242] Die Sonne hatte sich über das Arabische gebürge schon vor zwo stunden erhoben. Mit überaus lieblichen strahlen blikte sie die Stadt Memfis an. Der klahre tag / die heitere Luft reitzeten alle Menschen zur freude. Assenat stund schon in ihrem köstlichen Brautschmukke. Ihr kleid war von reiner weisser seide / mit silbernen bluhmen / aus denen die schönsten demanten schimmerten / durchwürkt. Ein güldenes Kröhnlein / mit demanten und perlen versetzt / strahlete von ihrem heupte: und eine Rose von demanten vor ihrer brust. Eine dreifache Perlenschnuhr hing üm ihren hals / und üm beide hände: auch ein Ohrengehänke mit einer großen Perle zu beiden seiten des heuptes.

In diesem herlichen zierahte fiel Assenat nieder auf ihre kniehe. Ihr gebäht stürtzte sie aus zum HERRN aller herren. Zum allerhöchsten Gotte flöhete sie. Den baht sie mit hertzinbrünstigen seuftzern / daß er zu ihrer vorstehenden Ehe gedeihen und seegen verleihen möchte. Ohngefähr eine vierteilstunde hatte sie sich in dieser andacht befunden / als die Königin / mit der Königlichen Fürstin / ankahm / die Hochfürstliche Braut zur traue zu führen. Vierzehen Kammer- und Stahtsjungfrauen folgeten. Diese waren bestimmet die andern sieben Breute / der Fürstin Assenat Stahtsjungfrauen / gleichergestalt zu begleiten. Die ordnung ward gemacht: die glieder geschlossen. Je drei und drei folgeten nacheinander.[243]

Indessen hatte sich der König mit dem Reichskantzler / auch in des Schaltköniges zimmer verfüget /ihn ebenmäßig zu begleiten. Der Königliche Fürst /der sonst / neben dem Könige / den Breutigam führen sollen / lag noch krank zu bette. Darüm muste der Reichskantzler seine stelle versehen. Vierzehen der fürnehmsten Hofbedienten gelangten zugleich an / den sieben Oberaufsehern eben dasselbe zu erweisen. Alle waren auf das herlichste / und der Schaltkönigliche Breutigam gleicher weise / wie seine Braut / gekleidet. Auch trug er auf dem heupte eine güldene Krohne / die mit ausgesetzten edelen steinen flinkerte. Eben waren sie in den Trausaal geträhten / als das gepränge der hochfürstlichen Braut / mit den andern sieben Breuten / ankahm.

Ein Ebreischer Jüngling / den der Schaltkönig etliche tage vorher in seinen dienst genommen / fühlete einen sonderlichen trieb zur Dichtkunst. Fürnehmlich hatte er sich geübt in den Hürtengedichten / der Ebreer eigenen erfindung. Diese pflegten unter andern /wan sie im heissen mittage / unter dem schatten der beume / bei ihren heerden ruheten / ein Schattenliedlein von ihrer liebe zu spielen. Ein solches hatte gemelter Jüngling der Hochfürstlichen Braut zu ehren verfasset. Und dieses ward im eintritte derselben in den Trausaal / erstlich auf Ebreisch / darnach in Egiptischer sprache gesungen. Die Klingel- und seiten-spiele gingen darunter. Den Egiptern war es was neues / was seltzames. Nie hatten sie so ein anmuhtiges Liedlein gehöret. Daher stunden alle zuhörer entzükt. Alle ihre sinne warden ihnen gleichsam entraft. Aber was verziehen wir den versuch zu tuhn /solches mit einer Hochdeutschen zunge nachzusingen. Wir wollen es wagen. Und so singen wir dan verhochdeutscht / der schönen Assenat zum heiligen gedächtnüsse / solches[244]


Grund- oder unter-stimme.


Sechstes Buch

Sechstes Buch

Hoch- oder Ober-stimme.


Sechstes Buch

Schattenliedlein.

[246] So gehet und stehet die Schönste der Schönen /

die Heerden zu höhnen:

die hochweis am Bache zu Hebron geschwämmet /

seuberlich / reinlich / und zierlich gekämmet.

Seht! wie sie blinket.

und blinkende winket.

So mus scheinen

Lieb' im reinen.[247]


Die Schäflein / die unter den Rosen sich weiden /

in grühnenden heiden /

beschähmet ihr sanftes und stilles gemühte /

selbsten in ihrer noch zährtlichen blühte.

Alles ist stille /

das wesen / der wille.

Sanftes lieben

mus man üben.


Die Schäfelein folgen dem Hürten getreulich.

So folget auch freilich

die treue Braut ihrem treueifrigem Gatten /

unter den schatten / der Liebe zu statten /

unter den schatten /

auf grühnenden matten.

Treu' im lieben

mus man üben.


Da kommet die Treue / die Frömste der Frommen.

Wir sehen sie kommen.

Sie kommet zur Traue / zu eigen ihr leben

ihrem geliebeten Josef zu geben:

den Sie zum lieben /

durch treue / getrieben.

Treu verblieben

mehrt das lieben.


Nun füge dich / trautes Paar / ehlich zusammen /

zu nehren die flammen.

Auf Josef! auf Assenat! schauet! von oben

hat sich der seegen des Himmels erhoben.[248]

Ehliches lieben /

das treulich geblieben /

nimt die Krohne

hin / zum lohne.


Nachdem man dieses Schatten- oder Schäferliedlein gesungen und gespielet / da ward alles gantz stil; und die Traue durch den Ertzbischof selbst verrichtet. Dieser gab zuerst den Schaltkönig mit seiner Freulein Tochter zusammen: darnach auch die andern sieben Breute. Nach geschehener einseegnung / wündschten ihnen alle anwesenden glük. Und dieses geschahe unter dem lieblichen getöhne der seitenspiele / unter dem fröhlichen halle der trompeten und krumphörner; welcher die gantze Burg erfüllete. Straks hierauf begab man sich in den Tafelsaal / da schon alles zu einem köstlichen Brautmahle bereitet stund.

Sieben tage lang währete diese freude. Der König spahrete keine kosten. Alles war auf das prächtigste angestellet / auf das herlichste zugerüstet. Alles muste mehr als königlich zugehen. Es gebrach nichts am zierrahte / der zu einem so prächtigen Beilager erfordert ward. Es fehlete nichts an köstlichen speisen. Allerlei getränke ward aufgeschaffet. Allerlei Kunstspieler / mit den besten Sängern / die man finden konte /musten diese freude vermehren. Jederman war fröhlich. Alle lust / die man erdenken konte / ward verübet.

Drei tage hatten die Herren an besondern tafeln allein gesessen: und das Frauenzimmer auch allein. Aber am vierden bekahm der König lust eine bunte reihe zu sehen. Jede Braut ward ihrem Breutigam zur seite gesetzt: und das übrige Frauenzimmer unter die andern Herren verteilet. Eben als man diese bunte reihe zu machen begonnen / ward dem Könige bericht getahn / der Libische Königliche Fürst sei zugegen. Dieser stund mitten unter den zuschauern; und vermeinte / niemand[249] würde ihn kennen. Aber einer von den Höflingen / der sich in Libien aufgehalten / ward dessen von ohngefähr gewahr. Er ward dem Könige heimlich gewiesen. Unvermärkt ging er nach ihm zu. Die zuschauer wichen zurük. So täht auch der Libier. Aber der König ergrif ihn bei der hand. Solchen gästen / sagte er / gebühret eine andere stelle. Wir seind erfreuet den Libischen Fürsten zu sehen. Noch mehr werden wir uns freuen / wan dessen gegenwart unser Brautmahl zieren wird. Der Libier neugte sich mit tiefster ehrerbietigkeit. Er trachtete sich zu entschuldigen. Aber der König wolte von keiner entschuldigung wissen. Er zog ihn nach der tafel zu / und fügte ihn neben seine Freulein tochter Nitokris. Diese ward bestürtzt / als sie den Libier sahe. Noch wuste sie nicht / wer er were. Noch sahe sie ihn vor denjenigen an /davor er sich selbsten ausgegeben. Darüm konte sie ihr nicht einbilden / warüm ihn ihr Herr Vater so hoch ehrete. Eben trug sie die Perlenschnuhr / die er ihr neulich gelaßen. Daher erröhtete sie sich / daß sie dieselbe noch nicht bezahlet. Ihr erstes wort / das sie sprach / war ein verweis; weil er die bezahlung nicht gefordert. Der Libier antwortete: die Perlenschnuhr sei in guhter hand: seine bezahlung werde wohl folgen.

Mitlerweile eröfnete der König dem Schaltkönige /wer dieser neue gast sei. Sonst niemand muste es wissen; auch die Königin selbst nicht. Und darüm warfen sie alle die augen auf ihn; sonderlich als er mit der Königlichen Fürstin vertraulicher ümzugehen sich erkühnete / als sie meineten ihm zu geziemen. Diese war sonst überaus leutseelig. Gleichwohl nahm sie solche kühnheit nicht aller dinge wohl auf. Aber sie lies sich nichts märken. Ehrete ihn der König / so konte sie anders nicht tuhn / als sich auch ehrerbietig zu erweisen. Und diese der Fürstin ehrerbietigkeit veruhrsachte noch mehr verwunderung. Wunderliche gedanken schöpften sie alle.[250] Jederman verlangte das ende zu sehen. Jederman wündschte zu wissen / was den König bewogen diesen Libier so hoch zu würdigen. Nach einer guhten weile stund der König plötzlich auf. So stehende trunk er dem Schaltkönige die gesundheit des Königlichen Fürstens aus Libien zu. Der Schaltkönig erhub sich gleichergestalt. So täht auch der Libier / mit tiefster ehrerbietigkeit. War man zuvor verwundert gewesen / daß der König diesen Libier so hoch geehret; so war man es itzund noch viel mehr / da er eine solche gesundheit anfing. Niemand konte begreiffen zu was ende. Man geriet in die gedanken / dieser Libier were vielleicht ein Gesanter aus Libien. Dan keiner bildete ihm ein / daß er der Königliche Fürst selbsten sei: auch Nitokris nicht. In solchen zweifelhaftigen gedanken warden sie diesen gantzen tag gelassen. So schied man auch voneinander. Inmittels hatte der König befohlen seinen schönsten Stahtswagen anzuspannen. Hiermit ward der Libier / durch etliche Höflinge begleitet / in sein würtshaus gebracht. Diese Höflinge beschenkte er alle mit köstlichen güldenen ketten. Der Königliche Kutscher bekahm zweihundert goldgülden. Wunderlich kahm ihnen diese große freigebigkeit vor. Solche ungewöhnliche geschenke veruhrsachten allerhand gedanken. Noch denselben abend bekahm die königliche Fürstin dieses alles zu wissen. Auch wolte sie bei ihrem Herrn Vater sich erkundigen / wer dieser Libier sei. Er aber gab ihr keinen andern bescheid / als daß sie sich bis auf den morgen gedulden solte; da würde sie es selbst sehen. Diese worte machten sie zimlich unruhig. Nun begunte sie ihn höher zu halten / als einen Edelgesteinhändler; auch höher / als einen Gesanten. Nun betrachtete sie erst sein wesen / seine gebährden / seine geschikligkeit. Alles kahm ihr höher und edeler vor / als eines solchen / der nicht aus Königlichem bluht entsprossen. Und mit solcher betrachtung brachte[251] sie die gantze zeit zu / bis sie endlich der schlaf überfiel.

