Siebendes Buch.

[297] Assenat hatte den schrik / den ihr der Königliche Fürst / durch sein gewalttähtiges beginnen / eingejagt / noch nicht vergessen. Er lag ihr noch in allen gliedern. Ja er hatte sich so eingewurtzelt / daß er sie immer mehr und mehr schwächete. Von der zeit an hatte sie keine recht fröhliche stunde gehabt: wiewohl der Schaltkönig alle mittel / sie zu erlustigen / gesuchet. Auch täht er es noch alle tage / bald durch lustfahrten / bald durch ergetzliche gespreche / bald durch andere kurtzweile. Aber alles half sehr wenig. Ihre lebendige farbe verlohr sich von tage zu tage mehr und mehr. Ihr liebliches angesicht ward immer bleicher und bleicher. Ihre zuvor klahre helleuchtende augen verlohren ihren glaub ie länger ie mehr. Die ehmahls so lieblich / so fröhlich / so anmuhtig spielenden blikke warden immer schwächer und schwächer / immer trauriger und trauriger: ja die gebährden ingesamt allezeit niedergeschlagener. Und also lies es sich mit ihr / wo nicht zum tode / doch zum wenigsten zu einer gefährlichen krankheit an.

Auf einen mittag war Josef / mit seiner lieben Assenat / bei seinem Vater zu gaste. Bei diesem mahle befanden sich auch ihre zween Söhne / Manasse und Efraim: als auch Josefs zwee Brüder / der älteste Ruben / und der jüngste Benjamin. Man trachtete die Assenat auf allerlei weise fröhlich zu machen. Der Ertzvater Jakob selbsten schien seine jugendlichen spiele wieder hervor zu suchen. Allerhand schertzworte lies erer aus. Allerhand kurtzweile stellete er an. Und dieses alles geschahe unter dem lieblichsten getöhne der helklingenden schällen spiele /unter dem anmuhtigsten klange der singenden stimmen. Ja es ging so hertzlich fröhlich / so lieblich lustig / so anmuhtig vertraulich zu / daß es ein halbhimlisches wohlleben zu sein schien. Dadurch vermeinte man die traurige Assenat zu erfröhlichen / ihren unmuht zu vertreiben / ihre schwächligkeit zu erfrischen. Aber wiewohl sie sich fröhlich zu sein zwang / so hatte es doch keinen bestand. Es währete nur eine kleine weile. Plötzlich erblassete sie / als eine leiche. Jähligen ward sie stille. Die lippen warden todtenbleich: die augen halb gebrochen. Der ahtem blieb zurük. Sie sank auf ihres Liebsten schoß nieder. Jederman erschrak. Die lust verschwand. Die sänger schwiegen. Die schällenspiele warden nicht mehr beweget. Die gantze geselschaft ward traurig. Josef strich ihr straks seinen schlagbalsam unter die nase. Der Ertzvater tunkte sein tafeltüchlein in essig / und hielt es ihr vor. Benjamin nahm safran und ein wenig goldes. Damit rieb er inwendig das unterste glied des goldfingers an ihrer linken hand / ihr hertz zu stärken. Hierauf erhohlte sie sich ein wenig. Hierauf kahm sie / aus ihrer ohnmacht / wieder zu sich selbst. Und so bald sie sprechen konte / begehrte sie zu bette.

Zwischen dessen warden zween Aertzte gehohlet. Einer solte das Hertz / der andere das schweere durch schrökken entstellete geblühte genäsen. Dan dazumahl war es bei den Egiptern gebreuchlich / daß ein ieder Artzt nur ein glied des menschlichen leibes artzneien muste. Diese urteileten aus allen ümständen / daß die unbäsligkeit der Schaltkönigin von einem jähligen schrökken herrührete. Hiernach richteten sie auch ihre artzneien. Hiernach ward die gantze genäsung angestellet. In drei tagen brachten sie es so weit / daß sie wieder so viel kräfte[300] bekahm / daß sie gehen und stehen konte. Aber sich in die luft zu wagen /weil es eben winterte / wolten sie ihr nicht rahten. Darüm blieb sie noch acht tage bei dem Schwiegervater / sich was mehr zu erhohlen. Auch erhohlte sie sich / und bekahm ihre kräfte zimlich wieder: aber ihre vorige blühende farbe nicht. Die blieb aussen / so lange sie lebete.

Nach verflossenen acht tagen begab sie sich wieder auf ihre Sonnenburg. Alda trug sie belieben die meiste zeit ihres übrigen lebens zu verschliessen. Josef bemühete sich unterdessen sie zu ergetzen / so viel als er konte. Auch besuchte sie der Ertzbischof / ihr Vater / fast alle tage. Mit dem führete Josef viel reden / die den wahren Gottesdienst betrafen. Unter andern eröfnete er ihm auch den Nahmen Gottes / Jehovah: welchen Er selbst seinem Obergroßvater dem Abraham zum alerersten geoffenbahret. Darneben erklährete er desselben sin und eigendlichen verstand. Dieses gefiel dem Ertzbischoffe so wohl / daß er in das Heliopelsche Götzenhaus der Sonne von stunden an diese worte mit güldenen buchstaben / in Egiptischer sprache / schreiben lies. Ich bin / der da war / der da ist / und der da sein wird: meine dekke hat niemand iemahls aufgedekt. Auch warden sie nachmahls in die meisten Egiptischen Götzenheuser gleichesfals geschrieben. Ja selbst über der Weisheit Götzenbilde /welches anders nicht / als die Isis oder Assenat selbsten / sein solte / lase man / in ihrem Götzenbaue zu Sais / folgende überschrift: Ich bin das algemeine Alles / das gewesen ist / das noch ist / und das zukünftig sein wird: meine strahldekke hat kein sterblicher iemahls aufgedekt.

Assenat selbsten / welche nunmehr der Welt schon abgestorben zu sein schien / hatte ihre sonderliche lust in dergleichen gesprächen. Fast von nichts anders / als[301] dem lebendigen Gotte / wolte sie hören In keinen ander / als in Göttlichen dingen / schöpfte sie freude. Schwatzte schon iemand von der Welt / und weltlichen sachen; so gingen doch unterdessen alle ihre gedanken nach dem Himmel und den himlischen dingen zu. Da war ihr gantzes hertz. Dieses ging ihr / mit den ohren / zugleich auf / wan ihr liebster Josef davon zu sprachen begunte. Immerfort reitzte sie ihn darzu an. Fort und fort fragte sie dis und das / bald vom Göttlichen wesen / bald vom zustande der Engel / bald von der freude der Menschen / die sie in jenem leben zu gewarten. Und wan der Schaltkönig seiner reichsgeschäfte wegen verreisen muste; so lies sie ihr unterdessen allezeit etwas aus dem Buche Enochs / welches ihr Jakob verehret / durch ihren Sohn Manasse / vorlesen / und in die Egiptische sprache übersetzen. Ja dieses Buch hatte sie so lieb / daß sie es nachmahls / als es gantz übergesetzt war / selbsten allezeit lase. Und konte sie eine und andere dunkele rede nicht verstehen / so suchte sie bei ihrem Gemahle derselben erklährung.

Zu dieser der Assenat Gottesfurcht / kahm auch eine sonderliche Barmhertzigkeit gegen die nohtdürftigen. Eine große Liebe gegen ihren bedrängten und nohtleidenden nächsten lies sie leuchten. Die hungrigen speisete sie. Die durstigen tränkte sie. Den kranken verschafte sie artzneien. In den sieben hungersjahren ermahnete sie ihren Ehherrn täglich / der armen nicht zu vergessen. Auch warden sie / auf ihr stähtiges anhalten / so wohl versorget / daß kein einiger noht litte. Und noch itzund erhielt sie ihrer viele. Ihre milde hand stund gegen sie allezeit offen. Des Morgens / wan sie aus ihrem bette sich erhoben / fand sich schon eine große mänge vor ihrer tühre. Die pflegte sie ihre gäste zu nennen. Denen teilete sie reichlich mit. Sehr freundlich sprach sie ihnen zu. War iemand von diesen ihren gästen krank / dem erschien[302] sie als eine Aertztin / als eine Heilandin. Mit eigner hand richtete sie die genäßmittel zu. Auch musten ihre Stahtsjungfrauen täglich wasser brennen aus allerhand kreutern. Zu gewissen zeiten / da sie am kräftigsten waren / lies sie dieselben samlen. Hierzu hatte sie ihre sonderliche Kreuterweiber. Die brachten ihr täglich / was sie begehrete. Und also begab sich Assenat / üm der armen kranken willen / auf die Artzneikunst. Darinnen kahm sie in kurtzer zeit zu so hohem verstande / daß sie fast alle krankheiten glüklich genäsete. Dadurch erlangte sie einen großen ruhm durch das gantze Egipten. Ihre Weisheit lobeten alle. Ihren verstand in der Heilkunst erhub man bis an den himmel. Ja es kahm endlich so weit / daß sie der gemeine man / auch schon vor ihrem tode heimlich / und nach demselben öffendlich / vergöttlichte. Man machte sie zu einer Göttin der Weisheit. Man ehrete sie als eine Göttin der Artzneikunst. Man schrieb ihr derselben erfindung zu. Und weil sie zugleich die armen mit brohte versorget / bähtete man sie auch an als eine Frucht- und Zehr-göttin. Alle diese ehre geschahe ihr unter den nahmen Isis.

Mitlerweile hatte der Ertzvater Jakob erfahren /wie seine söhne Dan / und Gad sich an seiner Schwiegertochter verbrochen. Er hatte vernommen /daß sie uhrsache waren an ihrer unbäsligkeit. Er hatte verstanden / daß sie dem Königlichen Fürsten / in seinem bösen anschlage / die hand gebohten: ohne welche zu einer so frefelhaften unterwindung er nie würde gekommen sein. Daher war er über sie zornig. Daher durften sie vor sein angesicht eine lange weile nicht kommen. Er wolte sie vor seine Kinder nicht mehr erkennen. Ja sie solten kein anteil an seiner verlaßenschaft haben. Gantz solten sie ausgestoßen und enterbet sein. Assenat aber besänftigte seinen zorn. Ihre langmühtigkeit[303] war so groß / daß sie ihnen alles vergab. Ihre leidsamheit war so übermäßig / daß sie solches verbrechens auch nicht einmahl wolte gedacht haben. Eine ewige undacht solte zwischen ihr und ihnen sein. Darüm baht sie ihren Schwiegervater /wan er sie lieb hette / als seine Tochter / daß er seinen Söhnen solchen fehler verzeihen wolte / gleichwie sie selbsten ihnen alles verziehen. Er solte keinen has tragen. Er solte an kein böses gedenken. Er solte von nun an die sonne nicht mehr über seinen zorn untergehen laßen. Ja sie lies nicht eher nach / als bis sie ihn begühtiget / und seine Söhne bei ihm ausgesühnet.

