6. Ode

[27] Welche an dem hohen Geburtstage Ihro Königl. Majest. in Pohlen und Churfürstl. Durchl. zu Sachsen im Jahr 1734. den 7. Octobr. in der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig den Preis erhalten hat.


Sagt, Musen! was bedeutet dies,

Daß unser Lorberwald erzittert;

Droht ihn etwan ein Erdenriß,

Der ihn von weitem schon erschüttert?

Was für ein ungewohnter Blitz

Umstralt den schattenvollen Sitz?

Will Zeus durch Keil und Donner schrecken?

Wie? speyt vielleicht bey Wuth und Graus

Vesuv und Hekla Flammen aus,

Die sich bis zu den Wolken strecken?


Ihr schweigt! doch Fama, wie man sieht,

Scheint unsrer Gegend zuzueilen,

Ja, ja, sie kömmt; und ist bemüht

Uns sichre Nachricht mitzutheilen.

Bethörte! ruft sie, hört ihr nicht,

Daß Mavors ganz im Zorne spricht?

Er will nicht nur mit Worten dräuen;

Seht, wie er nach dem Küraß greift,

Sein halb verrostet Schlachtschwerdt schleift:

Wer wollte nicht sein Wüten scheuen?
[28]

O, laßt uns doch von ferne stehn,

Das wilde Schauspiel anzusehen;

Und nach dem Platz das Auge drehn,

Wo das Gefechte wird geschehen.

Ihr Musen, kommt, und geht gemach

Dem Wüterich, dem Stürmer nach,

Entwerft sein Thun in neuen Schriften:

Ihr wißt, daß seiner Grausamkeit

Die Griffel der verwichnen Zeit

Ein mehr als schrecklich Denkmal stiften.


Betrügt mich nicht der Augenschein,

So spür ich dort schon ein Getümmel.

Man sieht bey Rasen, Lermen, Schreyn,

Vor Dampf und Staub kaum noch den Himmel.

Ja, ja, es tummelt sich nunmehr

Mit seinem ungeschlachten Heer,

Der Bluthund auf den Ländereyen:

Da ist die tolle Hand bemüht;

Da hilft, wie man mit Schrecken sieht,

Kein Bitten, und kein trotzig Dräuen.


Welch Blutbad! schaut, ihr Musen, an,

Wie die Barbaren metzeln können;

Was Rach und Grimm verüben kann;

Wie grausam ihre Blicke brennen.

Wie viele streckt nicht Schwerdt und Rohr;

Man stelle sich den Blutstrom vor,

Der hier die Felder überschwemmet;

Und dessen roth gefärbte Fluth

Bey schnellem Lauf und wilder Wuth,

Kein Damm, kein starkes Schutzwehr hemmet.
[29]

Seht, wie der Mordgeist überall

Den Stahl erboßt, und hitzig wetzet,

Wie der gedungnen Krieger Schwall

Zugleich mit in die Gegner setzet.

Hier fallen ganze Scharen hin.

Sein Blutdurst und entbrannter Sinn

Läßt sich nicht eher wieder stillen;

Als bis er nach vollbrachtem Schlag

Die ganze weite Flur vermag

Mit kalten Leichen anzufüllen.


Verhaßter Blick! der uns in Graus,

Furcht, Schrecken, und Erstaunen setzet.

Wie greulich sieht die Wahlstatt aus,

Woran sich der Tyrann ergetzet!

Da liegt ein Schedel, dort ein Arm;

Hier siehet man Kaldaun und Darm

Aus der Entleibten Bauche quellen;

Dazu sich ein verrecktes Roß,

Das ebenfalls ein Rohr erschoß,

Im nahen Tode will gesellen.


Hört nur das ängstliche Geschrey,

Das Jammern, Winseln, Heulen, Klagen,

Das man bey solcher Raserey

Hört in die bangen Thäler schlagen.

Wie kocht das Herz! wie schäumt der Mund!

Wie schluckt und rächelt Kehl und Schlund

Der Armen, die verscheiden sollen!

Die nach erlittnem Streich und Stich,

Nunmehro diesem Wüterich

Den allerletzten Odem zollen.
[30]

Blickt hinter euch, da werdet ihr

Ein ander blutig Schauspiel finden.

Der wilden Krieger Wuth will hier

So gar die todten Steine binden,

Sie fällt, so tobend sie nur kann,

Die stummen Wäll und Mauren an,

Und strebt auch da nach Siegespalmen;

Sie sucht durch Minen und Geschoß,

Den stärksten Thurm, das beste Schloß

In tausend Stücken zu zermalmen.


Wie? donnert nicht schon manch Geschütz,

Wovon der Abgrund selber zittert;

Es ist, als wenn von Schlag und Blitz

Des Himmels hohe Feste schüttert.

Mich dünkt, es will des Stürmers Faust

Die hier so schrecklich lermt und haust,

Den halben Theil der Welt verheeren;

Er braucht die äusserste Gewalt,

Als wollt er Feld und Hügel bald

Zerstäuben und in Nichts verkehren.


Schlag, der den Ohren schrecklich fällt!

Knall, der auch weit und breit betäubet!