Auf den morgen entboht der König den Reichskantzler und Reichsschatzmeister zu sich. Diesen eröfnete er erst itzund / daß sein gestriger Gast der Königliche Fürst aus Libien sei. Sechs Königliche Stahtswagen warden färtig gemacht ihn wieder auf die Burg zu hohlen. Der Reichskantzler und Reichsschatzmeister warden darzu befehlicht. Alle Höflinge musten zu pferde. Alle waren auf das herlichste und prächtigste ausgerüstet / eben als solten sie noch einen Breutigam einhohlen. In solcher pracht gelangten sie vor das würtshaus des Libiers. Da fanden sie den königlichen Fürsten / mit einem hauffen des Libischen Adels ümringet. Diese hatten sich bisher in der stadt hier und dar unbekant aufgehalten / eben wie ihr Fürst. Aber itzund waren sie alhier / auf seinen befehl / alle zusammengekommen. Alle sahe man auf das prächtigste bekleidet: darzu auch die diener. Der Königliche Fürst selbsten trug ein überaus köstliches und zierliches sommerkleid von zahrtem seidenen zeuge / mit golde durchwürkt. So bald er die Abgesanten erblikte / eilte er ihnen entgegen. Sehr freundlich empfing er sie. Der Reichskantzler führete das wort. Er ersuchte den Libier / im nahmen des Schaltköniglichen Breutigams und der Braut / auf ihrem beilager / samt seinem bei sich habendem Adel / zu erscheinen. Sehr höflich nahm er dis anbringen / sehr fröhlich dieses ersuchen an. Zur stunde begab sich iederman entweder zu wagen / oder zu pferde. Die Königlichen Höflinge ritten voran. Darauf folgeten der Reichskantzler und Reichsschatzmeister / samt etlichen Bedienten des Libiers / auf fünf Stahtswägen. Endlich kahm der Königliche Fürst selbsten im prächtigsten Stahtswagen des Königes: den eine große mänge leibwärter ümgab. Den nachtrab hatten etliche Libier zu pferde / die das gantze gepränge beschlossen.[252]

Die Königliche Fürstin stund eben im fenster / da der königliche Fürst ankahm. Der König selbsten ging ihm / mit dem Schaltkönige / und etlichen Fürsten / bis fast an das tohr entgegen. Straks schwang sich der Libier vom wagen / als er den König erblikte. Mit ungemeinen freudenbezeugungen empfingen sie sich untereinander. Die Königliche Fürstin sahe dieses alles mit großer verwunderung an. Nun zweifelte sie nicht / daß dieser Libier weit mehr sei / als sie gewähnet. Darüm war es ihr lieb / daß sie ihm des vorigen tages höflicher begegnet / als ihr wille gewesen.

Mitlerweile begaben sich alle diese Herrn in den Tafelsaal: da sie das Brautmahl schon wieder bereitet fanden. Nicht lange darnach kahm das Frauenzimmer auch an. Dem Könige beliebte wiederüm eine bunte reihe zu machen. Nichts liebers wündschte der Libier. Nichts angenehmers konte ihm widerfahren / als bei der Königlichen Fürstin zu sitzen. Diese hatte nunmehr wind bekommen / daß er der Königliche Libische Fürst sei. Darüm baht sie ihn / so bald sie gelegenheit bekahm / ihr nicht zu verübeln / daß sie ihm bisher nicht nach seinem Stande begegnet. Sie wendete ihre unwissenheit vor: die solte ihrer unhöfligkeit dekmantel sein. Er antwortete: daß sie gantz nicht nöhtig hette einige entschuldigung einzuwenden. Sie hette ihm mehr ehre erwiesen / als er würdig sei; auch selbsten dazumahl / da er / als ein Edelgesteinhändler / die gnade gehabt sie zu sprechen Uber diesem worte Edelgesteinhändler fing die Fürstin an zu lächlen. Aber / sagte sie / ich bin noch in seiner schuld. Wan und womit sol ich seine Perlenschnuhr bezahlen? Die bezahlung / gab der Fürst zur antwort / ist schon geschehen. Ich habe einen solchen schätz darvor erlanget / der mir lieber ist / als die gantze Welt. Nitokris erröhtete sich hierüber / und wuste so straks nicht /was sie zur wiederantwort geben solte.[253]

In zwischen trunk man dem Libischen Königlichem Fürsten die gesundheit der Neugetrauten zu. Und hiermit ward alles rege. Die kunstsänger hatten bisher geschwiegen; aber nun erhuben sie ihre stimmen. Die seitenspiele klungen darunter: und wan diese nachliessen / erschalleten die trompeten. Hierdurch ward die freude gleichsam wakker / der geist zur lust ermuntert / und die gantze geselschaft fröhlich. Der Schaltkönig selbsten war ihr vorgänger. Seine liebe Assenat half ihm getreulich. Beide waren an diesem tage so lustig / als sie noch niemahls gewesen. Und hiermit zogen sie aller augen auf sich. Jederman sahe dieses liebe / dieses schöne / dieses fröhliche paar an: doch niemand mehr / als der Libische Fürst. Dieser konte sich über die Fürstliche Braut nicht genug verwundern. Seine sonderliche lust hatte er an ihren blikken / die ihrem Breutigam so gar lieblich begegneten. Ihr so gar holdseeliges wesen / ihre so gar anmuhtige gebährden / ja ihre gantze so schöne leibesgestalt betrachtete er mit sonderlicher aufmärkung. Er betrachtete alle ihre reden / alle ihre worte; davon nicht eines ohne sonderlichen nachdruk ausgesprochen ward. Aber nichts gefiel ihm an unserer Braut so wohl / als daß sie ihrem Breutigam so liebseelig zu begegnen wuste. Und dadurch machte sie ihm den mund wässericht. Dadurch mehrete sie sein verlangen / dergleichen teilhaftig zu werden. Auch entschlos er sich diesen augenblik / straks auf den folgenden morgen sein vorhaben zu volziehen. Und zu dem ende ersuchte er den König / im scheiden / daß er ihm gegen künftigen tag eine stunde zu bestimmen belieben liesse; da er ihm in geheim aufzuwarten gesonnen.

Weil nun der König hierzu den folgenden gantzen vormittag benennet / so befahl er auf den morgen sehr früh alles färtig zu machen / den Königlichen Fürsten zu hohlen. Alle Herren / und alle Höflinge / die des vorigen[254] tages die einhohlung getahn / begaben sich itzund wieder / in eben demselben gepränge / vor die behausung des Libiers. Dieser seumete sich nicht lange. Straks machte er sich / mit allen seinen leuten /nach der Burg zu. Der König empfing ihn mitten auf dem platze / und führete ihn straks in den Burggarten. Zwischen dessen hielten der Reichskantzler und der Reichsschatzmeister den Libischen Höflingen im Reichssaale geselschaft. Nach unterschiedlichen höflichen wortgeprängen / gab der Libier die uhrsache seiner ankunft in Egipten zu verstehen. Darneben zeigte er mit kurtzbündigen worworten an: daß seine liebe auf die Königliche Fürstin Nitokris gefallen; daß er verhofte / der Himmel hette sie zu seiner Gemahlin versehen: daher were er entschlossen / weil er selbsten gegenwärtig sei / auch selbsten / mit eigenem munde / seine werbung anzubringen. Er wolte nicht viel ümschweiffe gebrauchen. Darüm ersuchte er den König mit kurtzen / wiewohl hertzlich gemeinten worten / ihm / in solcher sache / diese bitseeligkeit zu gönnen / daß er nicht traurig von seinem angesichte scheiden dürfte. Die Königliche Fürstin / seine Freulein Tochter / darüm er ihn demühtigst anlangete /hielte er so gühtig / daß sie sein ansuchen nicht ausschlagen würde. Und an des Königes gunst und zuneugung trüge er gantz keinen zweifel; dergestalt /daß er gewis vertrauete die freiheit bald zu erlangen /ihn seinen Vater / und sich selbsten desselben gehorsamsten Sohn zu nennen.

Der König bedankte sich vor die guhte zuneugung /die er zu seiner Tochter trüge. Er bedankte sich vor die hohe ehre / damit er sein Haus zu würdigen gesonnen. Ja er schätzte sich glükseelig / von einem so fürtreflichem Fürsten Vater genennet zu werden. Weil er aber in solcher sache / darzu vor allen dingen der wille seiner Tochter erfordert würde / den endschlus nicht[255] machen könte; so wolte er ihn zuvörderst vor diese festung / sie zu gewinnen / gewiesen haben. Eben als der König diese worte redete / kahm zu guhtem glükke die Königliche Fürstin in den laubergang / da sie saßen. Sie ging / in tieffen gedanken /eine guhte weile fort. Und also ward sie ihrer nicht eher gewahr / als bis sie gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald sie des Libischen Fürstens ansichtig ward /kehrete sie eilend zurük. Aber der König rief; sie solte stand halten. Und hiermit erhuben sie sich / ihr entgegen zu gehen. Ist meine Tochter / redete sie der König an / nun so schüchtern worden / daß sie vor Menschen fliehet? Hier siehet sie vor ihren augen zwee / die ihr alle liebe zu erzeigen gebohren. Der eine ist ihr Vater: der andere / wan es den Göttern beliebet / ihr künftiges Ehgemahl.

Auf diese worte traht der Fürstin die schaamröhte so stark insgesichte / daß sie sich gantz entfärbete. Das antlitz schlug sie züchtiglich nieder. Die blödigkeit / die eingezogenheit / die sitsamkeit mischeten sich alle zusammen unter ihre stille gebährden. Die schaam schlos ihre lippen dermaßen / daß sie schier zu keiner bewegung zu bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen. Die augen stunden in ihren höhlen gantz stil / und kaum halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit abbilden wollen / so hette er es eigendlicher nicht tuhn können / als nach diesem so niedergeschlagenem wesen. Eine guhte weile blieb sie so schaamhaftig stehen. Eine guhte weile durfte sie nicht aufblikken / weder nach dem Könige / noch dem Königlichen Fürsten zu. Endlich begunte sie ihrer was mächtig zu werden. Endlich erhub sich ein bliklein / erst nachdem Könige / und dan nach dem Libier. Den blikken folgete die sprache; wiewohl sehr schwach / und halb gebrochen. Sie begunte sich zu entschuldigen. Sie wendete vor / daß ihr nichtgeziemen wollen / sie in ihrem gespräche zu stöhren. Das sei die uhrsache / warüm sie so straks ihren zurüktrit genommen.

Der König fuhr in seiner rede fort. Meine Tochter / sagte er / stöhret uns in unserem gespräche nicht. Dan was wir geredet / mag sie alles wohl hören. Ja es ist ihr nöhtig / daß sie es höret. Sie mus es nohtwendig wissen. Ihr selbsten ist zum höchsten daran gelegen. Der Königliche Fürst aus Libien hat mich zu seinem Vater / und Sie zu seiner Gemahlin ausersehen. Dis ist es / das er mir geoffenbahret. Davon haben wir itzund sprache gehalten. Nun liegt es allein an meiner Tochter sich zu erklähren. Ihr wille wird der meinige sein: ihr ja mein ja / ihr nein mein nein. Hierüber erröhtete sich Nitokris abermahl. Abermahl ward ihre zunge gehämmet. Sie schwieg stil. Sie antwortete nichts. Der König wendete sich nach dem Libier zu. Wer schweigt / der bewilliget / sagte er lächlende. Dis pflegt / gab der Fürst zur antwort / zuvoraus bei dem Frauenzimmer / gemeiniglich wahr zu sein. Darüm wil ich hoffen / daß es sich alhier auch nicht anders verhalte. Und hiermit traht er ein wenig seitwärts /Vater und Tochter allein zu laßen.

Hertzliebste Tochter / fing der König wieder an /ihr seid es / vor die ich die meiste sorge trage. Die sorge des Reichs habe ich dem Schaltkönige übergeben. Nun gehet mir eure wohlfahrt allein zu hertzen. Nun trachte ich allein euch glükseelig zu machen. Die gelegenheit darzu stößet uns itzund auf. Der Libische Fürst ist euch mit liebe zugetahn. Er verlanget nach eurer gegenliebe. Er träget belieben / durch seine vermählung / euch zur Königin in Libien zu machen. Grössere glükseeligkeit habet ihr nicht zu hoffen. Ich würdsche[258] vor mein teil nichts mehr / als euch hierzu geneugt zu sehen. Eure bewilligung wird die meinige fein. Die Libische Krohne ist so edel / daß sie nicht auszuschlagen. Ist euer wille dem meinigen gleich / so wird sie bald auf eurem heupte gläntzen. Dieser glantz wird Egipten erfreuen. Ich selbsten werde darüber zum höchsten froh sein. Wan ich dieses sehe /wil ich mit freuden sterben. Wohlan dan! erklähret euch bald. Sagt an / was euch dünket.