Nachdem es diese Liebseelige so weit gebracht hatte; nachdem sie diese versühnung gestiftet: da lies sie sich bedünken / als hette sie alle ihre gesundheit wieder gewonnen. Vor großen freuden befand sie sich auch eine guhte zeit sehr wohl. Eine guhte weile spührete sie keine beschweerung. Alles ihr ungemach schien als verschwunden. Der Schaltkönig war hierüber von hertzen erfreuet; als auch mit ihm der gantze hof. Nie war er milder gewesen gegen die dürftigen. Nie hatte er so reiche armenspenden ausgeteilet / als itzund. Und hierdurch teilete er zugleich den armen seine freude mit. Diese frohlokten. Diese rühmeten seine freigebigkeit. Ja sie wündschten ihm / und seiner Assenat tausend gesunder jahre.

Aber wie nichts unbeständiger ist / als die zeit; so seind auch alle / die in der zeit leben / mit lauter unbeständigkeit ümfangen. Und wie nichts veränderlicher / nichts flüchtiger ist / als die zeit; so ist auch die zeitliche gesundheit / die zeitliche freude / ja alles was zeitlich ist / der flucht und veränderung unterworfen. Wan die freude auf das höchste gekommen / dan mus man denken / daß die traurigkeit bald folgen werde. Man hatte sich über die scheinbare gesundheit der Assenat kaum[304] erfreuet; da ward / durch einen jähligen überfal / solche freude schon gestöhret. Plötzlich fiel sie in eine heftige krankheit. Die hielt so hart an / daß sie innerhalb neun tagen gesund und todt war.

Als nun die Schaltkönigin vermärkte / daß ihr ende herzunahete; da ermahnte sie ihre zween Söhne / ihr vertrauen auf den wahren lebendigen Gott / den Gott ihres Vaters Josefs / zu setzen. Dem solten sie anhangen. Den solten sie lieben und ehren. Der würde ihr schirm und schild sein; und ihnen geben / was ihnen ersprieslich. Auch baht sie ihren lieben Ehherrn / ihre stelle zu verträhten / und nicht nur als ein Vater / sondern auch als eine Mutter / vor ihre Ehpflantzen sorge zu tragen. Endlich nahm sie abscheid von allen / und befahl ihre Seele dem Schöpfer aller dinge. Und also starb die fromme Assenat im einundvierzigsten jahre ihres alters / und im zwanzigsten ihrer ehe; als Josef das funfzigste / Manasse das neunzehende / und Efraim das achtzehende lebensjahr erreichet.

Dieser so frühzeitige hintrit einer so tugendvolkommenen und alles ruhmes würdigen Fürstin veruhrsachte eine große trauer durch das gantze Egipten. Jederman war betrübt. Das gantze Volk vergaß aller seiner freude. Die Armen beweineten ihre Ernährerin. Die Kranken beklagten ihre Aertztin. Die Bedrängten bejammerten ihre Erretterin. Die Angefochtenen betrauerten ihre Beschirmerin. Wo man sich hinwendete / da hörete man ein klägliches kärmen / ein erbärmliches jammern; zuvoraus im Schaltköniglichen Hofe. Das konte man nicht aufhören zu kärmen. Die Stahtsjungfrauen wolten sich kaum trösten laßen; so gar hatte sie der schmertz besessen. Die Höflinge waren als von den kopf geschlagen. Das gantze Hofgesinde ging und wimmerleichte. Ja die zween hinterlaßene junge Herren waren fast aus ihnen selbst über den verlust[305] ihrer Mutter. Der Schaltkönig aber blikte zwar seiner lieben Gemahlin mit überaus traurigen augen nach. Gleichwohl wuste er seine traurigkeit dermaßen zu mässigen / daß sich iederman darüber verwunderte. Er wuste seine schmertzen dermaßen zu verbergen / daß man ihm euserlich kaum einige traurigkeit ansahe. Und was wolte er auch viel trauren über eine so liebe Seele / die der Himmel selbst liebete / ja sie so liebete / daß er sie seiner freude teilhaftig gemacht. So wolte es Gott haben. Das war sein gnädiger wille. Wider den wolte Josef / durch eine alzuübermäßige trauer / nicht murren. Vielmehr unterwarf er ihm seinen willen. Vielmehr war er zu frieden / daß Gott seine Gemahlin aus so vielen trübsaalen gerissen.

Sobald die trauerzeit vorbei war / ward der Assenat Leiche / durch die gewöhnlichen träger / in das Balsemhaus gebracht / gebalsemet zu werden. Den Balsemern befahl man ihren besten fleis zu tuhn. Keine kosten solten sie spahren. Darüm bedung man auch keinen preis. Keine gemahlte Leichenbilder /darnach das balsemen sonsten geschahe / warden gezeiget. Man nahm es an auf das allerköstlichste zu balsemen. Und das ward auch treulich verrichtet. Erstlich zogen sie mit einem krummen eisen / durch die naselöcher / das Gehirn aus dem heupte. Das legten sie in ihren zugerichteten siedendheissen pechbalsam / so lange / bis er sich gantz hinein gezogen. Dieser Pechbalsam war aus Jüdenleime und todtenpeche /mit mirren / hartze vom balsambaume / zimmet und andern dergleichen sachen vermänget / gesotten. Darnach schnitten sie mit einem scharfen Mohrenländischem steine das weiche des leibes voneinander. Das eingeweide nahmen sie heraus. Dieses reinigten sie zuerst / und spühleten es mit Fönizischem weine wohl ab. Darnach bestreueten sie es mit gestoßenen gewürtzen / mit mirren / zimmet und andern[306] wohlriechenden sachen: doch hierzu nahmen sie keinen Weihrauch / als welcher den Göttern geheiliget. Damit fülleten sie auch das hohle des Leibes: und fügten das eingewand wieder hinein. So bald dieses geschehen / legten sie den Leichnam siebenzig tage lang in saltz. Nach verlauf dieser siebenzig tage /ward er gewaschen; und über und über mit seidenen tüchern / wündelweise geschnitten / nachdem man zuvor ein güldenes blech unter die zunge geleget /ümwunden. Hierauf liessen sie ihn in obgemeltem siedendheissem Pechbalsam so lange weichen / bis der balsam sich in die innersten teile des leibes hineingezogen. Und dan ward der Leichnam erst herausgenommen / und bei dem feuer so lange getruknet / bis es alle feuchtigkeit verzehret.

Diese so köstlich gebalsemte Leiche schikte man endlich wieder auf die Sonnenburg. Da ward sie noch mit andern seidenen wündeln ümwunden / und in einen mit dichtem golde überzogenen sark / aus einem Egiptischen feigenbaume gehauen / geleget. Diese wündeln oder vielmehr dekkleider bestrich man mit einer kreidichten pappe / darunter wachs und pech gemänget. Und solches geschahe darüm / damit sie nicht verfaulen / und die heilige Bilderschrift üm so viel eher und fester fassen könten. Auf das oberste dekkleid / das man gantz übergüldete / ward der Assenat Bildnüs / und noch andere bilder der Egiptischen Priesterschrift / mit unvergänglichen farben /gemahlet. Auch schrieb man recht vor ihre brust den Nahmen Gottes Jehovah / mit Ebreischen buchstaben. Auf den sark / der nach unten zu immer schmähler und schmähler gehauen / stund ihr Bildnüs ebenmäßig geschnitten / und mit allerhand farben übermahlet. Vor der brust dieses bildnüsses waren sieben ringweise gezogene striche oder kreuse / mit etlichen kenzeichen der heiligen Bilderschrift aus gezieret / zu sehen. Gemelte schrift kahm auf folgenden sin aus:[307] Der da war / her da ist / und der da sein wird / mache / durch seine Göttliche kraft / die Abgestorbene seelig.

Nachdem nun der Assenat Leichnam wider die verwesung mit balsemen / und mit dem köstlichsten leichenschmukke genug versehen war; da ward sie endlich in ihres Vaters / des Heliopelschen Ertzbischofs / prächtiges Grabmahl / mit gewöhnlichen trauergeprängen / beigesetzt. Die liebe / die ihr Josef in ihrem leben zugetragen / konte er nicht vergessen / so lange er lebete. Darüm vermochte ihn auch niemand zu bereden zur zweiten vermählung zu schreiten. Man schlug ihm zwar diese und jene Fürstin vor. Man suchte ihn / durch gastereien / mit dem schönsten und fürnehmsten Frauenzimmer bekant zu machen. Aber er hatte beschlossen ein einsames leben zu führen. Er hatte den witwenstand erwehlet. Er hatte die keuschheit zu seiner liebsten erlesen. Darbei blieb er beständig. Davon konte niemand ihn abbringen. Hatte er in seiner jugend das Frauenzimmer geflohen; hatte er ihren ümgang vermieden: so täht er es itzund noch vielmehr. Er hielt sich stähts allein / als ein einsamer Turtelteubrich / dem sein Teublein gestorben. Ob er schon in der besten zeit seines lebens war / ob er schon seine beste kraft noch hatte; so war es doch ferne von ihm auf eine andere Gemahlin zu denken. Noch sechzig jahre lebte er nach seiner liebsten Assenat tode. Aber in aller dieser zeit kahmen ihm nicht die geringsten fräuersgedanken in den sin. Er war einig und allein bedacht / Gott und dem Könige zu dienen.

Aber Manasse und Efraim / Josefs söhne / die nunmehr ihre jahre zu erreichen begunten / waren geneugter zur ehe. Sie waren so scheu vor der Liebe nicht. Sie mochten ein schönes Frauenzimmer wohl sehen. Und hierinnen ahrteten sie weder Vater / noch Mutter nach. Es war auch kein wunder. Sie warden erzogenals junge Fürsten. Sie hatten ihr anteil an der herligkeit ihres Vaters. Sie zogen auf in köstlichen kleidern. Sie waren ohne einige sorge. Sie lebten in höchster glükseeligkeit. Sie hatten überal einen freien zutrit. Die schönheit / die ihnen von beiden Eltern angebohren / machte sie beliebt. Die tugend / die geschikligkeit / die liebseeligkeit / die alle ihr eigentuhm waren / brachten sie in gunst. Daher war auch kein Frauenzimmer / das ihnen nicht mit liebesblikken begegnete. Und davor flohen sie keinesweges. Sie waren nicht schüchtern. Sie durften ihnen wohl unter augen trähten.

Asanel / eine einige Tochter und erbin des Reichsschatzmeisters / war dem Manasse mit liebe sehr zugetahn / und er ihr auch nicht weniger. Lange zeit lag diese liebesgluht unter der lodderasche verborgen. Techos / des Reichskantzlers Sohn / kahm endlich darzwischen. Er begunte bei der Asanel auch haken anzuschlagen. Er gab ihr seine liebe zu erkenne: Sie aber wiese ihn ab. Sie gab vor / daß sie ihrem Vater auf seinem todbette versprochen / unverehligt zu bleiben. Daher möchte er seine liebe nur auf eine andere werfen. Bei ihr were nichts auszurichten. Sie hette gäntzlich beschlossen in ewiger keuschheit zu leben. Sie hette ihr festiglich vorgesetzt keinen ihre lebetage zu lieben. Das sei ihr schlus; den wolte sie nicht ümstoßen. Das sei ihr vorsatz; der stünde nimmermehr zu verändern. Techos hörete dieses mit traurigem hertzen an. Er verstumte so gar / das eine guhte weile kein wort aus seinem munde ging. Doch schöpfte er endlich wieder muht. Er hielt abermahl an. Und dieses anhalten währete so lange und mit solcher ungestühmigkeit / bis Asanel ihm endlich geboht nimmermehr wieder vor ihr angesicht zu kommen.