Ists möglich, daß in aller Welt

Ein Stein noch auf dem andern bleibet!

Wer zählt der Mörser Menge wohl,

Die man bis zu der Sterne Pol

Sieht mit entflammten Ballen spielen;

Und die bey dem erfolgten Fall

Den ungeheuren dicken Wall

Zerschmettern, und im Grund durchwühlen.
[31]

Wen setzt nicht bey dergleichen Noth

Das laute Donnern der Kartaunen,

Das Menschen, Thurm und Mauern droht,

In Furcht und Zittern, und Erstaunen?

Weh dir, du höchst bedrängte Stadt,

Die man erhitzt berennet hat,

Die man im härtsten Sturm bezwinget!

Wie macht der Feuerkugeln Schwarm

Den höchst bestürzten Bürger warm,

Da er in Stadt und Häuser dringet.


Da stürzt ein stolzer Thurm herab,

Der fast im Augenblick verschwindet,

Worunter mancher Tod und Grab

So unverhofft, als schrecklich findet.

Hier lodert wieder ein Pallast,

Der plötzlich Gluth und Flammen faßt,

So bald ein Wurf nach ihm geschehen:

Hier zeiget sich das alte Spiel,

Wie Troja dort im Schutt verfiel,

So daß wir keinen Stein mehr sehen.


Hilf Himmel! was erhebt sich dort

Für ein erstaunenswürdig Krachen?

Will etwan schon ein Allmachtswort

Den Erdenball zum Chaos machen?

Nein, Musen! des Salpeters Macht

Den Mars bis in den Grund gebracht,

Zerreißt den Boden durch sein Knallen;

Er sprengt empor was ihn gedrückt,

Ach! seht, wie aus der Luft zerstückt

Die Körper ganzer Scharen fallen.
[32]

Meynt ja nicht, daß der Wüterich

Nun endlich wieder still wird sitzen;

Werft nur das Aug auf jenen Strich,

So seht ihr schon sein Mordschwerdt blitzen.

Es zeiget sich ein fliegend Heer.

Ists nicht, als wenn hier Pluto wär

Mit ungezählten Höllenscharen?

Ists nicht, als wär in voller Wuth

Der Furien verdammte Brut

Aus Orcus Schlund heraus gefahren?


Tyranne! wie verfährest du?

Bey solcher Wuth ist gar kein Zweifel,

Es geh hier nicht natürlich zu.

Hier toben eingefleischte Teufel.

Kein wilder Barbar und Corsar

Stellt uns dergleichen Beyspiel dar.

Kein Unthier hat so toll gewütet.

Entmenschte Foltergeister, sprecht:

Hat euer rasendes Geschlecht

Ein Drach und Unthier ausgebrütet?


Ihr raubet, plündert, sengt, und brennt,

Und macht die fetten Ländereyen,

So bald ihr sie betreten könnt,

Zu lauter öden Wüsteneyen.

Der Henkerstahl, den ihr ergreift,

Mit welchem ihr so grimmig streift,

Zerfleischt, und würget, was er findet:

So, daß auch oft die zärtste Frucht

Die Mordbegier und Würgesucht

In ihrer Mutter Schooß empfindet.
[33]

Ihr Völker, die ihr bis anher

Die Sclavenfessel habt geführet,

Weil Mavors Schwerdt, Bellonens Speer

Nach euren Häuptern hat gezielet;

Kommt, schildert uns, kann es geschehn,

Das, was wir nur entfernt gesehn,

Ihr aber habt erdulden müssen;

Kommt, mahlt es uns natürlich vor:

Es wird sich unser Musenchor

Dafür zum Dank verpflichtet wissen.


Doch nein; der Sachen beßrer Lauf

Vertilgt des Traurens Angedenken:

Drum reißt uns nicht die Wunden auf;

Laßt uns auf euch das Auge lenken.

Es lehrt euch ja der Ruhestand

Mit froher Brust, und voller Hand,

Frolockend in die Häuser ziehen;

Denn der so sonst bey Schmerz und Quaal

Den Vorrath fraß, die Ruhe stahl,

Soll nun aus euren Grenzen fliehen.


Gnug, daß in euren Mauren nicht

Mehr feindliche Standarten wehen.

Ihr seht der Sterne heitres Licht

Statt blutiger Cometen stehen.

Kein donnerndes Geschütz schreckt euch,

Kein Mordgewehr vollführt den Streich;

Furcht, Angst und Schrecken ist verschwunden.

Es weicht, was eure Ruhe stöhrt,

Weil man von nichts als Frieden hört.

Der sich von neuem eingefunden.
[34]

Zufriednes Land, erwege doch,

Du wirst in Sicherheit gesetzet;

Hier lieget das zerbrochne Joch,

Das Schwerdt das man so scharf gewetzet.

Die güldne Zeit neigt sich herab;

Man reichet dir den Friedensstab;

Der Mangel eilt aus deinen Fluren;

Man macht der Fülle wieder Platz;

Der Unterthan sucht seinen Schatz

Aus seiner Gruben sichern Spuren.