Die Königliche Fürstin stund noch in etwas im zweifel. Gleichwohl gab sie so viel zu verstehen / daß sie geneugter sei eine solche Krohne anzunehmen / als abzuschlagen. Der Herr Vater / sagte sie / kennet mein gemüht. Er weis meinen kindlichen gehohrsam. Er weis / wie mein wille dem seinigen iederzeit unterworfen gewesen. Und das sol er auch itzund sein; sonderlich in einer so hochwichtigen sache / da mein verstand seiner weisheit weichet. Ich stelle alles in sein belieben. Seinem winke wil ich folgen: seinem befehle gehorchen: seinen schlus guht heissen. Ja alles /was er gebietet / wil ich gehohrsamlich volbringen. Dis ist mein vorsatz: und der wird es auch bleiben /so lange ich ahteme. So gebet ihr dan / fing der König hierauf an / mir die gantze sache über? Ja freilich /gab sie zur antwort. Der Herr Vater verstehet alles besser / als ich. Darzu bin ich versichert / daß er mir nichts übels weder gönnen / noch rahten wird. Und hiermit nahm sie ihren abtrit nach ihrem zimmer zu; der König aber verfügte sich hin zu einem springbrunnen / bei dem der Libische Fürst sich niedergelaßen.

Ist die zeitung guht? rief der Fürst dem Könige fragende entgegen. Ja / antwortete dieser: morgen früh /wan es ihm beliebet / kan er einen Abgesanten an unsern[259] Hof schikken / und öffendlich üm meine Tochter wärben laßen. Unterdessen wollen wir uns berahten. Der wohlstand wil das seinige auch haben. Drei stunden vor dem mittagsmahle sollen sich meine Rähte versamlen. In derer gegenwart kan die sache vorgetragen werden. Ich selbsten wil die antwort tuhn. Hierauf hat er sich zu verlaßen. Der Königliche Fürst war über eine so guhte entschlüßung zum höchsten erfreuet. Zum höchsten bedankte er sich deswegen gegen den König. In tiefster demuht verpflichtete er sich ihm / mit seinem gantzen vermögen. Indessen nahete die tafelzeit herbei. Der König begab sich / mit dem Libier / auf den tafelsaal. Da war der Schaltkönig eben angelanget. Ein hauffen Adels stund üm ihn her. Straks kahm auch der Reichskantzler an / samt des Libiers Hofbedienten. Der König zog den Schaltkönig auf die seite. Er führete ihn an ein fenster. Da offenbahrte er ihm des Libiers anbringen / sich rahtes zu erhohlen. Dem Schaltkönige stund alles über die maße wohl an. Auf dieser Ehstiftung / sagte er von stunden an / beruhet des gantzen Egiptens wohlfahrt. Die Libier haben viel mächtige Bundsgenossen. Sie silbsten besitzen eine gewaltige macht. Sie grentzen an unser Reich. Wan wir / vermittelst der Königlichen Fürstin / uns mit ihnen vereinigen; so werden zugleich alle ihre Bundsverwanten mit uns vereiniget. Welcher feind wird uns dan anfallen dürfen? Welche macht wird uns dan bestürmen dürfen? Die vereinigung die ser zwo mächtigen benachbahrten Krohnen wird allen ein schrökken einjagen. Jederman wird Egipten fürchten. Unser Staht wird aufs herlichste blühen. Wir werden in gewündschtem friede leben. Unser ansehen wird groß / unsere wohlfahrt vermehret / unsere macht geehret werden.[260] Die Gewaltigsten der Welt werden unsere freundschaft suchen. Ja / was noch das allerfürnehmste ist / die Königliche macht kan / durch dieses mittel / zur höchsten freiheit gelangen. Der König kan hierdurch über das gantze Egipten das freie volgewaltige gebiete bekömmen. Dan wird er sagen können / dessen sich noch kein König vor ihm unterstehen dürfen: dis wil ich / dis gebiete ich; so mus es geschehen.

Eben als der Schaltkönig diese worte geredet /kahm der Hofmahrschalk ihnen anzudienen / die speisen weren schon aufgetragen. Straks trahten sie nach der tafel zu. Von stunden an ward alles rege. Einieder bekleidete seine gewöhnliche stelle. Zuerst schwieg iederman. Alles war stil. Aber auf diese stille brach die fröhligkeit jähligen herfür. Der Libier war der erste / der sich lustig erzeigte. Dem folgete die gantze geselschaft. Das Frauenzimmer selbsten vergaß sein züchten. Die eingezogenheit ward verbannet: die lust beliebet; alle freude verübet. Und also ward dieser tag der fröhlichste von allen den vorigen des gantzen Beilagers.

Aber der folgende gab ihm nichts zuvor. Ja er war derselbe / der ihn weit übertraf. An jenem blieb die fröhligkeit / gleich als eingeschlossen / in der Burg. Aber an diesem brach sie aus in die Stadt / auf das ümliegende land / ja endlich gar durch das gantze Egipten. Die vermählung der Königlichen Fürstin mit dem Libier blieb nicht lange verschwiegen. Kaum hatten die Libischen Abgesanten das jawort weg / da der ruf es schon überal ausbreitete. Was vor freude dieser ruf veruhrsachte / kan keine feder beschreiben. Das frohlokken / das jauchzen / das freudengeschrei klung durch alle gassen der gantzen Stadt Memfis. Selbst / die ohren des Libiers warden darvon vol. Als er nun auf die Burg fuhr / da rief iederman glükzu! Selbst[261] die kleinen kinder / die noch nicht sprechen konten / lalleten aus den fenstern. Ja das fröhliche zurufen hatte alhier fast kein ende. Es währete noch / als der Libier schon längst in der Burg war.

Dieser tag war der letzte des Schaltköniglichen Beilagers. An diesem tage warden die Brautnahmen verwechselt. Nun hörete Josef auf Breutigam genennet zu werden. Nun übergab er diesen Nahmen dem Libier. Heute ward Assenat eine Fraue. Heute ward Nitokris eine Braut. Also machte das ende des einen Beilagers den anfang zum andern. Die Königliche Fürstin ward dem Libier versprochen: das Ehverlöbnüs geschlossen: der Trautag bestimmet; und den neuen Breuten glükgewündschet. Und hiermit lief dieser tag mit vollen freuden zum ende.

Auf den Morgen entschlos sich der Schaltkönig wieder eine reise zu tuhn. Er hatte vor seinem Beilager zum bau etlicher Frucht- und Korn-heuser anordnung getahn. Nun wolte er sehen / wie das werk von statten ginge. Etliche solten auf die weise der Feuer-spitzen gebauet werden: andere nur schlechthin / als gemeine gebeue. In diesen solte man das Korn von gegenwärtigem / und den zwei nächstkünftigen reichen jahren aufschütten: in jenen die Früchte von den vier letzten; und darbei das Futter vor das vieh zugleich auflegen. Am dritten tage setzte er diese reise fort. Seine liebe Assenat war seine gefährtin. Wo er hin zog / begleitete sie ihn. Assenat konte ohne ihren Josef / und Josef ohne seine Assenat nicht sein: so lieb hatten sie einander.

Weil nun Josef sahe / daß diese jahre sich so gar überflüßig fruchtbar anliessen / so nahm er nicht allein den fünften teil aller früchte / als des Königes teil / vorweg; sondern er lies auch allen überflus vor bahres geld einkauffen. Ja er geboht bei leibesstrafe / daß nicht das geringste / was der Mensch geniessen könte / vor das[262] Vieh verfüttert / oder sonst unnützlich vertahn würde. Alles muste in des Königes Kornheuser und Scheunen gelüfert werden. Das bezahlete man /nach dem damahligen gemeinen / wiewohl sehr geringem preise / mit königlichen geldern. Und also kahm eine große mänge zusammen. Alle Kornheuser warden erfüllet. Man muste derer immer mehr und mehr bauen.

Die große fruchtbarkeit des landes machte die Egipter übertähtig und verzährtelt. Der überflus bewegte sie zu aller üppigkeit. Die überaus wohlfeile zeit veruhrsachte sie schläferig / faul und hinläßig zu werden. Josef / der alles genau untersuchte / ward dessen straks gewahr. Dem muste / durch heilsame satzungen / bei zeiten vorgebauet werden. Bei zeiten muste man diesem übel steuren. Die fruchtbaren jahre fingen erst rechtan: und gleichwohl nahm solches unheil schon überhand. In den künftigen war noch ein grösseres zu vermuhten. Das schien dem Reiche den untergang zu dreuen. Dieses alles erwog Josef bei sich selbst. Und darüm stiftete er Untersuchungen des lebens. Allen Egipten ward auferlegt / jährlich vor der Obrigkeit zu erscheinen. Einieder solte verpflichtet sein rechenschaft zu tuhn / wie er lebete / was er tähte / womit er sich und die seinigen ernährete. Alles unwesen solte vertilget / aller müßiggang abgeschaffet / alles üppige leben gestrafet werden.

Mitlerweile nahete die bestimte zeit zum Beilager der Königlichen Fürstin herbei. Der Schaltkönig begab sich / mit seiner Gemahlin / wieder nach hofe. Eben kahm der Hochfürstliche Breutigam auch an. Straks folgeten die eingeladenen. Das Beilager nahm seinen anfang / mit ungemeiner pracht. Der Ertzbischof verrichtete die Traue. Jederman erzeigete sich fröhlich. Die freude schien selbsten leibhaftig gegenwärtig zu sein. Sie brach an allen enden herfür. Aus allen winkeln[263] lachte die lust. An allen ekken befand sich lauter ergetzung. Hiermit lieffen sieben tage zum ende. Noch sieben tage letzte sich die Königliche Fürstin. Hierauf ward die heimführung volbracht. Der König begleitete seine Tochter bis an die grentzen des Reichs. So weit zog auch mit der Schaltkönig / samt seiner Gemahlin / und den fürnehmsten Reichsfürsten. Die Königin aber folgete der Königlichen Fürstin bis Libien.

Nach volendeten diesen stahtsgeprängen machte sich der Schaltkönig wieder auf. Bald zog er hier-bald dort-hin. Bald verordnete er dis / bald das. Bald lies er in dieser / bald in jener stadt neue Kornheuser bauen. Und dieses bauen währete so lange / bis die sieben fruchtbare jahre beinah zu ende gelauffen. Ein überaus grosser vorraht ward gesamlet: ein großes geld ausgegeben. Der gemeine man wuste nicht zu was ende. Fremde kahm ihm dieses beginnen vor. Man war der Egiptischen fruchtbarkeit alle jahr gewohnet. Trug das land nicht überfliessig / so gab es doch zur nohtdurft seine früchte. Und darüm gedachte einer dis / der andere das. Josef aber lies sich nichts anfechten. Er fuhr in seinem beginnen fort. Er samlete von jahren zu jahren immer mehr und mehr ein. Er spielete aufs künftige. Er kaufte so viel getreide zusammen / daß alle Kornheuser gedrükt und gerüttelt vol / und alle Königliche Geldkasten ledig warden. Dan des eingesamleten getreides war so über die maße viel / daß man endlich aufhören muste zu zehlen.

Die königlichen Beamten sahen es zuerst mit guhten augen an. Aber zuletzt / als man auch das königliche geschmeide / die köstlichen schatzstükke / ja alles was seltzam und kostbar in den kunstkammern war /antastete; da begunten sie zu murmeln. Seltzame reden fielen vor. Jener sagte dis / dieser das. Jederman war[264] verwundert / daß der König diesem Fremdlinge /diesem neuen Stahtsverpfleger so viel zuliesse. Niemand konte begreiffen / wozu dieser unraht dienen solte. Alle hielten es vor eine tohrheit. Meinet dan dieser Ausländer / sagten etliche / daß der Niel austruknen wird? Wähnet er / daß der Himmel dem lande seine gewöhnliche fruchtbarkeit zu entziehen beschlossen? Andere redeten was anders. Ja ja / sagten etliche spotweise / der König mus auch leute haben / die das geld unter den gemeinen man bringen. Es möchte sonst in den Schatzkammern verschimmeln.

Als nun diese so seltzame reden auf das höchste gekommen / und dem Reiche schon einen schädlichen aufruhr zu dreuen schienen; da kehrete sich das blat uhrplötzlich üm. Die fruchtbarkeit blieb aus. Die wohlfeile zeit verschwand. Im einen jahre blieb der Niel zurük; im andern lief er so übermäßig hoch auf /daß er alles verderbete / alles verwüstete. Keine selber konten bestellet / keine äkker besäet / keine gärte bepflantzet werden. Und also ward nichts eingeärntet. Der mangel entstund an allen orten. Die Teurung überfiel das gantze Egipten. Der hunger nahm zu. Die einwohner verschmachteten. Die noht zwang sie ihren Schaltkönig üm rettung anzustehen. Nunmehr verkehreten sich ihre gedanken. Nun veränderten sich ihre reden. Nun sahen sie / was Josef getahn. Nun märkten sie / wie vorsichtig / wie klüglich er gehandelt. Die ihn vor diesem beschimpfet / priesen nun seine weisheit. Die ihn verspottet / erhuben seine so treue vorsorge himmelhoch. Die ihn verlachet / flöheten ihn an üm gnade. Ja sie nenneten ihn ihren Erhalter / ihren Heiland / ihren Reichsvater.