Inzwischen hatte Manasse einen freien zutrit. In dessen gegenwart war Asanel viel anders gesinnet.[310] Viel anders klungen ihre reden. Dem Techos kahm dieses zu ohren. Was wolte er tuhn? Er konte sich nicht rächen. Wider den Schaltköniglichen Fürsten durfte er nichts vornehmen. Das schmertzte ihn am allermeisten. Und dieser schmertz bewog ihn zu einer fremden entschliessung. Er lies sich öffendlich verlauten / ihm das leben zu verkürtzen. Auch schrieb er solches der Asanel selbsten. Dieser brief war so kläglich / und so vol der allertraurigsten reden / daß er sie zum mitleiden bewog. Sie beklagte sein unglük. Sie bejammerte seine schmertzen. Sie hette sie ihm gern benommen. Aber sie fand keinen raht. Endlich offenbahrte sie es dem Manasse. Sie erzehlte die gantze sache. Manasse riet ihr des Techos liebe auf eine andere zu lenken. Aber wie? fragte die Asanel; Manasse gab zur antwort: unter meines Großvaters Jakobs leuten / hat einer eine sehr schöne Tochter / die beweglich schwatzen und meisterlich liebeuglen kan. Diese wil ich / aufs schönste gebutzt / zu ihr senden. Unterdessen kan sie dem Techos einen zutrit vergönnen. Wan er ankömt / lasse sie ihn durch dieses schöne Mägdlein in den saal führen / und eine zeit lang allein unterhalten. Sich selbsten kan sie entschuldigen /daß sie eben fremde leute bei ihr hette: doch wolte sie bald zu ihm kommen. Auch mus man dem Mägdlein eingeben / daß sie sich aufs allerfreundlichste gegen ihn anstelle. Ich weis / sie wird ihn straks verliebt machen. Straks wird sie seine liebe gewinnen.

Asanel nahm diesen vorschlag an. Sie lies dem Techos ihren willen / ihn zu sprechen / zuentbieten. Das schöne Mägdlein ward ihr geschikt. Den verliebten Tachos muste sie empfangen / und / an der Asanel stat / unterhalten. Uberaus lieblich blikte sie ihn an. Aus der maße freundlich waren ihre reden: welche sie mit einem anmuhtigen lächlen vermischte. Einieder[311] blik war ein pfeil: einiedes wort eine angel: einieder lach ein strük. Techos ward auf einmahl verwundet /gefangen / und verstrükt. Hatte ihn Asanel verliebt gemacht / so machte ihn die schöne Ebreerin noch tausendmahl verliebter. Und diese liebe war ihm so süße / daß er der bitterkeit aller seiner schmertzen vergaß. Der verdrus / den ihm Asanel zugefüget / war gantz verschwunden. Ja er wündschte wohl tausendmahl / daß Asanel ihm nimmermehr ihre gegenwart gönte. Und also zog Techos von dieser seine liebe gantz ab / und warf sie auf die schöne Ebreerin.

Als nun Asanel endlich hineinkahm / da war sie zum höchsten verwundert / daß sie ihren Liebhaber so gar plötzlich verändert sahe. Sie wolte sich entschuldigen / daß sie so lange von ihm geblieben. Er aber gab zur antwort: ihm were gleichwohl die zeit nicht lang gefallen. Er habe sich bei der schönen Ebreerin so wohl befunden / daß ihm eine stunde schnäller / als ein augenblik / vergangen. Asanel war froh / daß ihr dieser listgrif so wohl gelungen. Sie war froh / daß sie des Techos auf diese weise loß worden / und zugleich seinen gefasten fremden vorsatz vereitelt. Nun konte sie die liebe / die sie dem Manasse zutrug / sicherer blikken laßen. Nun durfte sie dieselbe so gantz nicht mehr verbergen.

Manasse kahm des andern morgens seiner Asanel aufzuwarten / und zugleich aus ihrem munde zu vernehmen / ob die schöne Ebreerin daß Wild / in ihrem gehäge / gefangen. Seine erste worte / nach erwiesenen höfligkeiten / waren: wie ist gestern der fang gelungen? Seind der Ebreerin pfleile auch mächtig genug gewesen den Hirsch zu fällen? Asanel antwortete: die schöne Ebreerin hat ihr meisterstükke in der jagt dermaßen erwiesen / daß sie billich eine Jagt- und Liebe-göttin zu nennen. Ihr pfeil wuste sie so behände und so gerade zu[312] schiessen / daß sie des Techos hertz recht in die mitte getroffen. Eh ich ankahm / war schon alles geschehen. Techos war gantz verwundet; und die Jägerin sahe / mit müßigen händen /zu / wie sein hertz zappelte / seine augen dreheten /seine hände böbeten. Manasse fragte weiter: wie ist es endlich abgelauffen? Seine Liebste gab zur antwort: sehr wohl. Dan da wir noch ein vierteilstündlein miteinander sprache gehalten / brachte Techos dieselbe / die ihn verwundet / auf seiner kutsche nach hause. Ob sie nun alda seine wunde wird verbunden haben / weis ich nicht.

Eben als sie von dieser jagt redeten / kahm die Jägerin selbst an. Eben traht die schöne Ebreerin in das zimmer. An ihrem goldfinger erblikte Asanel zur stunde den Demantring / den Techos gestern an seinem ohrfinger getragen. Darüber war sie zum höchsten verwundert. Und darüm fragte sie straks: ob man ihr glük wündschen solte? Der schönen Ebreerin stieg / unter einem lieblichen lächlen / eine gelinde /doch anmuhtige röhte ins angesicht. Eben so anmuhtig war auch ihre antwort. Man Sie mich urteilet in dem stande zu sein / sagte sie / daß man mir glük wündschen sol; so habe ich solches glük Ihr allein zu danken. Und eben darüm bin ich auch früher / als Sie begehret / anker kommen. Aber woher urteilet Sie solches? fing sie zu fragen an. Aus dem zeichen an ihrem goldfinger / gab Asanel zur antwort. So sol dieser Ring das zeichen sein? fragte die schöne Ebreerin ferner. Den habe ich schon lange gehabt. Er ist freilich ein unfehlbahres zeichen / antwortete Asanel; ja ein rechtes wahrzeichen. Und eben so lange ist es nicht / als ich ihn den Techos tragen sahe. Aber wie ist er so bald an ihren finger gerahten? Weil nun die schöne Ebreerin sahe / daß Asanel den ring alzuwohl kennete; so wolte sie ihr zugestoßenes glük nicht länger verbergen. Sie beichtete frei heraus / und[313] sagte: daß ihr Techos denselben nur vor einer stunde zugeschikt. Auch wiese sie zugleich sein beigefügtes


Schreiben an die Schönste und liebseeligste der Ebreerinnen.


Mein Schöne


Ihre schönheit / ihre freundseeligkeit / ihre klugsinnigkeit hat mich gefangen. Und ich wil auch gern gefangen bleiben. Zum zeugnüsse dessen schikkeich Ihr eingelegten Ring / mit bitte / ihn günstig anzunehmen. Diese gunst wird mir genug sein / mich zu versichern / daß sie mich eben so treulich meinet / als ich Sie. Die liebe / welche Sie in meinem hertzen angezündet / hat mich zu dieser entschliessung bewogen. Und hierbei kan Sie festiglich gleuben / daß solche liebe beständig sein werde. Dergleichen hoffe ich auch von Ihr. Anders darf ich nicht hoffen. Das gebietet oder verbietet ihre Tugend. Ihre leutseeligkeit lest es nicht zu. Ja ich tähte sünde / wan ich zweifelte. Und also lebe ich vergnügt. Mein hertz ist geruhig: mein gemüht befriedigt. Gegen den abend verhoffe ich die ehre zu haben Sie zu sehen. Ich wolte / daß er schon da were. So sehr verlanget mich nach ihrer gegenwart. Doch ich zweifle nicht mit ehestem den tag zu sehen / welcher der anfang sein wird unserer stähtigen beiwohnung. In dessen bin und verbleibe ich / bis an meinen letzten ahtemzug /

Meiner Schönen

treuergebnester

Techos.[314]


War Asanel über den Ring verwundert gewesen /so war sie es über diesen Brief noch vielmehr. Kaum konte sie ihr einbilden / daß ihn Techos geschrieben. Aber sie kennete seine hand. Darüm muste sie es gleuben. Sehet! sagte sie / wie mächtig die Liebe ist. Sie kan den hochmuht zu bodem schmeissen. Sie kan den trotz bändigen. Techos war vor diesem so hochmühtig / daß er sich über alles erhub: und itzund erniedrigt er sich dermaßen / daß er gleichsam auf den kniehen vor ihr lieget. Er war so trotzig / daß er niemand etwas zuvorgab: und nunmehr hat er sich durch einen blik ihrer schönen augen so gar fesseln laßen /daß er sich willig unter ihr joch bükket. Sie ist in wahrheit glüklich: weil sie so viel vermocht / als das gantze Egiptische Frauenzimmer nicht vermögen konte. Er bildete ihm ein / man müste ihn wohl ohne das lieben. Er gab gewislich nicht viel guhte worte. Er trotzete / ich weis nicht worauf. Er pochete / ich weis nicht womit. Und gleichwohl wolte er geliebet sein. Das habe ich Ihr ja zuvor gesagt / fing Manasse hierauf an. Ich wuste es wohl / daß es also gehen würde. Diese kunst kan gegenwärtige schöne Ebreerin. Diese kraft haben die strahlen ihrer augen. Damit kan sie alles / was gewaltig ist / überwältigen. Also schertzete Manasse: und nach etlichen mehr dergleichen reden / schieden sie voneinander.

Mitlerweile nahete die zeit herbei / daß Jakob sterben solte. Darüm lies er seinen sohn Josef zu sich rufen / ihm zu sagen / wie es mit ihm / nach seinem tode / solte gehalten werden. Habe ich gnade für dir gefunden / sagte er / so lege deine hand unter meine hüfte. Gelobe mir an / daß du die liebe und treue an mir tuhn wollest / mich nicht in Egipten zu begraben. Dan ich wil in Kanaan / bei meinen Vätern / liegen. Da lieget Abraham und Sara. Da ruhet Isaak und Rebekka.[315] Da habe ich meine Lea / und meine liebste Rahel hingeleget. Ja selbst Adam / unser algemeiner Vater / und Eva / unserer aller Mutter / liegen alda /zu Hebron / begraben. Da wil ich dan auch liegen. Dahin führe mich aus Egipten / und laß mich in unser erbbegräbnüs setzen. Josef antwortete: ich wil tuhn / wie du gesagt hast. Israel aber sprach weiter: so schwöre mir. Und Josef schwuhr ihm. Da neugte sich Jakob vor Josefs Reichsstabe / und wendete sich zu bähten / nach dem hauptende / nach dem heiligen Lande zu.