Gesetz und Ordnung schwieg zuvor

Bey Feuerspeyenden Carcassen;

Nun reicht Asträa dir das Ohr,

Den Rechtsspruch wieder abzufassen.

Schau, was für Ruh und Sicherheit

Verspricht man dir auf lange Zeit,

Nach überstandnem Ungewitter.

Die Schaar der Musen giebt sich Müh,

Kein Wiedersacher stöhret sie,

Noch die bisher verstummte Cyther.


Der Kaufmann schreibt, und ist vergnügt,

Da nach verschwundnem Kriegsgetümmel

Sein Wechsel nicht, wie vormals, liegt;

Er hofft und dankt nunmehr dem Himmel.

Der Künstler nimmt die Werkstatt ein,

Wie froh muß nicht sein Herze seyn

Bey jedem Handel und Beginnen:

Weil nun kein Feind die Kunst verweist,

Und ihm das aus den Händen reißt,

Wodurch er muß sein Brodt gewinnen.
[35]

Der Bürger, den man mit Verdruß

Sah täglich an den Wällen kleben,

Umarmt den Weinstock, der ihm muß

Von neuem Lust und Schatten geben.

Der Landmann holet Eg und Pflug,

Die er bestürzt bey Seite trug,

Er pflügt sein Feld mit Lust und Lachen;

Er streut die Körner willig hin,

Weil ihm den Vortheil und Gewinn

Kein Räuber mehr wird streitig machen.


Wie allgemein ist nicht die Lust,

Da der Tyrann entflieht und eilet!

Die Freude herrscht in aller Brust,

Und hat sich überall vertheilet.

Ein schwacher und verfallner Greis

Der von der Welt fast nichts mehr weis,

Wird durch die Freude ganz verjünget,

Da wieder frischer Lebenssaft,

Und der verlohrnen Geister Kraft

In die erstorbnen Glieder dringet.


Die Jugend jauchzt, sie läuft und spielt,

Sie hüpft und springt auf Berg und Hügel,

Und läßt, da sie die Freude fühlt,

Der unschuldvollen Lust den Zügel.

Der Säugling auf der Mutter Schooß

Macht sich aus ihren Armen los,

Und will auch von der Freyheit wissen,

Es scheint, er merkt es selbst nunmehr,

Das Haus sey itzt von Feinden leer

Drum will er auch der Lust geniessen.
[36]

Der Hirte, der in Ställen saß,

Die einem Kerker ähnlich waren,

Streckt sich vergnügt auf frisches Gras

Bey seinen neugebohrnen Schaaren:

Er suchet das verquollne Rohr

Aus seinem Stall und Staub hervor;

Und läßt es höchst erfreut erschallen:

Bald zwingt er mit der Zung ein Blat,

Das er vom Strauch gebrochen hat,

Um seiner Phillis zu gefallen.


O! hört den angenehmen Klang

Von jenem Chor der Schäferinnen;

Gebt acht auf jeder Tritt und Gang,

Da sie der Freyheit Gold gewinnen.

Wie liebreich beut hier Paar und Paar

Im Kreis die Hand einander dar,

Schaut, wie sie tanzen, scherzen, singen;

Als wolten sie den Hirtengott

Nach überstandnem Gram und Spott

Bey solchem Fest ein Opfer bringen.


O Lust! nach jenem Mordgeschrey

Erthönen eitel Jubellieder

Und nach des Feindes Raserey

Erfreut, was Odem holt, sich wieder.

Aus Schwerdtern, Röhren, Stahl, und Spieß,

Das sonst der Krieger Werkzeug hieß

Schärft man die Pflugschaar itzt zum Pflügen;

Das donnernde Metall zerfließt,

Woraus man Ehrensäulen gießt,

Dem ganzen Lande zum Vergnügen.
[37]

Gebenedeytes Sachsen Land!

Erwege dein besondres Glücke

Was hält des tollen Feindes Hand

Von deinen Grenzen noch zurücke?

Der Himmel Ja! doch nicht allein;

Dein Friedrich August muß es seyn,

Der dich durch seine Klugheit schützet;

Der Held, der dich so liebt und hegt,

Verwehrt, daß dich kein Mordschwerdt schlägt,

Weil er den Frieden unterstützet.


Die Fittige beschirmen dich,

Die dir sein weisser Adler schenket,

Sein Churschwerdt wiedersetzet sich

Dem, der dich in der Ruhe kränket.

So lange dieser Janus wacht,

Ist der nur auf dein Wohl bedacht,

Kannst du vergnügt und ruhig schlafen;

Wenn andern Sturm und Wetter dräut,

So liegst Du mit Zufriedenheit

In deinem stillen, sichern Hafen.


Zwingt, Musen, eurer Flöten Thon,

Kommt, dichtet nichts als Helden Lieder,

Und legt sie vor des Königs Thron

Mit Ehrfurcht, ja mit Demuth nieder:

Besingt statt meiner diesen Tag,

Den man frohlockend feyren mag;

Mich hemmt die Furcht mit strengen Banden.

Drum schweigt mein Kiel, der heimlich spricht:

Wie herrlich ist Augustus nicht

In Ihm von neuem auferstanden!

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 27-38.
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