Aber ehe sich diese teure zeit fand / waren dem Josef von seiner lieben Assenat zween Söhne gebohren. Den ersten hies er Manasse: dan Gott / sprach er / hat mich alles meines unglüks / und meines[265] gantzen Väterlichen hauses vergessen laßen. Den andern nennete er Efraim: weil ihn Gott im lande sei nes elendes wachsend gemacht. Hatte er seine Assenat zuvor geliebet / so liebte er sie nun noch tausend mahl mehr. Auch gab ihre liebe der seinigen nichts zuvor. Erstlich liebte sie ihn / daß er sie zur erkäntnüs des waren Gottes gebracht. Dan Josef hatte nicht allein seiner Gemahlin / sondern auch dem Ertzbischoffe ihrem Herrn Vater / die Geheimnüsse der Göttlichen wahrheit geoffenbahret. Dieser verbarg sie in seinem hertzen / als einen köstlichen schatz. Er behielt sie allein vor sich. Er täht sie niemand kund. Es schien auch mehr unnütz / als ersprieslich zu sein /diese heilige Wissenschaft unter das im aberglauben ersoffene völklein zu bringen: zumahl weil es gewohnet war / damit es im gehohrsam verbliebe / nur mit Abgöttereien und falschen Gottesdiensten abgespeiset zu werden. Darnach heuffeten solche liebe diese zwei lieben Ehpfände / die sie von ihrem hertzlieben Josef hatte / noch mehr. Und darzu kahm auch endlich der überschwänglich große reichtuhm; den so wohl ihr /als ihrem Vater / Josefs klüglicher handel veruhrsachte. Dan er hatte vor beiderseits gelber / in der wohlfeilen zeit / eine große mänge getreides eingekauft: und diese bekahmen sie hernach / in der teurung / tausendfach wieder.

Im begin dieser Teurung kahmen alle benachbahrten Völker / die der hunger zum ersten drükte / zum Könige. Darnach erschienen auch die Egipter im Tebischen gebiete. Alle begehrten Korn zu kauffen. Alle rieffen üm Broht. Aber der König wiese sie zum Schaltkönige. Was der euch befielet / sagte er / das tuht. Als nun die teurung durch das gantze Egipten überhand nahm; da täht Josef allenthalben die Kornheuser auf / und lies das getreide verkauffen. Straks lief der ruf hiervon in alle länder. Straks machten sich alle Völker /[266] Korn zu hohlen / nach Egipten. Und also verkaufte Josef iederman getreide. Niemand zog leer weg. Allen fremdlingen ward geholfen. Man sahe niemand an. Der Ausländer galt hier eben so viel / als der Egipter.

Auf einen morgen ward dem Schaltkönige / da er eben mit seinen Söhnen schertzte / angedienet; daß zehen Ebreer ihn zu sprechen begehrten. Das hertz pukte dem Josef straks. Es sagte ihm von stunden an /daß es seine Brüder weren. Eilend täht er sein köstliches stahtskleid an. In solchem königlichen schmukke traht er in den Verhörsaal: da alles von golde / perlen und edelen steinen flinkerte. Eine große mänge diener begleitete ihn. Einieder zog überaus prächtig auf. Und dieses alles geschahe darüm / damit ihn seine Brüder nicht kenneten. Hierauf befahl er sie einzuhohlen. Einer seiner diener verrichtete diesen befehl. Ihre schuhe musten sie ablösen. Und also brachte man sie baarfüßig vor den Schaltkönig. Da ward ihnen gebohten / auf das antlitz nieder zu fallen / und ihn königlich zu ehren. Josef sahe sie rund herüm an. Seine Treume fielen ihm ein. Er kante sie straks. Aber er stellete sich gantz fremde. Ja er redete sie sehr hart an. Woher komt ihr? fragte er durch einen Kaldeischen Tahlmetscher. Sie antworteten auf Kaldeisch: aus dem Lande Kanaan / speise zu kauffen. Ihr seid Kundschaffer / fuhr er fort. Ihr komt zu sehen / wo das Reich offen ist. Nein / mein Herr / antworteten sie abermahl. Seine knechte feind kommen speise zu kauffen. Wir seind alle eines ehrlichen Mannes söhne. Wir seind redlich: und seine knechte seind nie Kundschaffer gewesen. Ihr seid freilich Kundschaffer / wiederholte er seine vorigen worte: ja ihr kommet zu sehen / wo das Reich offen stehet. Wir seine knechte /fuhren sie in ihrer antwort ferner fort / seind zwölf brüder / eines Mannes söhne im lande Kanaan:[267] und der jüngste ist noch bei unsrem Vater; aber einer ist nicht mehr vorhanden.

Josef redete weiter. Das ists / sagte er / ihr seid Kundschaffer. Verrähter seid ihr. Man kan es euch an den gesichtern ansehen. Die augen weisen es aus. Ich wil erfahren / ob ihr wahr redet. Bei dem leben Faraons! ihr solt nicht eher von hier kommen / es komme dan euer jüngster Bruder her. Sendet einen unter euch hin / der ihn hohle. Ihr unterdessen solt meine gefangene sein. Also wil ich eure reden bewähren / ob sie gleichzu treffen / oder nicht. Wird man sie unwahrhaftig befinden / so seid ihr bei dem leben Faraons! Kundschaffer. Hierauf lies er sie allesamt drei tage gefänglich bewahren. Da verwiese Ruben seinen Brüdern / was sie am Josef verübet. Sehet! sprach er /habe ichs nicht lange gesagt / daß euch eure boßheit endlich einmahl würde vergolten werden. Alles dieses habet ihr an eurem unschuldigen Bruder verdienet. Hettet ihr meinem rahte gefolget / so würde dis unglük euch nicht treffen. Uber diesen worten begunten sie alle kleinlaut zu werden. Keiner vermochte nicht ein wort zu sprechen. Kaum rühreten sie sich. Kaum bewegte sich ein glied an ihrem leibe.

Am dritten tage lies sie Josef fragen; ob sie sich bedacht? Da tähten sie alle einen fußfal. Ruben / welcher der behertztere war / weil er ein reines gewissen hatte / führete das wort. Mein Herr / sagte er / wir seind nicht anher kommen / das land zu verkundschaffen. Wir kommen nur / als auf einen freien markt. Und darüm haben wir das vertrauen / man werde uns das recht / das man auch den wildesten Völkern vergönnet / nicht weigern. Doch / imfal mein Herr seinen knechten keinen glauben zustellet / so bitten wir untertähnig / daß er einen seiner leute mitschikke. Wir wollen ihn kostfrei halten: und er wird befinden / daß wir alle eines redlichen Mannes söhne seind. Josef antwortete: wolt ihr denselben[268] betrügen / der den geist der unsterblichen Götter besitzet? Dürft ihr wol so kühne sein / mich zu überzeugen / daß ich irre? Dürft ihr wohl leugnen / was euch so deutlich vor euren stirnen stehet? Ich sage noch / und darbei bleibt es / daß ihr ein großes schelmenstükke entweder schon begangen / oder zu begehen im sinne habet.

Hierauf gab ihnen der Tahlmetscher auch vor sich zu verstehen: daß der Schaltkönig die wahrheit redete. Dan / sagte er / wisset ihr nicht mehr / daß ihr vor zwanzig jahren einer Arabischen Gespanschaft einen schönen Jüngling verkauftet? Ich selbst war mit bei dem kauffe. Ich weis es alles noch sehr wohl. Auch seind mir eure gesichter nicht unbekant. Hieraus allein mus ich gleuben / daß ihr Verrähter / oder zum wenigsten Menschendiebe seid. Darüm hat man sich freilich vor euch wohl zu hühten. Ja darüm kan ich nicht vorbei / solches meinem Herrn anzuzeigen. Dieser Tahlmetscher war eben derselbe Musai / dessen wir droben gedacht. Er war derselbe / der gemelter Gespanschaft hauptman gewesen. Er war derselbe /der den Josef kauffen / und wieder verkauffen helfen. Und durch einen sonderlichen glüksfal war er schon vor etlichen jahren zum Schaltkönige gelanget. Dem dienete er nicht allein als ein Haushalter / sondern auch als ein Tahlmetscher; weil er vielerhand sprachen kündig.

Aus diese reden erblasseten sie alle. Kein glied befand sich an ihrem leibe / das nicht zitterte. Die taht war da. Sie konten es nicht leugnen: wiewohl Ruben mit einem schwuhre beteuerte / daß er weder den Musai / noch die Gespanschaft iemahls gesehen. Josef aber redete weiter: wolt ihr leben / sagte er / so tuht / was ich euch befehle. Seid ihr redlich / so laßt einen von euch in eurem gefängnüsse liegen. Die andern können hinziehen / und heimführen / was man euch verkauffen wird. Aber euren jüngsten Bruder bringet zu mir. Dan wil[269] ich euren worten gleuben /und euch frei kennen / daß ihr nicht sterben müsset. Sie aber sprachen untereinander auf Ebreisch / damit es der Schaltkönig / und Musai nicht verstehen solten: das haben wir verschuldet an unsrem Bruder. Wir sahen die angst seiner seelen / da er uns flöhete; und wir wolten ihn nicht erhören. Darüm komt nun diese trübsaal über uns. Ja Ruben fügte hinzu: ich sagte es euch wohl / sprach er: versündiget euch nicht an dem Knaben. Aber ihr woltet nicht hören. Nun wird sein bluht gefordert. Ach! ich bejammere unsern lieben alten Vater / der durch seiner kinder boßheit so gar sehr betrübet wird.

Sie bildeten ihnen ein / daß sie der Schaltkönig nicht verstünde; weil er / durch einen Tahlmetscher /auf Kaldeisch mit ihnen redete. Aber er verstund es alles. Und darüm wendete er sich von ihnen weg / und weinete bitterlich. Da er nun ausgeweinet hatte / und das wehleiden vorbei war; nahm er den Simeon / weil er die meiste schuld hatte / mitten aus ihnen heraus /und lies ihn vor ihren augen fesseln. Hierauf täht er befehl / daß man ihre säkke mit Korne füllete / und ihr geld darzu stekte / einem ieden sein teil in seinen sak. Auch lies er sie mit zehrung wohl versorgen. Und sie luden das getreidich auf die esel / und zogen von dannen. Unterwegens täht einer seinen sak auf / seinem esel futter zu geben. Da ward er oben im sakke seines geldes gewahr. Sobald die Brüder solches sahen / entfiel ihnen der muht. Sie zitterten vor schrökken; und sprachen untereinander: warüm hat uns Gott das getahn?

Als sie nun heim / ins land Kanaan / kahmen; da erzehleten sie ihrem Vater Jakob alles / was ihnen in Egipten begegnet war. Der man / sagten sie / der des Königes Verweser / und Herscher des Reichs ist / redete sehr hart mit uns. Er hielt uns vor Kundschaffer und verrähter des landes. Wir aber antworteten ihm: daß[270] wir redlich weren / und nie Kundschaffer gewesen; daß wir mit uns zwölfen alle einen Vater hetten; daß einer nicht mehr vorhanden / und der jüngste noch bei unserem Vater sei. Hierauf begehrte der Herscher des Reichs: wir solten einen von uns allen bei ihm laßen / und mit dem getreidich hinziehen unsern jüngsten Bruder zu hohlen. Darbei / sagte er / wil ich märken / daß ihr redlich seid. Und dan wil ich euch euren Bruder wiedergeben: auch möget ihr im Reiche wärben / wo ihr wollet.

Da sie nun die Säkke ausschütteten / fand einieder sein bündlein geldes in seinem sakke. Hierüber erschraken sie / samt ihrem Vater. Ach! sagte Jakob /dieses alles geschiehet mit einem gefährlichen vorsatze / mich aller meiner kinder zu berauben. Josef ist eurenthalben ümkommen. Den Simeon habt ihr ohne zweifel / durch eure unvorsichtigkeit / verschertzet. Und nun wollet ihr den Bemjamin auch hinnehmen. Ja wer weis / ob ich nicht zugleich eurer aller entbähren mus. Es gehet nur alles über mich. Ruben aber suchte seinen Vater zu bereden / daß er den Benjamin mitziehen liesse. Gib ihn nur / sagte er / in meine hand. Ich wil ihn wiederbringen. Und wan ich ihn nicht wiederbringe / so erwürge meine zween söhne. Jakob antwortete: mein Sohn sol nicht mit euch ziehen. Dan sein Bruder ist todt. Er ist nur allein noch übrig. Wan ihm ein unfal auf der reife begegnete / würdet ihr nicht mein graues haar mit hertzeleid in die grube bringen.