Als nun Israel kurtz darnach sehr krank war / da machte sich Josef / mit seinen zwee Söhnen / auf / ihn zu besuchen. Zur stunde sagte man ihm an: siehe! dein sohn Josef komt zu dir. Und Israel machte sich stark / und setzte sich im bette. Der almächtige Gott /sagte er zu Josef / erschien mir zu Lus / im lande Kanaan; und seegnete mich. Siehe! sprach er / Ich wil dich wachsen laßen. Ich wil dich mehren / und zum hauffen Volks machen. Ich wil dieses Land deinem Saamen nach dir ewiglich zu eigen geben. So sollen nun deine zween Söhne / Efraim und Manasse / die dir in Egipten gebohren worden / eh ich hinein kommen / mein sein / gleichwie Ruben und Simeon. Welche du aber nach ihnen zeugest / sollen dein sein; und genennet werden / wie ihre Brüder in ihrem erbteile. Dan da ich aus Mesopotamien kahm / starb mir Rahel zu geschwinde weg / in Kanaan / nicht weit von Efrat; also daß ich keine kinder mehr von ihr bekahm. Und ich begrub sie daselbst am wege bei Efrat / die nun Betlehem heisset.

Nachdem Jakob dieses gesagt hatte / sahe er die Söhne Josefs / und sprach: wer seind diese? dan seine augen waren dunkel worden vor alter / daß er nicht wohl sehen konte. Josef antwortete: es seind meine[316] Söhne / die mir Gott alhier gegeben. Und Jakob sagte: bringe sie her zu mir / daß ich sie seegne. Josef brachte sie zu ihm. Und er küssete und hertzete sie. Siehe! sagte er zu Josef / ich habe dein angesicht gesehen / das ich nicht gemeinet hette. Und Gott hat mich auch deinen Saamen sehen laßen. Hierauf nahm sie Josef von seinem schoße / und neugte sich zur erde gegen sein angesicht. Er nahm sie aber beide / Efraim in seine rechte hand / gegen Israels linke; und Manasse in seine linke hand / gegen Israels rechte; und also stelte er sie vor ihn. Doch strekte Israel seine rechte hand aus / undlegte sie auf Efraims des jüngsten heupt / und seine linke auf Manasses heupt: dergestalt / daß sie kreutzweise zu liegen kahmen. Das täht er wissendlich: dan er wuste wohl / das Manasse der erstgebohrne war. Und er seegnete den Josef / und sprach: Gott / für dem meine Väter / Abraham und Isaak / gewandelt haben / Gott / der mich meine lebetage / bis auf diesen tag / ernähret hat / der Engel / der mich von allem übel erlöset / der seegne die Jünglinge / daß sie nach meinem / und nach meiner Väter / Abrahams / und Isaaks / nahmen genennet werden / daß sie wachsen / und vervielfältiget werden auf erden.

Als aber Josef sahe / daß sein Vater die rechte hand auf Efraims heupt legte / gefiel es ihm übel. Und er nahm seines Vaters rechte hand / sie von Efraims auf Manasses heupt zu legen. Nicht also /sagte er / mein Vater. Dieser ist der erstgebohrne. Lege deine rechte hand auf sein heupt. Aber sein Vater weigerte sich / und sprach: ich weis es wohl /mein Sohn / ich weis es wohl. Dieser sol auch ein Volk werden / und wird groß sein: aber sein jüngster Bruder wird grösser / als er / ja sein saame ein sehr großes Volk werden. Und also seegnete er sie / und sprach: wer in Israel iemand seegnen wil / der sage: Gott setze dich / wie Efraim und [317] Manasse. Solcher gestalt setzte er Efraim dem Manasse vor. Weiter sprach Jakob zu Josef: siehe! ich sterbe; und Gott wird mit euch sein. Er wird euch wieder in das Land eurer Väter bringen. Ich habe dir ein stükke landes gegeben / ausser deinen Brüdern. Das habe ich / aus der hand der Amoriter / mit meinem bogen und schwerte gewonnen.

Auch lies Jakob alle seine Söhne zusammenrufen. Versamlet euch / sagte er / daß ich euch verkündige /was euch in künftigen zeiten begegnen wird. Komt zu hauffe / und höret zu / ihr Kinder Jakobs. Höret euren Vater Israel. Ruben / mein erster Sohn / du bist meine traft / und meine erste macht / der oberste im opfer / und der oberste im reich. Er fuhr leichtfärtig dahin / wie wasser. Du solt nicht der Oberste sein. Dan du bist auf deines Vaters lager gestiegen. Daselbst hastu / im aufsteigen / mein bette besudelt. Nun folgen die Brüder Simeon / und Levi. Ihre schwerter seind mörderische waffen. Meine Seele komme nicht in ihren raht. Dan in ihrem zorne haben sie den Man erwürget: und in ihrem muhtwillen haben sie den Ochsen verderbet. Verflucht sei ihr zorn / daß er so heftig ist; und ihr grim / daß er so störrisch ist. Ich wil sie zerteilen in Jakob / und zerstreuen in Israel. Judah du bist es. Dich werden deine Brüder loben. Deine hand wird deinen feinden auf dem halse sein. Für dir werden deines Vaters kinder sich neugen. Judah ist ein junger Leue. Du bist hoch kommen /mein Sohn / durch großen sieg. Er hat niedergekniehet / und sich gelagert / wie ein Leue / und wie eine Leuin. Wer wil sich wider ihn auflehnen. Es wird der Reichsstab von Judah nicht entwendet werden / noch ein Meister von seinen füßen / bis der Held kommet. Und demselben werden die Völker anhangen. Er wird sein Füllen an den Weinstok binden / und seiner Eselinsohn an den edelen Reben. Er wird sein kleid im weine waschen / und seinen mantel im weinbeerenbluhte. Seine augen seind röhtlicher / dan wein; und seine zähne weisser / dan milch. Sebulon wird am anfurte des Meers wohnen / und am anfurte der schiffe. Er wird reichen bis an Sidon. Isaschar wird ein beinerner Esel sein / und sich lagern zwischen die grentzen. Und er siehet die ruhe / daß sie guht ist; und das land / daß es lustig ist. Er hat aber seine schultern geneuget zu tragen; und ist ein zinsbahrer knecht worden. Dan wird Richter sein in seinem Volke / wie ein anderes Geschlecht in Israel. Dan wird eine Schlange werden auf dem wege / und eine Natter auf dem steige. Er wird das Pferd in die fersen beissen / daß sein Reiter zurükfalle. HERr / ich warte auf dein heil. Gad gerüstet / wird das heer führen / und wieder herümführen. Vom Aser komt sein fettes Broht: und er wird den Königen zugefallen sein. Naftali ist ein schnäller Hirsch / und giebt schöne rede. Josef wird wachsen. Er wild wachsen / wie an einer kwälle. Die Töchter lauffen auf die mauren den schönen Jüngling zu schauen / in königlicher pracht. Und wiewohl ihn die Schützen zörgen / und wider ihn kriegen / und ihn verfolgen; so bleibet doch sein boge fest / und die ärme seiner hände stark / durch die hände des Mächtigen in Jakob. Aus ihnen seind kommen Hürten und Steine in Israel. Von deines Vaters Gott ist dir geholfen / und von dem Almächtigen bistu geseegnet: mit seegen des himmels von oben herab / mit seegen von der tieffe / die hierunten liegt / mit seegen an brüsten und beuchen. Die seegen deines Vaters gehen stärker /dan die seegen meiner Voreltern / nach wundsche der Hohen in der welt; und sollen kommen auf das heupt Josefs / und auf die scheitel des Nasir unter seinen Brüdern. Benjamin ist ein reissender Wolf. Des[320] morgens wird er den raub fressen; aber des abendes ihn austeilen.

Also seegnete Jakob seine zwölf Söhne / einen ieden mit seinem sonderlichen seegen. Und als er alle diese seegen volbracht hatte / geboht er ihnen und sagte: Ich werde versamlet zu meinem volke. Begrabet mich bei meine Väter / in der höhle auf dem akker Efrons aus den kindern Hets: in der zweifachen höhle / die gegen Mamre lieget / im lande Kanaan; die Abraham taufte / zusamt dem akker / vom Efron aus Hets kindern zum Erbbegräbnüsse. Alda haben sie Abraham begraben / und Sara seine frau. Alda haben sie auch Isaak begraben / samt seiner Fraue Rebekka. Alda habe ich ebenmäßig die Lea begraben / in der höhle des akkers / der von den kindern Hets gekauft ist. Alda wil ich auch daß man mich begraben sol. Als nun Jakob alle diese und andere gebohte mehr an seine kinder volendet hatte / da täht er auf dem bette seine füße zusammen / und verschied /und ward versamlet zu seinem Volke. Josef aber fiel auf seines Vaters angesicht / und weinete über ihm /und küssete ihn. Also starb Jakob / als er siebenzehen jahr in Egipten gewesen / im hundert und siebenundvierzigsten seines alters / und im sechsundfunfzigsten des alters seines Sohns Josefs.

Sobald die ersten trauertage verlauffen / befahl Josef den Aertzten / die ihm bedient waren / seines Vaters Leichnam zu balsemen. Und sie balsemeten ihn vierzig tage lang. Auch beweineten ihn die Egipter siebenzig tage. Nach verlauf dieser zeit redete Josef mit den Hofbedienten des jungen Königes: der nunmehr das funfzehende jahr erreichet. Mein Vater /sagte er / hat einen eid von mir genommen / als er sterben wolte / daß ich ihn im lande Kanaan / in seinem eigenen Grabmahle / begraben solte. Darüm erweiset mir die freundschaft /[321] und redet mit dem Könige / daß er mich laße. Ich wil hinauf ziehen meinen Vater zu begraben / und wiederkommen. Die Hofbedienten gehorchten ihm alsobald. Und der König gab seinen willen darein. Also zog Josef hinauf seinen Vater zu begraben. Und es begleiteten ihn alle Bedienten des Königes / die fürnehmsten seines Hauses /und die fürnehmsten des gantzen Egiptens. Auch zogen mit ihm / alle seine Leute / alle seine Brüder /und das gesinde seines Vaters. Nur ihre kinder / samt ihrem viehe / liessen sie im lande Gessen. Und also hatte Josef ein überausgroßes heer bei sich.

Da sie nun an die Tenne des Dornbusches kahmen / welche jenseit dem Jordan lieget / hielten sie eine sehr große und bittere klage. Und Josef trug leid über seinen Vater sieben tage. Die Kananeer / des landes einwohner / sahen dieses Leichengepränge bei der Tenne des Dornbusches / und sprachen untereinander; die Egipter halten alda eine große klage. Und daher heisset man den ort der Egipter klage. Hierauf tähten die Kinder Israels / wie er ihnen befohlen hatte; und führeten und begruben ihn in die zweifache Höhle des akkers / den Abraham vom Efron gekauft hatte / mit der Höhle / zum Erbbegräbnüsse.