Mit der zeit ging das Korn auf. Die teurung ward in Kanaan ie länger ie grösser. Jakob begehrte; daß sie wieder hinziehen solten / was frisches zu kauffen. Aber Judah gab ihm zur antwort: wan du unsern Bruder mitsendest / so wollen wir ziehen. Wo nicht /so ziehen wir auch nicht. Dan der Herscher des Reichs sagte zu uns: ihr solt mein angesicht nicht sehen / es sei dan euer Bruder mit euch. Jakob aber fuhr fort: warüm[271] habt ihr so übel an mir getahn / daß ihr ihm sagtet / ihr hettet noch einen Bruder zu hause? Sie antworteten: der Man forschte so genau nach uns und unsrer freundschaft. Ja er fragte: lebet euer Vater noch? und habt ihr auch noch einen Bruder? Wir gaben ihm bescheid / wie er fragte. Dan wer hette gedacht / daß er uns befehlen würde unsern Bruder mitzubringen? Judah redete weiter. Ach! lieber Vater /sagte er / laß unsern Bruder mit mir ziehen / daß wir uns aufmachen / ehe wir sterben. Wilstu dan / daß wir / üm seinet willen / ja du selbsten / und er zugleich mit uns / vor hunger verschmachten sollen? Wilstu dan / daß auch Simeon wan wir nicht wiederkommen / sol hingerichtet werden? Ei lieber! laß ihn mitreisen / damit wir leben. Ich wil bürge für ihn sein. Von meinen händen soltu ihn fordern. Man ich ihn nicht wiederbringe / und für dein angesicht stelle; so wil ich mein lebenlang die schuld tragen. Hettestu ihn eher mitgelaßen / so weren wir schon wohl zweimahl wiederkommen.

Hierauf entschlos sich Jakob endlich / seinen Benjamin mitzugeben. Mus es dan also sein / sagte er: so tuht es / und nehmet ihn hin. Darzu nehmet auch von des landes besten früchten mit euch. Bringet dem Manne geschenke. Bringet ihm Balsam / Honig / Rosienen / und allerlei Würtze. Bringet ihm Mirren / Datteln / Feigen / und Mandeln; so viel / als ihr in eure säkke zu bringen vermöget. Und also wird er euch üm so viel mehr gnade erweisen. Nehmet auch zum einkauffe des getreides so viel geldes mit / als genug ist: und darzu dasselbe / das ihr in euren säkken gefunden. Der almächtige Gott laße euch barmhertzigkeit finden vor dem Manne / daß ihr euren andern Bruder / mit dem Benjamin / wiederbringet. Nun so ziehet hin im friede. Ich aber mus sein als einer / der aller seiner kinder beraubet ist.[272]

Also machten sich die eilf Söhne Jakobs auf die reise / und kahmen in wenig tagen glüklich zu Memfis an. Eben befand sich Josef bei der überfahrt vor der stadt. Er sahe seine Brüder / mit dem Benjamin: und befahl dem Musai / sie sämtlich auf sein schlos zu führen. Auch fügte er hinzu: daß er solte schlachten / und zurichten laßen: dan sie solten das mittagsmahl mit ihm halten. Als sie nun sahen / daß sie auf das Schaltkönigliche schlos geführet warden / da erschraken sie. Das hertz entfiel ihnen. Ach! sagten sie untereinander / wir werden üm des gelbes willen / das wir in unsern säkken gefunden / hierher gebracht. Man wil uns eines diebstals bezüchtigen. Man wil ein urteil über uns fällen; damit man uns zu leibeignen /samt unsern eseln / behalte. Und darüm redeten sie mit dem Musai vor dem tohre. Mein Herr / sagten sie / wir haben bei euch vor diesem getreide gekauft /aber auf dem rükwege alles geld / das wir darvor gegeben / in unsern säkken wiedergefunden. Nuhn wissen wir nicht / wie es hinein kommen. Darüm bringen wir dasselbe / als auch noch mehr mit uns; alles / was wir gekauft / und noch kauffen würden / richtig zu bezahlen. Der Haushalter aber antwortete: fürchtet euch nicht. Euer geld ist mir worden. Euer Gott und eures Vaters Gott hat euch einen schatz bescheeret in eure säkke. Ich habe die volle bezahlung bekommen.

Hierauf brachte sie Musai in ein Fürstliches zimmer; lies ihnen wasser reichen / die füße zu waschen /und ihren eseln futter geben. Auch führete er ihren bruder Simeon zu ihnen: der sie mit großen freuden empfing. Sie aber gingen hinaus / und eröfneten ihre säkke. Daraus nahmen sie die mitgebrachten früchte /welche dem Schaltkönige solten verehret werden. Von einer ieden ahrt legten sie etwas zur schaue in unterschiedliche schüsseln / dem Schaltkönige / sobald er wieder[273] heim kähme / zu zeigen. Die übrigen warden ordentlicher gepakt / und also die geschenke bereitet.

Auf den mittag begab sich Josef wieder auf sein schlos. Straks lies er seine Brüder vor sich kommen. Diese erschienen mit ihren geschenken / und fielen vor ihm zur erde nieder. Er aber empfing sie überaus freundlich. Von stunden an fragte er nach ihrem Vater. Wie gehet es / sagte er / eurem Vater dem alten / dessen ihr ehmahls gedachtet? Ist er noch bei leben? Sie antworteten: es gehet meines Herrn knechte / unsrem Vater / sehr wohl / auch lebet er noch. Hiermit neugeten sie sich abermahl / und fielen zur erde nieder. Darnach warf Josef das auge auf seinen Bruder Benjamin. Ist das / fragte er / euer jüngster Bruder /von dem ihr sagtet? und straks fing er an: Gott sei dir gnädig / mein sohn. Weil ihm nun das hertz gegen seinen Bruder dermaßen entbrante / daß er die trähnen nicht länger halten konte; so machte er sich eilend auf die seite. Eilend entwich er in sein zimmer / und weinete daselbst eine guhte weile.

Endlich / als Josef sein angesicht gewaschen /kahm er wieder / und hielt sich hart. Straks befahl er die tafeln zu dekken / und die speisen aufzutragen. Da kahm seine liebe Assenat auch an: welche noch nicht wuste / daß es seine Brüder weren. Mit derselben begab er sich an eine sonderliche tafel. Gegen dieser über hatte man eine andere vor seine Brüder gedekt: ja noch eine andere vor die Egipter; dan diese durften mit den Ebreern nicht essen / weil es ein greuel war vor ihren augend Alle diese tafeln / ob sie schon unterschiedlich / und mit unterschiedlichen speisen bedienet warden / hielt man gleichwohl vor eine / nähmlich des Schaltköniges tafel Seine Brüder warden ihm recht ins gesicht / und in solcher ordnung ihres alters /wie sie in ihres Vaters hause zu sitzen pflegten / gesetzet. Und hierüber verwunderten[274] sie sich alle. Alle teller / alle schüsseln waren von lauterem golde. Auch trug man ihnen ihre speisen auf von des Schaltköniges tafel selbsten / einem ieden sein teil. Aber dem Benjamin ward fünf mahl mehr. Also aßen und tranken sie / und waren guhtes muhtes.

Nach gehaltener tafel befahl Josef seinem Haushalter / daß er ihre säkke mit getreide füllen solte / so viel / als sie fortbringen könten. Auch solte er in geheim eines jeden geld oben in seinen sak legen; in Benjamins aber auch seinen silbernen Trinkbecher darzu. Hiermit machten sie sich des morgens früh auf / und zogen fröhlich darvon. Aber diese freude währete nicht lange. Kaum waren sie eine stunde von der stadt / als sie etliche zwanzig reiter hinter ihnen her eilen sahen. Sie erschraken nicht wenig. Plötzlich überfiel sie die furcht. Ja diese heuffete sich noch mehr / als sie den Musai erblikten / und ihn von ferne rufen höreten: Haltet stil / ihr diebe! haltet stil / ihr leichtfärtigen bösewichter! ihr undankbaren vogel! Als er nun näher hinzukommen; da verwiese er ihnen ihre boßheit. Er bezüchtigte sie des diebstals. Ihr habt / sagte er / meines Herrn Trinkbächer entwendet. Ihr habt ihm den Bächer gestohlen / damit er weissaget. Ist das die dankbarkeit vor seine erwiesene guhttaht. Hat euch euer Vater ausgeschikt denselben zu bestehlen / der euch / üm seinetwillen / so herlich bewürtet? Straks gebt den dieb her / samt dem gestohlnen: wo nicht / so solt ihr alle miteinander angesichts niedergehauen werden.

Warüm ist mein Herr so gar zornig? antwortete Ruben. Warüm begegnet er uns mit solchen schmaachreden? Es sei ferne von uns ein solches zu tuhn. Sein Herr hat uns gestern als ehrliche leute befunden / und als liebe gäste gnädig bewürtet. Woher komt nun dieser plötzliche überfal? Fraget ihr noch /woher? fuhr Musai gantz erhitzet fort. Darüm / und daher / weil ihr diebe seid: weil[275] ihr meinen gnädigen Fürsten bestohlen. An den galgen mit solchen buben! Ruben antwortete wieder. Mein Herr sehe zu / was er tuht. Hat er etwas verlohren / so suche er nach / bis er es findet. Unterdessen laße man uns ungeschändet. Wir seind nicht gewohnet des diebstals bezüchtiget zu werden. Wir haben ja das geld / das wir in unsern säkken fanden / wiedergebracht. Wie solten wir dan darzu kommen / silber oder gold zu stehlen aus seines Herrn schlosse? Bei welchem der Bächer / fing Judah gleichfals an / gefunden wird / der sei des todes: und wir alle wollen meines Herrn knechte sein.

Musai war damit zu frieden. Zur stunde suchte er rundherüm des ältesten sakke. Von des ältesten seinem fing er an. Er fuhr nach der reihe fort. Zuletzt kahm er auch an des Jüngsten seinen. Da fand sich endlich der Bächer in Benjamins sakke. Hierauf liest Musai den tähter straks binden / ihn wieder mit sich zurükzuführen. Noch heute / sagte er / sol dieser dieb hängen; damit er morgen nicht auch den König selbsten bestielet. Ihr aber ziehet mit euren fruchten hin. Euch erkennen wir frei. Mit euch haben wir nichts zu schaffen.

Es ist nicht zu beschreiben / wie jämmerlich diese Brüder tähten. Alle zerrissen ihre kleider. Alle kehreten / mit dem Benjamin / nach der Stadt zu. Zur stunde gingen sie auf des Schaltköniges schlos. Da tähten sie einen fußfal. Josef aber sagte zu ihnen: wie habt ihr euch dürfen unterfangen ein solches zu tuhn? Wisset ihr nicht / daß es ein man / als ich bin / errahten könte? Judah fing endlich an / und sagte: ach! mein Herr / was sollen wir reden? oder was sollen wir nicht reden? und womit sollen wir uns rechtfärtigen? Gott hat die missetaht deiner knechte gefunden. Siehe da? wir / und der / bei dem man den Bächer gefunden /seind meines Herrn knechte. Josef aber antwortete: das sei ferne von mir. Der man / bei dem der Bächer gefundenist / sol mein knecht sein. Ihr aber ziehet hinauf / zu eurem Vater / mit frieden.

Zwischen dessen stunden sie alle miteinander in großer angst. Und diese angst machte ihnen Ruben /durch stähtige stichelworte / noch immer grösser und größer. Unaufhörlich verwiese er ihnen die taht / am Josef begangen. Und solches täht er so überlaut / daß es der Schaltkönig selbst hörete; wiewohl er sich stellete / als verstünde er ihre sprache nicht. Auch rief er etliche mahl: ach Josef! Josef! wie viel seeliger bistu /als wir. Ach! du magst todt / oder lebendig sein / so bistu doch aller dieser schmertzen / die wir üm deines liebsten Bruders willen leiden / überhoben. Dan du siehest es nicht / was wir sehen. Du weist nicht / daß er so unschuldig in ewige dienstbarkeit geräht.

Unter allen aber war niemand mehr bekümmert /als Judah. Niemand war mehr in angst / als er; weil er seinen Vater beredet / daß er den unglüklichen Benjamin mitziehen laßen. Darüm warf er sich auch noch einmahl vor den füßen des Schaltköniges nieder. Mein Herr / sagte er / laße seinen knecht ein wort reden vor seinen ohren. Und sein zorn ergrimme nicht über seinen knecht. Dan Mein Herr ist eben als Farao. Keiner von uns allen darf wieder in unser vaterland. Keiner darf wieder vor unsern Vater kommen / wo wir unsern Bruder nicht mitbringen. Ich am allermeisten werde die schuld tragen müssen. Darzu habe ich mich verpflichtet. Darzu habe ich mich verpfändet. Dan ich bin es / der unsern Vater beweget / ihn mitzuschikken. Auf meines Herrn befehl habe ich solches getahn. Weil mein Herr sagte / wir solten sein angesicht nicht sehen / wan unser Bruder nicht mitkähme; so muste solches geschehen. Meinem Herrn zu gehohrsamen / muste sein knecht / unser Vater /beredet werden. Und darüm muste ich mich selbsten zum bürgen stellen. Kan ich nun so viel[278] gnade mächtig sein / so behalte mein Herr mich / an meines Bruders stat / zum leibeignen; und laße den Jüngling / mit seinen Brüdern / hinauf ziehen. Dan / ohne ihn / darf ich nach hause nicht kommen. Ich würde den jammer meines Vaters / dessen seele an seines Sohnes seele hänget / sehen müssen. Ich würde sehen müssen / daß er vor großem hertzleide stürbe. Ja ich würde hören müssen / daß ich seine grauen haare mit jammer hinunter in die grube gebracht.

Dieses alles hatte Josef bisher getahn / seine Brüder zu versuchen. Er wolte erfahren / ob sie mit dem Benjamin auch so tükkisch handeln würden / als mit ihm. Er wolte wissen / ob sie seinem Bruder eben so wenig liebe zutrügen / als ihm: und ob sie denselben eben so boßhaftig verlaßen wolten / als ihn. Weil er nun mehr liebe bei ihnen befand / als er ihm eingebildet; so brach ihm endlich das hertz. Es ward mürbe: es schmoltz ihm im leibe. Er konte sich länger nicht halten. Er rief; daß iederman von mir hinaus gehe! Als nun kein mensch mehr vor ihm stund / als seine Brüder; da gab er sich ihnen zu erkennen. Da fing er so laut an zu weinen / daß es die Egipter / und das gesinde des Königes höreten. Da sprach er zu seinen Brüdern: Ich bin Josef. Lebet mein Vater noch? Und seine Brüder konten ihm nicht antworten: so erschraken sie vor seinem angesichte. Josef aber fuhr fort: trähtet doch her zu mir / sagte er. Und sie trahten herzu. Da sprach er: ich bin Josef / euer Bruder / den ihr den Ismaelern verkauftet. Nun bekümmert euch deswegen nicht: ja denket nicht / daß ich darüm zürne / weil ihr mich hierher verkauft habt. Dan üm eures lebens willen hat mich Gott für euch hergesandt. Zwei jahr haben wir schon teure zeit gehabt. Nun seind noch fünf jahre vorhanden / daß man weder pflügen /noch ärnten wird. Aber Gott hat mich für euch hergesandt / daß er euch übrig behalte[279] halte auf erden / und euer leben errette / durch eine große errettung. Ja Gott hat es getahn / nicht ihr. Gott hat mich dem Könige zum Vater gesetzt / und zum Herrn über sein gantzes Haus: ja zum Fürsten über das gantze Egipten. Eilet nun / und ziehet hinauf zu meinem Vater. Machet euch straks auf / ihm anzumelden / daß ich noch lebe. Saget ihm / daß mich Gott zum Herrn über das gantze Egipten gesetzt hat. Sprecht zu ihm / das lest dir Josef sagen: kom herab zu mir. Du solt im lande Gessen wohnen / und nahe bei mir sein. Saget zu ihm /daß er / mit seinen Kindern / mit seinen Kindeskindern / und mit seinem kleinen und großem Viehe /herabkomme. Ich wil ihn versorgen; damit er nicht verderbe / mit seinem hause / und allem / was er hat: dan die teurung wird noch fünf jahre währen. Berichtet ihn / daß eure eigene augen / und meines Bruders Benjamins augen selbsten gesehen / daß ich mündlich mit euch geredet. Ja verkündiget meinem Vater alle meine herzligkeit in Egipten / und alles / was ihr gesehen. Eilet / und komt bald hernieder / mit meinem Vater.

Hierauf fiel er seinem Bruder Benjamin üm den hals / und weinete: und Benjamin weinete gleichesfals an seinem halse. Auch küssete er alle seine Brüder / und weinete über sie. Endlich redeten sie miteinander; und warden fröhlich. Niemand aber war fröhlicher / als Benjamin / und Ruben. Eben kahm die liebseelige Assenat auch hinein / ihre Schwäger wilkommen zu heissen. Sie hatte ihre zwei junge Herlein bei der hand: welche ihre Vettern ebenmäßig empfingen. Zum wilkommen verehrete sie iedem Schwager ein Feierkleid; dem Benjamin aber zwei. Es war ihr leid / daß sie ihre freude / aus unkündigkeit der Ebreischen sprache / ihnen nicht mit eigenem munde bezeugen konte. Doch ersetzte solches ihr ältestes Herlein Manasse.[280] Die Dieser war ihr Tahlmetscher: dan er hatte einen eigenen Sprachmeister / der ihn im Ebreischen und Kaldeischen unterwiesen.

Zwischen dessen kahm der ruf auf die Königliche Burg / daß des Schaltköniges Brüder kommen weren. Da erhub sich eine große freude. Es gefiel dem Könige / ja allen seinen leuten so überaus wohl / daß er von stunden an hinschikte / den Schaltkönig zu hohlen. Dieser stund eben dazumahl bei dem Könige in höchsten gnaden; weil er ihm so wohl / als dem gantzen Reiche / so gar großen nutzen schaffete. Dan er erhielt das Reich vor andern Reichen und ländern im höchsten wohlstande. Er errettete die untertahnen vom hunger. Er stiftete höchsterspriesliche Satzungen. Er mehrete die königlichen Schätze. Er erhub die Königliche Macht. Ja er machte den König so reich / und so mächtig / daß er der gewaltigste ward unter allen benachbahrten Königen. Und darüm liebte ihn der König über alle maßen. Er suchte allerhand mittel ihm seine dankbarkeit blikken zu laßen. Keine gelegenheit lies er vorbei / ihm seine so treuen dienste zu belohnen. Fast kein augenblik verging / da er ihm nicht eine neue gnade widerfahren lies. Ja er hatte den Josef schon so reich gemacht / und so hoch erhoben /daß es fast unmüglich war ein mehres zu tuhn.

Weil nun der Königerfahren / daß Josefs Vater noch lebte / und seine Brüder ihm selbst die zeitung gebracht; so lies er auch über diese solche seine gnade gantz überschwänglich gehen. Befehlet euren Brüdern / sagte er zum Josef / daß sie ihre tiere mit des Reichs besten früchten beladen / und hin nach hause ziehen. Auch saget zu ihnen also: nehmet euren Vater / und euer gesinde / und komt zu mir. Ich wil euch gühter geben in Egipten: und ihr sollet das mark der länder essen. Ja gebietet ihnen / und sprechet: nehmet mit euch aus [281] Egipten so viel wägen / als ihr nöhtig habet zu euren Kindern und weibern; und führet sie alle /mit eurem Vater / zu mir. Sehet euren hausraht nicht an. Dan die gühter des gantzen Egiptens sollen euer sein.

Josef täht also / wie der König gesagt hatte. Er verschafte seinen Brüdern wägen; und gab ihnen zehrung mit auf den weg. Auch gab er einem ieden ein Festkleid; dem Benjamin aber fünfte / mit dreihundert silberlingen darzu. Ja er schikte seinem Vater zehen esel mit Egiptischen gühtern / und eben so viel mit getreide beladen. Zudem versorgte er sie mit broht und speisen auf den rükweg. Hierbei gingen auch des Königes geschenke von güldenen und silbernen geschirren / und andern köstlichen sachen: welche zwölf reiter aus den Königlichen Einspännigern begleiten musten. Endlich als alles zum aufbruche färtig war /da befahl Josef seinen brüdern noch zu guhter letzte: sie solten seinem Vater nicht sagen / daß er von ihnen verkauft worden. Dan er fürchtete / Jakob würde sich deswegen über sie entrüsten. Darüm hatte er auch beschlossen / ihn selbsten zu bereden / daß er den wilden tieren entronnen / und den Ismaelern in die hände gerahten: welche ihn in Egipten verkauft hetten.

Also reiseten Josefs Brüder / unter Königlichem geleite / fort / und gelangten in wenig tagen frisch und gesund zu Hebron an. Zur stunde verkündigten sie ihrem Vater: daß Josef noch lebte; und daß er / nach dem Könige / der gröste Herr in Egipten sei. Aber Jakobs hertz dachte viel anders. Er konte sich gantz nicht bereden ihnen zu gleuben. Doch als sie ihm alle worte des Josefs erzehlet / und er die wagen / samt den geschenken / sahe / die er ihm schikte; da ward sein geist wieder lebendig. Da gedachte er an Josefs Traum / den er von den eilf Sternen / von der Sonne und vom Mohnde / die sich alle dreizehen vor ihm geneuget / gehabt[282] hatte. Da sahe er / daß diese dreizehende zahl / die dreizehen jahre bedeutet / nach welchen Josef zu seiner herligkeit erhoben worden. Dan im siebenzehenden jahre seines alters hatte Josef diesen Traum / und im dreissigsten / nähmlich dreizehen jahre darnach / ward er Schaltkönig: und diese hohe stahtswürde hatte er eben itzund neun jahre besessen. Und darüm sprach Israel: ich habe genug / daß mein Sohn noch lebet. Ich wil hin / und ihn sehen / eh ich sterbe.

Straks ward alles zur reise färtig gemacht. Geschwinde muste sich iederman rüsten. Flugs warden die gühter gepakt / die wägen beladen / die esel belästiget. Eilend lies man die Viehheerden zusammentreiben. In der hast muste alles geschehen. Und also machte sich Jakob alsobald auf / mit allem was er hatte. Aber als er nach Bersaba / bei den Brunnen des Eides / gelanget: da opferte er zuvor dem Gotte seines Vaters Isaaks; damit Er seine reise beglükken / und zugleich auch anzeigen möchte / ob sie vor sein Geschlecht ersprieslich sein würde. Dan er besorgete sich / seine Nachkommen möchten in der Egiptischen wohllüstigen fruchtbarkeit künftig so große lust schöpfen / daß sie alda gar bleiben / und das land Kanaan / das ihnen Gott versprochen / einzunehmen vergessen würden.

Hierauf erschien ihm der HERR des nachtes im gesichte. Jakob / Jakob / rief Er: und Jakob antwortete / hier bin ich. Da sprach der HERR zu ihm: Ich bin Gott / der Gott deines Vaters. Fürchte dich nicht hinab / in Egipten / zu ziehen. Dan daselbst wil ich dich zu einem großen Volke machen. Ich wil mit dir hinab ziehen. Ich wil dich führen: und Josef sol seine hände auf deine augen legen. Dessen Nachkommen werden lange zeit herschen: und aus ihnen wil ich einen Fürsten erwekken: der das versprochene Land mit gewaltiger hand einnehmen / und unter dein Geschlecht austeilen wird.[283]

Straks auf den morgen brach Jakob von Bersaba auf. Seine Söhne führeten ihn / samt ihren Kindern und Weibern / auf den wägen / die der König geschikt hatte. Alles Vieh / und alle habe / die sie in Kanaan erworben hatten / nahmen sie mit: und kahmen also in Egipten / Jakob / und sein Saame mit ihm. Judah eilete mit starken tagereisen voran / dem Josef seines Vaters ankunft zu verkündigen. Straks setzte sich der Schaltkönig / mit seiner Gemahlin / auf seinen wagen / und zog ins land Gessen / seinem Vater entgegen. Sobald er ihn sahe / fiel er ihm üm den hals / und weinete lange an seinem halse. Jakob aber sprach zum Josef: ich wil nun gerne sterben / nachdem ich dein angesicht gesehen. Dan nun bin ich versichert / daß du noch lebest.