Nachdem sie nun ihren Vater begraben hatten / trugen die Brüder Josefs scheu mit ihm in Egipten zurükzuziehen. Dan sie fürchteten sich / er würde nunmehr / weil ihr Vater todt sei / alle boßheit / die sie an ihm verübet / rächen. Darüm schikten sie Ruben / als welcher an ihrem verbrechen keine schuld hatte / zu ihm ab. Und durch diesen liessen sie ihm anmelden: dein Vater befahl uns vor seinem tobe / dir seinet wegen zu sagen: lieber! vergib deinen Brüdern ihre missetaht und ihre sünde / damit sie übel an dir getahn haben. So vergib dan nun et lieber! die missetaht uns / den knechten[322] des Gottes deines Vaters: und vergilt uns ja nicht / was wir an dir verschuldet. Rechne uns die schmaach / damit wir dich beleidiget / nicht zu: und laß uns allen deine gnade widerfahren.

Diese worte gingen dem Josef so nahe zu hertzen /daß er bitterlich zu weinen anfing. Ja er ward noch heftiger zum wehleiden beweget / als sie selbsten kahmen / und sich vor ihm auf die kniehe niederwarfen; als er hörete / daß sie sagten: siehe! wir seind deine knechte. Das hertz brach ihm. Sehr freundlich / sehr liebseelig sprach er sie an. Fürchtet euch nicht / sagte er: dan ich bin unter Gott. Ihr gedachtet es böse zu machen: aber Gott gedachte es guht zu machen. Er gedachte es so zu machen / daß er tähte / was er getahn hat zur erhaltung vieler völker; wie itzt am tage ist. Darüm setzet alles misvertrauen bei seile. Gedenket /daß unser seeliger Vater mir meine Söhne genommen / und sie zu seinen Söhnen / und euch zu Brüdern gemacht. Gedenket / daß ich euch hierdurch näher verbunden bin / als zuvor iemahls. Ja gedenket / daß unser Vater dieses unter andern zuförderst darüm getahn / daß ich / nach seinem absterben / eurer aller Vater und eurer aller Versorger sein solte. Und das wil ich auch sein. Nicht allein euer Bruder / sondern auch euer / ja eurer kinder Vater wil ich sein. Ich wil so wohl vor euch / und eure kinder / als meine leiblichen kinder / väterlich sorgen. Das sage ich zu. Das gelobe ich. Das schwöhre ich bei dem Gotte meiner Väter / Abrahams / Isaaks / und Jakobs.

Als Josef zu reden aufhörete / fingen seine Brüder vor freuden an zu weinen; und versprachen ihm allen kindlichen gehohrsam. Ja sie versprachen bei ihm zu leben und zu sterben. Hierauf machten sie sich sämtlich auf. Josef und seine Brüder / und alle / die mit ihm hinauf gezogen waren den Ertzvater zu begraben / wendeten sich wieder nach Egipten. Alda blieb das Haus [323] Israels im lande Gessen wohnen. Und sie wuchsen in Egipten und vermehreten sich über die maße. Josef aber lebete nach seines Vaters absterben noch vierundfunfzig jahr: und als er das neunzigste erreichet / und nunmehr / nach dem letzten willen des verstorbenen Königs Nefrems / an des jungen königlichen Fürstens stat / achtundvierzig geherschet; da setzte er ihn auf den königlichen Reichsstuhl / und übergab ihm die Väterliche Krohne.

Mitler zeit hatte sich Josef der herschaft so getreulich angenommen / daß er des Königreichs wohlstand immer höher und höher gebracht / ja die königliche macht dermaßen erhoben / daß kein König in der Welt war / der so freimächtig herschete / als der Egiptische. Auch sahe er nunmehr seine lieben Söhne /dem Manasse und Benjamin / nach hertzens wundsche vermählet. Ja er sahe Efraims kinder / bis in das dritte glied. Er sahe Machirs / des Sohnes seines erstgebohrnen Manasses / kinder; welche wieder kinder zeugeten auf seinem Schosse.

Aber als Josef nunmehr das hunderte jahr seines alters erreichet; da begunten ihn so wohl / als alle kinder Israels / etliche Rähte des Königes anzufeinden. Der große anwachs der Ebreer war ihnen ein dorn in den augen. Sie konten nicht vertragen / daß ein fremdes Volk in Egipten so mächtig ward. Mit neidischen augen sahen sie ihre wohlfahrt an. Mit allerhand tükkischen anschlägen suchten sie dieselbe zu fällen. Zwei jahre nacheinander rieben sie dem Könige die ohren. Ohn unterlaß trachteten sie ihn wider bis unschuldige Volk aufzureitzen. Josef / sagten sie / ist alt. Er ist ausgemärgelt und unvermögend. Seinen verstand hat er verlohren. Seine weisheit ist ihm entgangen. Ja er ist gantz kindisch worden. Nun ist es zeit sein Volk unterzuträhten. Nun hat der König die[324] beste gelegenheit dasselbe zu zeumen / eh es uns zu mächtig wird. Man mus ihm ein joch üm den hals werfen. Man mus es fröhnen laßen; damit es nicht alzuwohllüstig werde. Man mus ihm den kitzel mit hofediensten vertreiben. Die können dem Könige großen nutzen schaffen. Mit diesen und dergleichen worten hielten sie fort und fort an. Der König aber gab ihnen wenig gehöhr. Nicht das geringste konten sie ausrichten. Ja als sie ihm endlich so gar verdrüßlich fielen /und den Josef so überaus kindisch einbilden wolten: da gab er endlich eine solche antwort / die eben so wohl in ihren ohren nicht klung. Wohlan dan / sagte er / weil ihr den Josef vor so gar kindisch haltet / so laßet uns erfahren / ob es wahr sei. Niemand hat bisher raht gewust die große sumpfichte gegend / im Nieder-Egipten / bei der see zum lande zu machen. Nun wollen wir versuchen / was Josef kindische raht hierinnen vermag.

Hierauf entboht der König den Josef alsobald. Der entbohtene erschien: und als er gefraget ward / ob er raht wüste solches Gesümpfe trukken zu machen? da antwortete er von stunden an / ja. So ziehet dan hin /fuhr der König fort / und tuht euer bestes. Nehmet so viel volkes mit euch / als ihr darzu nöhtig habt. Straks machte sich Josef färtig. Zur stunde lies er 2000 Gräber aufbieten. Und mit diesen fing er das werk an. Erstlich warden drei tieffe gräben nach dem Niele zu gezogen. Darnach lies er hierein das wasser des gantzen Sumpfes / und aus den ümliegenden Pfühlen leiten / und in den Niel lauffen. Innerhalb siebenzig tagen war dieses alles verrichtet / und alles wasser abgezapfet; dergestalt daß die gantze gegend bloß und trukken lag.

Nach volzogener arbeit reisete der König / samt seinen Rähten / darnachzu / das neue land zu besichtigen. Niemand hatte mehr ehre / als der Schaltkönig. Niemand[325] ward mehr gepriesen / als er; wiewohl gegen etlicher Rähte dank / welche nun rechtschaffen beschähmet stunden. Gehet! sagte der König zu ihnen / sehet hier! dieses werk ist kein werk von siebenzig tagen / sondern von tausend: und gleichwohl hat es der Schaltkönig in siebenzig tagen volendet. Nach dieser rede des Königes ward solches neugemachte Land auch Elfium / das ist von tausend tagen / genennet.

Zuvor war der gemelte gantze landstrich ein stünkender dampfichter sumpf gewesen; welcher unter den herümwohnenden Menschen viel böse seuchen veruhrsachet. Nun aber was es ein trukkenes / zum akkerbau geschiktes / und wohnbares land. Zuvor hatte sein fauler schlam anders nichts / als drachen / schlangen / nattern / und dergleichen giftiges ungeziefer / erzielet; welche die luft noch mehr vergifteten. Nun aber begunte er schon mit Menschen bewohnet / und mit allerhand früchten bebauet zu werden. Ja er ist nach der zeit so fruchtbahr worden / daß er mehr getreides getragen / als sonsten fast alle Egiptische länder: auch überdas so gesund und lustig / daß der König / als er diese gegend nachmahls wieder besuchet / mit verwunderung überlaut ausgerufen: sehet! ein teil des himlischen Reichs. Daher sol auch Schagen / da sich solches begeben / bis auf den heutigen tag das Reich Gottes sein genennet worden. Ja es scheinet zugleich / daß / dieser lustigen gelegenheit wegen / die Egiptischen Königlichen Fürsten / nach der zeit zu Safe /welches Josef alda gebauet / ihren hof gehalten.

Nicht allein dieses gemelte Safe / sondern auch mehr andere städte hat Josef alhier gestiftet. Darunter ist dieselbe / welche / nach dem gantzen Landstriche /Elfium oder Fium genennet worden / die fürnehmste. Vor alters sol sie Abid oder Abutich / und Piton /nach einer großen Schlange dieses ortes / die viel menschen[326] und viehes erwürget / und endlich vom Herkules / darunter etliche den Josef verstehen / erleget worden / geheissen haben. In dieser stadt hat Josef sehr viel herliche und große gebeue aufgeführet: auch selbsten sein Grab bauen laßen; wiewohl etliche schreiben / daß dieses zu Nitriote / in einem winkel zwischen zween ärmen des Niels / bei dem Seebusem Meris / gestanden. Den gemelten und andern städten dieses ortes hat er zugleich ein gewisses land und sonderliche grentzen gegeben: welche er alle nach der kunst abgemässen; und hierdurch den Egiptern mit einem das Landmässen gewiesen.

Die ärme des Niels / welche über Alkeir oder dem alten Memfis / nach dem Mohrenlande zu / durch die ehmahls gantz dürren Lantstriche streichen / hatte der Schaltkönig schon zuvor graben laßen / und dadurch dieselben länder auch fruchtbahr gemacht. Und also waren ihm die Egipter nur hiervor zum höchsten verpflichtet. Auch erkenneten sie solches / in der taht /mit der höchsten dankbahrkeit / nicht allein bei seinem leben / sondern auch / ja noch viel mehr / nach seinem tode. Sein Misgönner aber / die ihn in des Königes ungnade zu bringen getrachtet / warden alle /teils durch den schlag / teils durch einen andern überfal / plötzlich hingerükt. Das war der lohn vor ihre undankbahrkeit. Das war die strafe vor ihre boßheit; welche zuletzt allen Neidhämmeln das garaus spielet.

Also trachtete Josef ohn unterlaß / auch selbsten in seinem hohen alter / des Königreichs frommen und nutzen zu suchen. Allezeit erson er was neues. Immerzu erdachte er was sonderliches. Die wohlfahrt des Reichs / das aufnehmen des Königes / die nahrung der Untertahnen behertzigte er mit solchem eifer / daß er alle seine sinnen und gedanken darnachzu lenkte. Den eigennutz kente er nicht. Nur der algemeine war ihm bewust.[327] Er wolte sein amt treulich verwalten. Und das täht er auch redlich. Er war ein solcher getreuer Stahtsman / daß ich zweifle / ob seines gleichen in der gantzen Welt zu finden. Und eben darüm seegnete ihn Gott so überflüßig. Er suchte keinen reichtuhm: gleichwohl kahm er ihm von sich selbst so reichlich in den schoß. Selbst im schlafe fiel er ihm zu. Wan er saß / und sich üm die algemeine wohlfahrt bekümmerte; da trüpfte / da flos / da schos ein güldener regen vom Himmel. Indessen er vor andere sorgete /sorgete der Himmel vor ihn: und belohnete ihm seine treue mit überschwänglichen gühtern.