Assenat / und alle Egipter verwunderten sich über Jakobs so ansehnliche und gleichsam blühende gestalt. Dan sein altertuhm war noch so schön als eine jugend; seine lippen so roht / sein angesicht so lebendig von farbe / seine augen so klahr und helle / als eines dreissigjährigen Mannes. Auch war er an schultern / kniehen / beinen und seenen so stark / als ein held: und sein haar auf seinem heupte so weis / als der schnee. So weis war auch sein bahrt; der sich bis über die brust recht zierlich ausbreitete. Ja sie verwunderten sich auch über die mänge so wohl / als ansehnligkeit seiner Kinder und Kindeskinder; derer dazumahl /den Ertzvater selbsten mitgerechnet / siebenzig seelen beieinander waren. Assenat empfing den Ertzvater mit überaus großen freudenbezeugungen: und er gab ihr den seegen / und küssete sie.

Mitlerweile reden Josef mit seinen Brüdern / und gab ihnen / unter andern / zu verstehen / daß er dem Könige andienen wolte: sein Vater / mit seinem gantzen Hause / sei angelanget; auch hetten sie alle ihre habe / und alles ihr vieh mitgebracht. Darüm / wan der König[284] sie fordern liesse / und fragte: was ihr tuhn und gewerbe sei? solten sie antworten: daß sie leute weren / die gewohnet mit Vieh ümzugehen / eben wie ihre Väter getahn. Dan er wolte gern / daß sie / im lande Gessen / sämtlich beieinander allein und absonderlich wohnen möchten; weil alle Viehhürten / und die das Vieh schlachteten / den Egiptern / die es vor Götter hielten / ein greuel weren.

Hierauf begab sich Josef straks zum Könige / und sagte ihm solches an. Auch baht er zugleich / daß der König seinen Brüdern / weil sie mit der viehzucht sich nähreten / vergönnen möchte im lande Gessen zu wohnen. Dan alda war eine fette viehweide / eine rechte schmaltzgrube. Alda hatte Josef und Assenat viel eigene liegende gründe. Zudem gehöhrete das gantze land ohne das seiner Gemahlin Vater / als Heliopelschem Ertzbischoffe / zu. Kein besseres und gelegneres hetten sie wündschen können / als dieses; da sie von allen Egiptern abgesondert wohnen / und ihr tuhn und wesen allein haben mochten. Also konte sich kein unwille unter beiden erregen. Also konten sie die Egipter / welche kein vieh mochten schlachten sehen / nicht ärgern.

Straks darnach führete Josef auch fünf seiner jüngsten Brüder zum Könige: welcher sie sehr freundlich empfing. Von stunden an fragte er: was ihre nahrung sei? Sie antworteten: des Königes knechte gehen mit Vieh üm / wie unsere Väter getahn. Wir seind kommen alhier zu wohnen. Dan im lande Kanaan war nichts / als misgewachs / zu finden: und wir hatten kein futter mehr vor unsere heerden: so hart brükten die misjahre das land. Darüm bitten wir untertähnigst / daß der König im lande Gessen seinen knechten zu wohnen vergönne. Hierauf wendete sich der König nach Josef zu. Es ist euer Vater / sagt er / und es seind eure Brüder / die zu euch seind kommen. Das[285] gantze Egipten stehet euch offen. Laßt sie im besten lande wohnen. Laßt sie wohnen im lande Gessen. Wan auch leute unter ihnen zu finden / die ihr wisset /daß sie tüchtig seind; so setzt sie über mein Vieh.

Endlich brachte Josef ebenmäßig seinen Vater hinein / und stellete ihn vor den König. Den seegnete Jakob. Der König aber / welcher über sein hohes /und zugleich geruhiges alter verwundert war / fragte ihn: wie alt er sei? Der Ertzvater antwortete: der jahre meiner walfahrt seind hundert und dreissig. Wenig und böse ist die zeit meines lebens / und langet nicht an die zeit meiner Väter / in ihrer walfahrt. Nach etlichen wenigen reden mehr seegnete Jakob den König abermahl / und nahm seinen abtrit. Josef aber verschafte seinen Brüdern wohnungen am besten orte des landes: nähmlich üm Heliopel herüm; wie der König befohlen. Ja er versorgen seinen Vater / und sein gantzes Haus. Er versorgete seine Brüder / nachdem ein ieder kinder hatte.

Eben damahls ward die Teurung in allen ländern rund herüm ie länger ie grösser. Nirgend war broht zu finden. Egipten und Kanaan verschmachteten vor hunger. Im ersten und itzt verflossenem zweiten misjahre hatte Josef / durch den verkauf des getreides /alles gemüntzte gold und silber aus Egipten und Kanaan zusammengebracht. Nun ging es an das silberwerk. Nun brachte man dem Josef alle silberne und güldene geschirre. Alle ringe / alle edele steine / alle schatzstükke musten herhalten: ja alles was seltzam und köstlich war. In der wohlfeilen zeit hatte der Schaltkönig / zum einkauffe des getreides / vier Einhörner aus der königlichen kunstkammer zu gelde gemacht. Aber ehe vier hungers jahre verlieffen / waren derer zwölfe vor handen. Ja er lösete vor Korn / in den ersten drei teuren jahren / hundert mahl mehr wieder ein / als er in den vorigen[286] wohlfeilen sieben jahren ausgegeben. Dan alle schätze aus Asien und Afriken brachte Josef / durch dieses mittel / in die Schatzkammer des Reichs und des Königes zusammen. Zudem zogen auch viel menschen aus den ümliegenden reichen und ländern / ihr leben zu erhalten / in Egipten.

Also hatte zu der zeit das Egiptische Reich seines gleichen nicht / weder an geldmitteln / noch an macht der manschaft / noch auch an lebensmitteln / in der gantzen welt: welches man / nächst Gott / niemand /als dem einigen Josef / zu danken. Darüm liebte ihn auch iederman. Jederman ehrete ihn / als einen Vater /als einen Heiland und Erhalter des gantzen Egiptens. Es war fast kein haus zu finden / da Fürst Josefs Bildnüs / neben dem Königlichen / nicht hing. Ja sie hetten ihn öffendlich / wie sie es schon heimlich tähten / gar vor einen Gott angebähtet; wo es Josef nicht ernstlich verbohten. Und also war es weit gefehlet / daß ihn einiger Egiptischer Fürst / wie bei andern Höfen gewöhnlich / beneiden sollen. Josef verhielt sich gegen iederman solchergestalt / daß er allen hohen Heuptern allen eifer / und alle misgunst benahm. Sie musten ihn lieben. Anders konten sie nicht tuhn. Josef war derselbe / der alles versorgete. Er war derselbe / der seinen Beschützer beschützte. Er war des Königes Augapfel; der stab / darauf er sich lehnete. Ja er war alles in allen.

Die Mohren und Araber spanneten zusammen. Sie kahmen mit gewafneter hand Egipten zu überfallen. In ihren ländern litte man hunger. Der sahe ihnen aus den augen. Der machte der Araber grausame gestalt noch grausamer; ihr wühtendes hertz noch wühtender; ihre reuberische ahrt / noch reuberischer / noch blutdürstiger. Sie unterstunden sich die Egiptischen Kornheuser zu plündern. Sie unterfingen sich das getreidig wegzurauben. Aber Josef begegnete ihnen[287] mit einer gewaltigen macht. Man schlug sie zum Reiche hinaus. Ihr Feldherr ward gefangen. Den stelte Josef / ohne einiges lösegeld / auf freien fuß. Darzu verehrte er ihm eine zimliche mänge getreides. Darzu vergönte er allen Arabern ein sicheres geleite. Sie mochten frei und ungehindert in Egipten kommen / getreide zu kauffen. Aber nicht mehr als hundert auf ein mahl. Hetten sie kein geld mehr / so möchten sie vieh bringen. Kein lebensvorraht solte ihnen geweigert werden. Durch solche freigebigkeit und vergünstigung /begühtigte Josef diese wilden Völker dermassen / daß sie sich überaus friedlich erzeigten. Ja sie schätzten sich glüklich / daß man ihnen lebensmittel / vor geld oder geldeswähre / zukommen liesse.

Inmittelst wuchs die Teurung immer mehr und mehr an. Die hungersnoht ward ie länger ie grösser. Kein geld / noch andere sachen / die man zu gelde machen konte / getreide zu kauffen / waren mehr vor handen. Die Egipter schrien üm broht. Sollen wir /nun / sagten sie zum Schaltkönige / vor hunger sterben / weil wir kein geld haben? Josef antwortete: schaffet euer vieh her. Da brachten sie das vieh: und er gab ihnen broht üm ihre pferde / schafe / rinder und esel. Also ernährete er sie dasselbe jahr / üm alles vieh / das sie hatten / mit brohte. Da nun dieses vierde jahr üm war / kahmen sie im fünften wieder zu ihm. Wir können / sagten sie / unsrem Herrn nicht verhalten / daß alles geld und alles vieh hin ist zu unsrem Herrn. Nun haben wir für ihn nichts mehr übrig / als nur unsre leiber und unsre felder. Warüm sollen wir sterben für unsrem Herren? Er kauffe uns und unser land / und gebe uns broht und saamen. Wir und unser land wollen dem Könige leibeigen sein: damit wir leben und nicht sterben / auch unser feld nicht veröde. Also kaufte Josef dem Könige das gantze Egipten. Dan die Egipter / weil die[288] hungersnoht so gar groß war / verkauften / einieder / seinen akker. Dergestalt ward das gantze land / mit allen einwohnern / dem Könige eigen. Und Josef teilete das Volk aus in die städte. Aber der Priester feld kaufte er nicht. Die behielten ihre freiheit / und äkker. Dan der König hatte verordnet / daß sie von dem benanten / damit er sie begnadiget / ernähret würden.

Als nun Josef alle Egipter gekauft hatte / da sprach er zu ihnen: heute habe ich euch und euer feld dem Könige zu eigen gekauft. Da habet ihr saamen /und besäet das feld. Von dem gewächse solt ihr den fünften dem Könige geben. Vier teile sollen euer sein. Damit könt ihr euer haus / und eure kinder versorgen. Sie antworteten alle: wan wir nur leben / und gnade finden für unsrem Herren / so wollen wir dem Könige gern leibeigen sein. Also machte Josef ein ewiges gesetz über der Egipter feld: daß der fünfte dem Könige gegeben würde. Aber der Priester feld blieb frei.

Hingegen hatte der Schaltkönig / so lange die teurung währete / die gantze mänge des volkes zu speisen. Das muste er tuhn / wan er diejenigen / die er dem Könige zu leibeignen gekauft / nicht wolte verhungern laßen. Er bestellete dan überal Ausspender der lebensmittel. Durch diese lies er iedem täglich nur so viel reichen / als die nohtdurft erheischete. Davor musten sie zu hofe dienen. Sie musten dem Könige fröhnen. Weil in den noch währenden misjahren der akker nur vergebens bestellet ward; so warden sie zu andern frohndiensten angehalten. Josef lies niemand ledig gehen. Keinem lies er den müßiggang zu. Sie warden zum Baue der Städte / Schlösser / Türne / und anderer gebeue gebrauchet. Teils musten an den Grab- und Sonnen-spitzen helfen. Andere musten Wasserleitungen / und Fischteiche graben. Noch andere die Tämme üm den Niel und vor den äkkern ausbüßen und erhöhern.[289]

Auch lies Josef / nach seiner eignen erfindung / ein Nielsmaß bauen: welches den grösten / kleinsten /und mittelmäßigen anwachs des Niels eigendlich anwiese. Dieses stund am Ufer des flusses. Rund ümher war eine starke steinerne mauer gezogen. Von hier ging man / durch eine steinerne treppe / hinunter an den brunnen: dessen wasser / mit dem Niele / zugleich stieg / und fiel. Mitten in diesem Wasser / das durch röhren aus dem Niele dahin geleitet ward / stund das Nielmaß selbsten. Es war eine lange marmelsteinerne Seule / mit etlichen gewissen zeichen nach oben zu. An denen konte man sehen / wie hoch sich der Niel täglich erhub. Also hielt Josef nicht allein alle Egipter zur arbeit; sondern stiftete ihm auch / durch solche herliche gebeue / ein ewiges gedächtnüs. Ja er zierete dadurch das gantze Egipten.