Wir wollen mehr sagen? Josef war ein rechter Lehrspiegel vor alle Stahtsleute. Er gab ein lehrbild allen Beamten der Könige und Fürsten. Vor diesen edlen Spiegel möchten alle Stahtsleute / alle Amtsleute / alle Befehlshaber krähten / und sich bespiegeln. Hier möchten sie lernen / wie man / durch liebe zur algemeinen wohlfahrt / seine eigene befördert; wie man durch treue reich wird / und aus vermeidung seines eigennutzes gleichwohl einen großen nutzen ziehet. Dan wan sie diesem Spiegel folgen / so wird ihre eigene wohlfahrt / ihr eigener reichtuhm / ihr eigener nutz von sich selbsten blühen. So wird er grühnen /und nicht verwelken. So wird er wachsen / und nicht verschwinden. So wird er bestehen / und nicht vergehen.

Aber darbei müssen sie auch nicht ihre eigene ehre selbst suchen. Und solches werden sie gleichmäßig aus diesem Spiegel sehen. Josef suchte keinen ruhm /keine ehre vor sich. Er trachtete allein treulich / redlich und aufrichtig seinem Nächsten zu dienen. Gleichwohl fiel ihm ein überschwänglich großer ruhm / und eine unvergängliche ehre zu. Hette er in beförderung der algemeinen wohlfahrt seine eigene ehre gesucht; hette er solches nur darüm getahn / damit er gerühmet würde: so weren[328] gewislich seine anschläge /wie weislich und klüglich sie auch ersonnen waren /so wohl nicht gelungen. Auch würden sie ihm nimmermehr zu solcher ehre gediehen sein. Keines weges würde er solchen ruhm vor aller Welt erlanget haben. Und wir selbst würden diesen lobspruch ihm nicht zueignen können. Und also gab Josef in alle seinem tuhn Gott allein die ehre. Aus einfältigem hertzen täht er alles; und was er täht / schrieb er Gott zu. Und darüm ward auch sein tuhn geseegnet. Darüm ging alles so wohl von statten. Darüm fiel ihm auch reichtuhm und ehre zu. Diese waren der lohn seiner so einfältigen treue.

Nach der zeit / da Jakob diese welt geseegnet /waren ihm fast die meisten seiner Söhne schon gefolget. Aber Benjamin und Naftali lebeten noch. Die hatte Josef unter seinen Brüdern sonderlich lieb: diesen / weil ihn Bilha / seiner Mutter magd / auf ihrer hüfte gebohren / und ihn Rahel daher / als ihren eigenen sohn / geliebet: jenen aber am allermeisten / weil er sein einiger leiblicher Bruder war. Beide musten fast stähts üm ihn sein; sonderlich Benjamin. Und hatte er iemand was wüchtiges anzumelden / so ward Naftali ausgeschikt. Dan dieser war geschwinde vom geiste / und rasch auf den füßen. Darüm hatte ihn auch sein Vater zu allerhand bohtschaften gebraucht /ja selbst in seinem letzten willen einem Hirsche verglichen. Hatte Josef einige müßige stunden / so ergetzte er sich mit ihnen in gesprächen von vielerhand dingen. Sonderlich aber hörete er von denen / die sich / in seinem abwesen / unter seinen Brüdern begeben /gern reden. Unter andern erzehlete ihm Naftali auf eine zeit seine treume: darinnen sich Josef allemahl mitbefunden. Und daher hatte Jakob gemuhtmaßet /daß Josef noch lebete.

Im vierzigsten jahre seines alters hatte er folgenden Traum. Er sahe die Oehlberge auf der ost seite der stadt [329] Jerusalem: und die Sonne / samt dem Mohne /stille stehen. Auch hörete er seinen Großvater Isaak zu seinen Brüdern sagen: lauft hin / einieder nach seinem vermögen: dan die Sonne und der Mohn können ergriffen werden. Darauf lieffen sie alle zugleich so stark / als sie konten / darnachzu. Levi ergrif die Sonne; Judah aber den Mohn: und sie warden beide / mit den Lichtern / aufgehoben. Hierauf gab ein Jüngling dem Levi / der gleich als die Sonne gläntzete / zwölf Palmenzweige. Judah aber / der wie der Mohn blinkte: hatte zwölf strahlen unter seinen füßen. Beide ergriffen und hielten einander. Darnach sahe er einen Stier mit großen hörnern / und Adlersflügeln auf dem rükken. Dieser stund über dem Erdbodem. Und sie wolten ihn ergreiffen: aber Josef kahm ihnen zuvor / und fing ihn; auch ward er / mit ihm / in die höhe gehoben. Endlich sahe er eine heilige schrift / welche also lautete: die Assirer / Meder / Elamiter / Galater / Kaldeer / und Sirer sollen / durch gefängnüsse / den Reichsstab besitzen.

Sieben mohnde darnach hatte er abermahl einen Traum. Er sahe seinen Vater Jakob / mit allen seinen Söhnen / in der Jammischen see stehen. Und ein Schif / mit getruknetem Fleische beladen / kahm /ohne schiffer und steuerman / mit vollem lauffe gesegelt. Auf diesem schiffe stund geschrieben: dis ist Jakobs schif. Und Jakob sagte zu seinen Söhnen: laßt uns in unser schif gehen. Aber sobald sie in das schif geträhten waren / da erhub sich ein großes unwetter /und der wind stürmete dermaßen / daß alles erkrachte. Hierauf ging Jakob von ihnen / nach dem ruder zu. Der sturm schlug sie von einer seite zur andern / und trieb sie seewärtsein. Das schif ward bald hier / bald dort gegen den grund angeschmissen; und bekahm so große spalten / daß es vol wassers lief. In dieser gefahr flohe Josef in [330] das Boht / das am schiffe hing: und die andern Brüder ergriffen zehen breter. Hierauf hielten sie sich fest / und warden / durch den sturm /einer hierhin / der andere dorthin / voneinander getrieben. Aber Levi zog einen sak an / und baht den HERrn vor sie alle. Sobald nun dieser große sturm gestillet war / gelangte das Boht unbeschädigt zu lande. Und Jakob kahm endlich auch an / also daß sie sich sämtlich erfreueten.

Josef hörete / mit großer aufmärkung / allen diesen und dergleichen erzehlungen zu. Er erwog sie bei sich in seinem hertzen: und sahe wohl / was der Allerhöchste mit Levi und Judah beschlossen. Auch sagte er zu seinen Brüdern: dis seind keine eitele Treume. Gott wil uns dadurch anzeigen / was künftig geschehen sol. Gewislich wird einieder erfüllet werden zu seiner zeit. Und darüm beweiset den Stämmen Levi /und Judah ihre gebührende ehre. Dan aus diesen Stämmen wird das Lam Gottes entsprüßen: durch dessen gnade wird das Heidentuhm / samt Israel /erhalten und seelig werden. Sein Reich wird ein ewiges unvergängliches Reich sein. Aber mein Reich sol in meinen Kindern volendet werden / als eine bewahrung der Aepfel. Dan nach der ärnte wird man es nicht mehr sehen.

Mitlerzeit märkte Josef / daß seine sterbestunde sich alhand zu nahen anfinge. Darüm lies er / bei gesunden tagen / seine Söhne / Manasse und Efraim /samt ihren Kindern / als auch seine Brüder / die noch bei leben waren / zu sich kommen. Die ermahnete er alle / daß sie brüderlich / friedlich / und einträchtig untereinander leben: auch sich beständig an den Gott ihrer Väter / Abrahams / Isaaks und Jakobs / halten / und ihn nicht verlaßen solten. Ja er gab ihnen zugleich zu verstehen: es sei ihm wohl bewust / daß sie /nach seinem tode / von den Egiptern sehr würden geplaget und beängstiget werden. Aber der Allerhöchste würde sie heimsuchen / und[331] aus Egipten in das Land Kanaan führen: welches er schon vorlängst ihren Vätern versprochen. Und darüm musten sie ihm / mit einem eide / angeloben / daß sie seinen Leichnam alsdan / wan sie Gott heimsuchte / mit sich hinweg führen wolten. Dan imfal ihr meine Gebeine / sagte er /mit euch führet / so wird Gott / wider die Egipter / im lichte / mit euch sein; und der Teufel / in der fünsternüs / mit den Egiptern. Auch befahl er ihnen zugleich / daß sie ihre Mutter Silpa ebenmäßig mitnehmen /und zur Bilha / nicht weit von seiner Mutter Rahel /begraben solten.

Kurtz hiernach gelangte / von Astarot aus dem lande Uz / ein Bluhtsverwanter des berühmten und mächtigen Jobs / des Fürstens zu Edom / an. Dieser brachte dem Josef eine sehr betrübte zeitung. Er erzehlte ihm / wie Job auf einen tag viererlei sehr grosse unglüksfälle gehabt. Eben an dem tage / sagte er /da seine sieben Söhne / samt seinen drei Töchtern /die er mit euer Schwester Dina gezeuget / in des erstgebohrnen hause saßen / und guhter dinge waren; da kahm ein bohle zum Job / und zeigete ihm an / daß die Sabeer aus dem reichen Arabien die Rinder vom pfluge / samt den Eselinnen aus der weide / weggeraubet / und alle seine Knechte / bis auf ihn / der allein entronnen / todtgeschlagen. Als dieser noch redete /kahm einander / der brachte die zeitung; das feuer Gottes sei vom Himmel gefallen / und hette Schäfer und Schafe verbrant / also daß nur er allein übrig geblieben. Kaum hatte der knabe ausgeredet / da kahm abermahl einander / welcher meinen Vetter mit diesen worten anredete: die Kaldeer / sagte er / kahmen /mit drei hauffen / auf die Kamehle gefallen / nahmen sie weg / und hieben alle Hühter nieder. Ich allein bin darvon gelauffen / damit ich die zeitung brächte. Nährlich waren ihm diese worte aus dem munde / da kahm der vierde. Der brachte die allerbetrübteste[332] zeitung. Ach! sagte er / eure Söhne und Töchter aßen und trunken im hause ihres ältesten Bruders; da kahm ein großer sturmwind aus der Wildnüs / und sties so gewaltig auf die vier ekken des hauses / das es über einen hauffen fiel / und alle menschen erschlug / bis auf mich / der ich allein der gefahr entkommen.