Endlich fand Josef vor die muhtwilligen faullentzer / und andere verbrecher noch eine andere arbeit. Die ward ihnen zur strafe auferlegt. In den Mohrenländischen Bergen giebt es sehr viel Goldadern: durch welche zu weilen der Niel fället / und den Goldsand abspühlet. Diesen führet er / unter dem andern schlamme / mit sich in Egipten. Aus solchem schlamme lies Josef / mit waschen und reinigen / den goldsand samlen. Der ward hernach gantz klein zu staube gerieben / und in schmältzkrügen geschmoltzen. Auch schikte er ein teil gemelter verbrecher an die Egiptischen grentzen / nach Arabien und dem Mohrenlande zu. Alda hatte er / im gebürge / befunden / daß durch etliche weisse marmelrotsen hin goldadern lieffen. Diese goldadern musten sie / samt den steinen / aushakken / und in mörseln zum staube stossen: darnach den staub auf breiten marmeltafeln noch kleiner reiben / und dan mit wasser so vielmahls abspühlen / bis sie das gold vom steinichten zeuge gesondert. Endlich ward dieser geriebene und gereinigte goldstaub /[290] mit blei und anderem ertzwerke / in schmältztöpfe / welche man oben mit erde fest vermachte / getahn / und auf einem kohlfeuer geschmoltzen. Und also zeigete Josef den Egiptern / durch die Scheidekunst / auch das goldmachen: darinnen sie sich nach der zeit immer mehr und mehr geübet. Doch hielten sie es so heimlich / daß es andere völker nicht nachtuhn solten.

Eben üm diese zeit / da Josef am allergeschäftigsten war den Egiptern das müßiggehen abzugewöhnen / trug sich was wunderseltzames zu. Der Königliche Fürst sahe die Assenat ohngefähr auf der Königlichen burg wandeln. Er sahe ihre fürtrefliche schönheit. Er erblikte ihr allerliebseeligstes wesen. Zur stunde ward er verliebt. Ein strahl ihrer schönen augen verwundete sein hertz. Dis brante vor liebe. Und diese liebe trieb ihn zu einer fremden entschliessung. Er entschlos sich den Schaltkönig aus dem wege zu reumen / und die Assenat zu ehligen. Dieses vornehmen offenbahrte er dem Gad und Simeon. Er suchte sie zu vermögen / den Josef zu tödten. Eine große mänge goldes und silbers verhieß er ihnen. Darzu solten sie zu großen ämtern befördert werden. Die verheissungen waren groß. Aber ihre brüderliche treue war noch grösser. Sie wolten an ihrem Bruder /dem sie so viel guhtes zu danken / keine verrähter /keine meuchelmörder werden. Sie tähten / als höreten sie nicht. Sie schlugen keine achtung auf seine worte.

Weil nun dieser anschlag dem königlichen Fürsten nicht gelungen / so war er auf einen andern bedacht. Mit list suchte er sie zu gewinnen. Mit lügen vermeinte er zu seinem ziele zu bekommen. Er verfügte sich dan allein zu der Magd söhnen / dem Dan und Gad. Diesen rieb er die ohren. Er gab ihnen zu verstehen: daß ihnen Josef den tod gedreuet. So bald ihr Vater das heupt legte / solten sie hingerichtet werden. Sie weren[291] nur Mägdekinder. Sie hetten ihn den Ismaelern verkauft. Und noch itzund beneideten sie ihn. Darüm wolte er nicht zulaßen / daß sie mit seinen Brüdern erben solten. Dieses alles hette Josef vor den ohren des Königes geredet. Er selbsten were darbei gewesen. Was meinet ihr nun / fuhr der Königliche Fürst fort? was urteilet ihr von diesen reden? Habt ihr nun nicht uhrsache genug eurem untergange bei zeiten vorzukommen? Wan euer Vater todt ist / wird es zu spähte sein. Straks mus es geschehen. Itzund müst ihr den Josef aufreiben. Ich wil euch etliche reiter darzu verschaffen. Morgen wird er / mit seiner Gemahlin /von Heliopel nach Memfis reisen. Unterwegens wartet ihm auf den dienst. Schlaget ihn todt. Nehmet die Assenat gefangen / und führet sie in den busch. Da wil ich zu euch kommen. Ja ich selbsten wil auch meinen Vater aus dem wege reumen. Zu gleicher zeit wil ichs tuhn. Und dieses mus ich tuhn; weil er dem Josef als ein Vater ist: damit er seinen tod nicht rechen könne.

Mit diesen listigen reden liessen sich Dan und Gad fangen. Darzu kahmen noch große verheissungen. Zur stunde entschlossen sie sich. Alsobald griffen sie zur sache. Straks machten sie sich auf. Geschwinde musten ihnen dreissig reiter folgen. In einem busche wolten sie zusammenkommen. Da solte man auf Josef lauren. Unterdessen ging der Königliche Fürst des nachts nach des Königes schlafkammer zu. Da gedachte er seinen Vater hinzurichten. Aber dieser anschlag schlug ihm fehl. Gott bewahrte den König. Die leibwächter wolten ihn nicht hinein laßen. Dem Könige / sagten sie / hat das heupt weh getahn. Nun hat er sich ein wenig zur ruhe begeben. Und wir haben befehl / niemand / auch nicht den Königlichen Fürsten /zu ihm einzulaßen. Das hat er uns ausdrüklich gebohten.[292]

Weil nun der Königliche Fürst alhier nichts schaffen konte / so nahm er funfzig kriegsknechte zu sich. Mit denen eilete er nach dem orte der lauerwache zu; da Gad und Dan in bereitschaft stunden. Eben brach die morgenröhte herfür / als er alda ankahm. Nicht lange darnach nahete sich die Schaltkönigin Assenat. Mit sieben hundert teils reitern / teils fußgängern ward sie begleitet. Straks fiel der Königliche Fürst auf den vortrab an. Unversehens ward er überraschet. Plötzlich erhub sich der streit. Alsobald warden alle /die nicht straks zum gewehre kommen konten / niedergehauen. Benjamin saß eben bei der Schaltkönigin auf ihrem wagen. Dieser sahe den Königlichen Fürsten mit gewalt auf sie zu dringen. Geschwinde spranger aus der kutsche. Hastig nahm er einen stein. Damit schleiderte er dem Fürsten in seine linke seite /und traf ihn so wohl / daß er plötzlich vom pferde stürtzte.

Mitlerweile waren alle der Assenat leute / bis auf einen / niedergemätselt. Der hatte sich mit der flucht gerettet / und dem Simeon und Levi angezeiget / was sich begeben. Straks nahmen diese alle streitbare männer / die bei ihnen waren / mit sich; und eileten /die Schaltkönigin zu retten. Unvermuhtlich fielen sie auf die Straßenschänder zu. Viele schlugen sie todt. Dan lind Gad aber flohen in das Papierschilf / da es am dikkesten stund.

Benjamin / welcher / mit der Schaltkönigin / noch im fliehen begriffen / ward dessen straks gewahr. Zur stunde kante er seine Brüder. Flugs lies er ümkehren. Er fand Simeon und Levi sehr erhitzt / und im vorsatze den Dan und Gad zu tödten. Aber er ward ein friedemacher. Er besänftigte ihren zorn. Er versühnete die Brüder. Der königliche Fürst lag noch auf der schaarmützelstat. Man hub ihn auf. Man wusch und verband seine wunde. Also brachte man ihn zu seinem[294] königlichen Vater. Dem erzehlete man die gantze begäbnüs. Der König strafte die sache nicht. Er dankte ihnen vielmehr / daß sie seines Sohnes geschohnet / und ihn nicht gar todt geschlagen. Gleichwohl starb er auf den dritten tag darnach.

Dieser tod des Königlichen Fürstens ging dem Königlichen Vater so zu hertzen / daß er ihm in kurtzer zeit folgete. Neun und neuntzig jahr alt war er / da er starb. Sein Reich befahl er dem Josef: welcher eben zwölf jahr Schaltkönig gewesen. Dan sein zweiter Königlicher Sohn und künftiger Nachsas / den ihm Gott in seinem hohen alter gegeben / lag itzund noch an seiner Mutter brust. An dessen stat solte Josef so lange herschen / bis er die jahre erreichet gekröhnet zu werden. Dieses verrichtete er auch so treulich / daß man ihn / durch das gantze Egipten / anders nicht nennete / als den Vater des jungen Königes. Ja er wolte rechtschaffen dankbar sein / vor die überschwängliche gunst / die ihm der alte König Nefrem erwiesen. Darüm lies er ihm auch vor der stadt Memfis / eine prächtige Grabspitze bauen. Kaum war Nefrem verblichen / als er hierzu schon anstalt machte. Straks warden die steine gehauen / und herzu geführet. Fast das gantze Egipten muste helfen. Auch war iederman willig. Keinen antreiber hatte man nöhtig. Niemand wolte der letzte sein / mit eigener hand sei nem Könige die letzte schuldigkeit abzustatten. Frisch ging der bau fort. Noch zwei jahre währete der hunger; und fast so lange der stilstand des akkerbaues. Darüm ward solcher bau in so kurtzer zeit weiter gebracht / als man sonst in zwölf jahren tuhn können. Dan als der miswachs aufhörete / stund er meist in seinem vollen wesen.

Nunmehr besänftigte sich der zorn des Himmels. Seine ruhte verschwand. Die misjahre lieffen zum ende. Seine vorige ahrt nahm der Niel wieder an. Bisher[295] hatte er sich / als ein karger stiefvater / erwiesen. Nun ward er üm so viel milder. Recht väterlich erzeigte er sich über Egipten. Reichlich ergos er sich. Reichlich befeuchtete er das lechzende land. Mildiglich tränkte er die dürstigen äkker überfliessig befruchtete er die unfruchtbaren felder. Indessen war Josef schon herüm gezogen. Er hatte zur saatzeit schon anstalt gemacht. Er haue die äkker ausgeteilet: die landgühter des Königes eigenen leuten ausgelehnet; ja alles / was den landbau betraf / durch das gantze Egipten versorget. Diese Land- und lehn-gühter solten sie besitzen und nützen / als ihr eigentuhm. Davor solte dem Könige von den eingeärnteten früchten der fünfte teil jährlich gegeben werden. Und hierdurch ward so wohl den untertahnen / als dem Könige / mäklich geholfen. Diesem / weil er / und alle seine nachkommen zu ewigen zeiten ein großes jährliches einkommen zu hoffen: und jenen / weil sie so unvermuhtlich wieder zu Landgühtern kahmen.

Nach verrichtung so vieler mühseeligen stahtsgeschäfte / zog Josef / mit seiner Assenat /nach Heliopel / sich mit seinem Vater und Schwiegervater eine zeit lang zu ergetzen. Alda nahm er seinen sitz auf der Sonnenburg: die er / seiner Gemahlin zu liebe / schon mit prächtigen gebeuen ergrössert. Auch hatte er nahe darbei den grund gelegt zu einem nicht weniger prächtigem Schuhlbaue. Diesen bau setzte er / durch seine gegenwart / dermaßen fort / daß er in sechs mohnden volendet ward. Inmittels hatte er zu Lehrern albereit die berühmtesten Sternschauer / und in andern künsten erfahrnesten Männer entbohten. Dan er war gesonnen alhier eine Schuhle zu stiften /darinnen die jugend in der großen Lehrkunst solte unterwiesen werden. Auch ging alles nach seinem sinne glüklich fort. Es war keine Kunst / die alhier nicht blühete: keine Wissenschaft /[296] die nicht zu ihrer müglichsten volkommenheit gelangete. Die Maßkunst stieg überaus hoch: die Sternschauerei noch höher. Alle Deutkünste so wohl der hände / gesichter / gestalten und gebährden der Menschen / als des Gestirnes selbsten / warden alhier geübet. Ja man lehrete /wie man aus den zeichen und zügen der euserlichen gestalt die innerliche kraft und beschaffenheit aller geschaffenen dinge erkennen solte. Und also erzog und erzielete diese Schuhle viel fürtrefliche gelehrte Leute. Sie brachte der Gelehrten welt einen überschwänglichen schmuk / einen überaus großen nutzen; und ihrem Stifter einen ewigen nahmen.

Quelle:
Philipp von Zesen: Assenat, Amsterdam 1670, S. 242-297.
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