Weil nun dieser fromme Job sich dem Josef nicht allein seiner Schwester Dina wegen / sondern auch von seinem Obergroßvater Abraham her / dessen Bruders Nahors sohn er war / mit bluhtsfreundschaft zugetahn befand; so ging ihm sein unglük sehr nahe zu hertzen. Er erschrak und entsetzte sich so heftig über dieser unvermuhteten zeitung / daß er eine guhte weile kaum reden konte. Ja als er vernahm / daß dem frommen Job des andern tages darauf noch ein fünftes unglük zugestoßen / und sein gantzer leib über und über mit bösen blattern geschlagen worden: da ward er noch vielmehr zum wehleiden bewegt. Ach! sagte er / geschiehet dieses am grühnen holtze / was wird am dürren geschehen? Job ist schlecht und recht; er ist Gottesfürchtig; er meidet das böse: und hierinnen hat er seines gleichen nicht. Gleichwohl hat ihm ein so gar großes unglük begegnen müssen. Gleichwohl ist ihm ein so unerträgliches kreutz aufgelegt worden. Ach! wir arme Menschen / was seind wir? Mus der frömmeste also leiden; was / werde dan ich / und einander / die wir lange so from nicht seind / leiden müssen? Doch was wil ich sagen? Es ist ein zeichen / daß Gott ihn herzlich liebet; weil er ihn so väterlich züchtiget. Dan es ist einmahl gewis / daß wir schweerlich anders / als durch viel trübsaal / und zeitliches leiden / zur ewigen freude gelangen können. So mus es sein. Darzu seind wir in dieser zeitligkeit bestimt. Ich habe das meinige auch erfahren. Meine seelige Liebste hat kreutzes und leidens genug / und ich[333] ihrentwegen /ausgestanden. Meine liebe Assenat. Hier blieb die rede stekken. Weiter konte sie nicht fort. Der schmertz hämmete die zunge. Endlich folgeten die trähnen / welche strohmsweise über die wangen flossen.

Die tafel zum abendessen war schon gedekt. Die speisen warden aufgetragen. Aber den Schaltkönig hatte der schmertz so eingenommen / daß er nicht essen konte. Darüm befahl er seinem Sohne Efraim /und seinem Bruder Benjamin / die eben bei ihm waren / daß sie ihrem angelangten Bluhtsfreunde geselschaft halten solten. Er inzwischen begab sich zu bette / nachdem er gegen seinen gast sich zum besten entschuldiget. Efraim begleitete ihn in sein schlafzimmer: da er ihm / im scheiden / abermahl befahl /dem Gaste zu sagen / daß er auf den morgenden tag ihm selbst geselschaft zu halten verhofte.

Aber Josef / es sei / daß das schrökken über das unglük des Jobs / oder der schmertz über das andenken seiner lieben Assenat ihn übermeistert / brachte die gantze nacht schlafloß zu. Und darbei war er so schwach / daß er kaum luft zu hohlen vermochte. Ja sein hertz befand sich anders nicht / als zwischen zwei bretern eingeklämmet. Er vermeinte zwar als der tag angebrochen / aufzustehen. Aber er war so mat /daß er nicht konte. Seine Leibärtzte warden gehohlet. Diese urteileten von stunden an aus seinem wesen und schlage / daß diese machtloßheit aus einer heftigen gemühtsbewegung herrührete: welche das hertz und heupt verletzet. Darüm verordnete ihm der eine straks etliche Hertzartzneien. Der andere verschrieb ihm einige Hauptmittel die verunruhigten sinnen zu besänftigen / und den schlaf zu erwekken. Diese tähten zwar ihre würkungen / so viel sie in einem alten und schwachem leibe vermochten. Der Schaltkönig fühlete zwar einiger maßen linderung. Das hertzklopfen verlohr sich. Die ohnmächtigkeit lies[334] nach. Der schlaf fand sich wieder. Doch gleichwohl hatte er so viel kräfte nicht / daß er aufstehen konte. Auch vermochte der Magen keine speise anzunehmen.

Zween tage lang blieb er ohne einige nützung der speise liegen. Endlich richtete ihm der Magenartzt auch eine Magenartznei zu. Diese würkke so viel /daß er lust bekahm zuerst ein Hühnersüplein einzuschlurfen: darnach auch vom Hühnlein selbsten zu essen. Doch meist behalf er sich mit Mandelmüsern. Hierdurch bekahm er so viel kräfte / daß er am fünften tage sich aus dem bette erhub / ja selbsten seinem Gaste bei der tafel geselschaft hielt. Aber diese erhohlung der kräfte währete nicht lange. Kaum konte er so lange sitzen / als die mahlzeit währete. Sobald die Tafel aufgehoben war / muste er sich wieder legen. Seine schwächligkeit wolte nicht gestatten länger aufzubleiben.

Der König hatte mitlerweile des Schaltköniges unbåsligkeit zu wissen bekommen. Straks färtigte er den Reichskantzler ab ihn zu besuchen. Und als er verstund / daß gefahr darbei were; da schikte er auch zween seiner Leibärtzte zu ihm. Diese solten zusehen / ob die gefahr so groß sei / als er gehöret. Nach eingezogenem berichte / besuchte er den Kranken selbst. Zwo gantze stunden währete dieser besuch. Der König bezeugte sein hertzliches mitleiden: und Josef seine schuldigste dankbarkeit. Nach volendeten höfligkeiten ward befohlen / daß iederman hinausgehen solte. Hierauf fing der König straks an von Reichsgeschäften zu reden. Allerlei worte / und wiederworte fielen vor. Endlich ersuchte er den Schaltkönig / daß er seinen letzten Willen / entweder selbst / oder durch einen vertrauten / aufsetzte. Dan / sagte er / ihr seid nunmehr hochbejahret. Das alter schwächet eure kräfte. Hierzu ist diese krankheit gestoßen. Leichtlich möchte noch ein anfal darzu kommen / der euch plötzlich aus unsern augen rükte. Darüm ist[335] mein begehren / daß ihr bei zeiten anordnung tuht / wie es nach eurem hintritte / in einem und dem andern / was den Staht und desselben beherschung betrift / sol gehalten werden. Bei euch beruhen alle geheimnüsse des Reichs. Ihr allein habet wissenschaft von den verborgnesten sachen des Stahts. Von euch allein auch haben wir einen guhten raht zu gewarten.

Weil nun Josef dieses alles schon lange versorget /so gab er folgende antwort. Die gantze verfassung /sagte er / ist vorlängst geschehen. Ich selbsten habe sie mit eigener hand aufgesetzt. Und darbei seind etliche Beilagen; die der König / zu seinem nachrichte /vor sich allein und in geheim behalten sol. Gestern habe ich alles meinem Sohne Efraim wohlversiegelt zugestelt. Dem ist auch befehl geschehen / solches dem Könige / so balt meine seele von mir geschieden / in geheim zu überreichen. Der König verlangte sie zu sehen / sonderlich die Beilagen; damit er vom Josef selbsten noch einige erklährungen darübereinziehen könte. Straks ward hingeschikt / sie zu hohlen. Efraim brachte sie selbsten. Der König empfing sie aus seiner hand. Er entsiegelte sie / und lase sie durch. In den Beilagen stunden etliche heimligkeiten des Stahts; sonderlich wie der König sein freimächtiges gebiet erhalten solte. Auch ward darinnen weitleuftig erklähret / durch was mittel und wege Josef die königliche macht zu solcher freiheit gebracht. Alles gefiel dem Könige überaus wohl. Er dankte dem Josef vor seine so getreue vorsorge: welcher auch noch zum überflusse sein gantzes Rahtsbedenken mündlich wiederhohlte / und mit deutlichern reden erklährete. Hierinnen schöpfte der König eine solche vergnügung /daß er auch unersuchet und aus eigenem triebe dem Josef die hand zureichte / und mit einem hohen eidschwuhre versprach / daß er solches / nach seinem tode / an seinen Kindern vergelten / und sie befördern / und beschirmen wolte / wo[336] und wan sie seiner beförderung und beschirmung benöhtigt. Der Schaltkönig bedankte sich vor solche hohegnade: als auch / daß der König sich so weit erniedriget / seinen Diener zu besuchen. Und hiermit geseegneten sie einander; und der König begab sich wieder auf die Burg.

Vor dem Schaltköniglichen Schlosse hatte sich indessen eine große mänge volkes versamlet. Niemand wuste / was es bedeutete / daß der König den Josef besuchete / und sich so lange bei ihm verweilete. Der eine urteilete dis / der andere das. Man stekte die köpfe zusammen. Man führete wunderliche reden. Der Schaltkönig hatte sich sonsten fast alle tage auf der Burg befunden. Aber in acht tagen war er alda nicht gesehen: auch nie auf der gasse vernommen. Etliche tage nacheinander waren die Aertzte bei ihm aus- und ein gegangen. Auch hatte man zween königliche Leibärtzte vor etlichen stunden aus seinem Schlosse kommen sehen. Aus allen diesen begäbnüssen muhtmaßeten die meisten / daß ihr Schaltkönig krank sei. Und in solcher muhtmaßung warden sie noch mehr gestärket / als sie den König trauriger / dan er pflegte / wiederkehren sahen. Ja das alberne einfältige volk wolte selbst aus dem langsamen tritte der königlichen Pferde einige traurigkeit schliessen. Sehet doch! sagten etliche / wie die unvornünftigen tiere so traurig gehen / wie sie die köpfe hängen laßen. Gewislich müssen sie es märken / daß der Versorger / der Verpfleger / der Heiland des gantzen Egiptens krank ist. Ja die alten Mütterchen fingen schon an zu weinen. Die kinder folgeten; wiewohl sie nicht wusten warüm. Man sahe ein erbärmliches wesen. Die nicht weineten / seufzeten und ächzeten: und die keines von beiden tähten / gaben gleichwohl / durch ihre hinlässige gebährden / ihre traurigkeit anugsam an den tag. Nunmehr gleubeten alle / daß Josef krank sei: ja etliche gar / daß er schon gestorben. Und diese machten[337] den tod des Schaltköniges straks durch die gantze stadt ruchtbar. Dis gerüchte lief so eilend von hause zu hause / daß es auch endlich selbst in des Manasse schlos drung. Dieser erschrak über alle maße. Ja er geriet dergestalt aus sich selbsten / daß er zuerst nicht wuste / was er tuhn solte.

Mitlerweile kahm Efraim an. Der berichtete / daß eben itzund der König selbsten ihren Vater besuchet. Da fassete Manasse wieder muht. Doch gleichwohl lag ihm dieser falsche ruf so fest in den gedanken /daß er nicht eher ruhen konte / er hette dan seinen Vater selbst gesehen. Geschwinde lies er anspannen. Eilend setzte er sich mit seinem Sohne Machir / der eben bei ihm war / zu wagen. Straks eilete er nach dem kranken Vater zu. Nicht hastig genug konten ihm die pferde gehen. In einem hui gelangte er vor dem schlosse an. Da fand er alles vol menschen. Nicht allein die gassen waren erfüllet / sondern auch die heuser rund herüm. Kaum konte er durch das gedränge hin kommen. Nährlich konte der wagen das tohr erreichen. Manasse verlangte ie mehr und mehr. Des Schaltköniges Leibwächter warden seiner gewahr. Die machten ihm raum / und trieben den drang zurük. Also gelangte er endlich in das schlos. Das erste / das er fragte / war dieses: ob der Vater noch lebte? so zweifelhaftig war er in seinen gedanken.

Als er nun in die kammer traht / da fand er den Schaltkönig sehr schwach. Kaum konte er sich nur etwas aufrichten seinem Sohne die hand zu bieten. Manasse fragte zur stunde: wie es mit seiner krankheit beschaffen? Ach! gab Josef zur antwort / sehr übel. Vor einer halben stunde befand ich mich zimlich wohl. Aber diesen augenblik bin ich so schwach worden / daß ich kaum ahtemen kan. Ich märke wohl /daß sich meine Sterbestunde nahet. Wo ist doch mein Sohn Efraim / und mein Bruder Benjamin? Laßet sie flugs hohlen. Nicht lange darnach erschienen sie beide / samt ihren Kindern.[338] Da wiederhole Josef eben dieselben worte / die er zuvor in seinen gesunden tagen / zu ihnen gesprochen. Auch fügte er noch mehr hinzu. Sonderlich aber ermahnte er sie zur Gottes furcht / und zur unterlichen einigkeit. Endlich gab er allen den seegen: und hiermit strekte er seine füße aus / und verschied so sanfte / daß er ausging / als ein licht. Dieses begab sich im 110 jahre seines alters /im 80 seines Fürstentuhms / im 61 nach seiner lieben Assenat tode / und im 55 nach seines Vaters Jakobs / als er eben 93 jahr in Egipten gewesen.

Straks hierauf warden reitende bohtschaften ausgeschikt den übrigen Kindern Israels zu Heliopel / und im gantzen Lande Gessen / den tod ihres algemeinen Vaters Josefs anzumelden; damit sie ihn gebührender maßen betrauten möchten. Und hierdurch erschol der ruf durch das gantze Egipten. Plötzlich lief er von ländern zu ländern / von städten zu städten / von heusern zu heusern / bis er endlich das gantze Reich erfüllete. Da erhub sich überal ein großes trauren / ein heftiges klagen / ein erbärmliches jammern. Das gantze Israel beweinte den Josef / als seinen Vater / als seinen Ernährer / als seinen Beschirmer. Und die Egipter gaben ihnen nichts zuvor. Sie betraureten ihn sämtlich / als einen Vater ihres Vaterlandes / als einen Erhalter und Vermehrer ihrer Wohlfahrt / als einen Stifter so vieler heilsamer Satzungen. Ja die Armen bejammerten ihn / als ihren Versorger: die Bedrängten / als ihren Nohthelfer / und Erretter: die Bauren als ihren Lehnverpfleger: die Bürger / als ihren Friedeschild: die Stahtsleute / als ihr Auge und Oberheupt: der Adel / als seine Stütze: die Fürsten /als ihre Krohne. Selbst der König betrauerte ihn / als die edleste / die köstlichste Perle / die von seiner Krohne gefallen.

Und also nahm das gantze Egipten / samt dem gantzen Israel / die trauer an. Von hertzen waren sie betrübt. Mildiglich vergossen sie die trähnen. Jederman[339] kärmete. Jung und alt weinete. Selbst die kleinen kinder schienen diesen tod zu bejammern. Es ist auch kein wunder. Josef war ein Herr / dessen Tugenden eben so unvergleichlich / als sein Glük wunderseltsam / gewesen. Er führte / in seiner großen gewalt / ein gantz untadelhaftes leben. Er lies iederman recht und gerechtigkeit widerfahren. In seinem grösten glükke /und höchstem ehrenstande überhub er sich keines weges. Vielmehr war er niedrig und demühtig. Ja er war überaus langmühtig / überaus sanftmühtig / über aus barmhertzig. Er hatte mitleiden gehabt mit allen Egiptern / eben als mit seinen eigenen gliedmaßen. Er hatte ihnen alles guhtes bewiesen. Mit raht und taht hatte er ihnen geholfen. Die algemeine wohlfahrt hatte er über alle maße vermehret: das Reich in geruhigem frieden allezeit erhalten: des Königes macht über alles erhoben; und doch darbei der Untertahnen bestes niemahls verseumet.

Fast auf eben dieselbe weise / wie man die Assenat balsemen laßen / ward Josefs Leiche gebalsemet: auch eben also ausgezieret / und in einen köstlichen sarg geleget. Als dieses alles verrichtet war / folgete das Leichengepränge. Die Leiche ward auf einem gantz versilbertem wagen geführet. Diesen zogen vier pferde / mit einem überzuge von weissem seidenem zeuge / der / über die füße hin / bis auf die erde hing /bekleidet. Hinter dem Leichenwagen her ritte sein Hofmeister / mit einer güldenen Krohne in der hand. Hierauf folgete der Mahrschalk / mit einem Reichsstabe / gleichmäßig zu pferde. Diesem ritte nach ein Kammerjunker mit des Schaltköniges Schwerte. Hierauf kahmen seine zween Söhne / Manasse und Efraim / mit ihren Söhnen: und dan Josefs Brüder / die noch bei leben waren. Auf diese weise ward des Schaltköniges Leiche nach dem Grabmahle zu / das er ihm selbst bauen laßen / geführet / und alda beigesetzt. In eben demselben Grabmahle blieb sie eine lange zeit stehen. Aber endlich ward sie von dannen in die KöniglicheSchatzkammer gebracht. Dan die Zeuberer und Zeichendeuter hatten dem Könige gerahten / daß er ja zusehen solte / sie wohl zu verwahren. Wan er solches nicht tähte / und Josefs Leichnam aus Egipten tragen liesse; so würden große plagen über die Egipter kommen / ja eine so dikke fünsternüs das gantze Egipten überfallen / daß keiner den andern / selbst bei brennenden lichtern / würde sehen können. Zudem hatte man aus gekundschaffet / daß Josef vor seinem absterben selbst befohlen / seinen Leichnam in das Land Kanaan zu tragen; auch darbei von eben derselben fünsternüs geweissaget.

Nach Josefs seeligem hintritte vermehreten sich die Kinder Israels in kurtzen jahren dermaßen / daß sie in ihren städten / welche sie bisher gehabt / nicht raumes genug fanden zu wohnen. Und darüm muste man noch etliche neue bauen. Ja die Mütter in Israel gaben den Egiptischen nichts zuvor. In einer einigen tracht brachten sie zu weilen vier / sechs / ja acht kinder zur welt. Und diese große fruchtbarkeit veruhrsachte das stähtige trinken des Nielwassers: welches die Aekker und Leiber nicht allein fet / sondern auch so fruchtbahr machte / daß beide so überaus reichlich früchte trugen. Man pfleget den Flüssen sonsten gemeiniglich den nahmen Vater zu geben. Aber keinem scheinet solcher nahme so rechtmäßig und so eigentühmlich zuzukommen / als dem Niele: der so ein reicher fruchtbarer Vater und Erzieler ist nicht allein der Erdgewächse / sondern auch der Menschen / daß Egipten darinnen schier alle Reiche der Welt übertrift. Und eben darüm war auch sein wasser in solchem währte / daß man es iederzeit als was heiliges verwahret / ja als ein sonderbahres geschenk / in ferne länder den Gewaltigsten der Welt zugeschikt. Ich wil mehr sagen / seine große fruchtbarkeit hat auch den alten Egiptern selbsten anlaß gegeben / daß sie ihrem Niele / wie wir droben gemeldet / Göttliche ehre angetahn / und so vielerlei ehrennahmen gegeben.[342]

Wir haben schon in etwas berühret / daß die abergleubischen Egipter ihren Josef / da er noch lebete /göttlich geehret: wiewohl in geheim und in der stille; weil er es selbsten so ernstlich verbohten. Aber dieses Verbot schien / nach seinem tode / verjahret zu sein /und nichts mehr zu gälten. Ihre gemühter waren ihm dermaßen zugetahn / daß sie ihn nunmehr öffendlich gantz und gar vor einen Gott aufwarfen. Sie baueten ihm zu ehren Götzenheuser; sonderlich zu Memfis. Ihm zu ehren richteten sie Götzenbilder auf. Diese bähteten sie an. Hiervor fielen sie nieder; und ehrten sie als Götter. Diesem neuen Gotte musten alle die alten Abgötter weichen. Die ehre / ja die nahmen die sie jenen gegeben / eigneten sie nun diesem zu. Er ward der ansehnlichste / der fürnehmste / der höchste unter allen. Damit auch der nahme Josef selbsten üm so viel herlicher und göttlicher schiene / so veränderten sie ihn: sie setzten die buchstaben üm; sie verwechselten sie mit ihren verwanten / und machten Apis daraus. Eben dasselbe tähten sie auch mit dem Nahmen Assenat: den sie so verzwikten und so verwandelten / daß sie nur desselben fürnehmsten grundbuchstaben s behielten / und Isse / darnach Isis daraus machten.

Josef hatte dem Reiche fürnähmlich dreierlei Guhttahten erwiesen. Erstlich hatte er den Königlichen zweifachen Traum gedeutet: an dessen deutung dem gantzen Stahte so sehr viel gelegen. Darnach hatte er einen so heilsamen raht gegeben: und dan alle Egipter so weislich und treulich versorget; indem er ihnen vorraht und lebensmittel verschaffet. Diese dreifache wohltaht abzubilden schien kein füglichers sinbild zu sein / als der Ochse / aus des Königes Traume; als auch die Kornahre / aus eben demselben. Beides hatte ihnen Gott selbst gleichsam vorgeschrieben. Und darüm eigneten sie jenes / nähmlich den Ochsen / dem Josef zu: und dieses / nähmlich die Kornahren / der Assenat / mit dem nahmen Isis. Unter andern war es auch kein wunder / daß[343] beiderlei Götzendienst sich so bald ausbreitete / und solche tieffe wurtzeln in den abgöttischen hertzen der Egipter gewan. Die Assenat war eine Tochter / ja noch darzu eine einige Erbin des algemeinen Egiptischen Ertzbischofs. Und Josef war ihr vermählet. Er war des Ertzbischofs Eidam gewesen. Darzu hatte er der Priesterschaft überaus viel gunst und wohltahten erwiesen. Und eben darüm trieben die Priester / die auch das meiste darbei vermochten / das werk mit gantzer macht fort. Mit allem eifer strebeten sie darnach / so wohl dem Josef / als der Assenat / eine ewige Göttliche ehre zu stiften. Hierzu half auch nicht wenig der alte Ertzbischof selbst: und desselben nahe verwandschaft mit den mächtigsten des Reichs / ja mit dem Könige selbsten.

Es war ohne dis bei den Egiptern der gebrauch /daß sie das gedächtnüs ihrer Wohltähter mit zugeheiligten Sinbildern erhielten. Sie waren gewohnet ihren Nahmen hierdurch zu verewigen / ja zu vergöttlichen /und auf die spähte Nachwelt fortzupflantzen. Und solches geschahe alhier / aus itzt erzehlten uhrsachen /üm so viel mehr / üm so viel eifriger / üm so viel herlicher. Ja üm der Assenat willen / widerfuhr dem Josef üm so viel grössere ehre: wiewohl sie üm seinetwillen auch nicht wenig mehr ehre bekahm. Eines half dem andern. Eine uhrsache stärkte die andere. Und also erlangten beide die höchste ehre: welche /wiewohl nur etliche hundertjährige zeiten im götzendienste / nunmehr über die dreitausend dreihundert jahre gewähret / ja noch währen wird / so lange die welt stehet. Mit einem worte: die ehre / der ruhm / das lob des Josefs und der Assenat seind / mitten in der zerstöhrung des Ebreischen und Egiptischen Stahts /geblieben bis hierher / und werden auch bleiben bis alles Irdische sehen wird sein endliches


Ende.

Quelle:
Philipp von Zesen: Assenat, Amsterdam 1670, S. 297-344.
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