2. Scherzgedichte

[159] Auf einen Namenstag.


Dein Schmeichelkiel sucht mich in Preussen,

Ich soll und muß ein Dichter heissen,

Wie wunderschön klingt dieses nicht;

Doch, bin ich gleich kein Hauptpoete,

So greif ich doch nach meiner Flöte,

Da dieser frohe Tag anbricht.


Der Tag ermuntert meine Sinnen;

Was könnt ich edlers wohl beginnen,

Als dies bey deinem Namensfest?

Doch liebste Musen! helft mich retten,

Hand, Geist und Einfall liegt an Ketten,

Da mich mein Pegasus verläßt.


Bald sangst du aus recht hohem Thone,

Und kämpftest um die Dichterkrone,

Die Phoebus dir längst zugedacht:

Bald war dein kauderwelsch Gedichte

Ganz voller schönen Mordgeschichte:

Das hat den Klepper scheu gemacht.


Doch alles dies soll mich nicht schrecken,

Mich in ein lustig Kleid zu stecken,

Zu singen, wie dort Canitz sang.

Das schöne Fest will solches haben,

Drum laß ich meine Feder traben,

Doch sonder allen Putz und Zwang.
[160]

Was wünsch ich denn, Herr Namensträger

Dir, als der Musen besten Pfleger,

Das dir recht sanft und kirre thut?

Laßt Schwestern, mir dafür nicht grauen,

Und lang an meinen Nägeln kauen,

Seyd mir nur dies mal hold und gut.


Ihr seyd es auch, wie ich schon merke,

Drum schreit ich auch nunmehr zum Werke,

Und fange mit den Wünschen an;

Die Nymphen, so das Rund der Erden,

Schon hegt, und noch gebohren werden,

Die bleiben dir stets zugethan.


Es schmecke dir der Saft der Reben

Noch funfzig Jahr in deinem Leben,

So trinkst du lange, werther Freund.

Der Parcen Faden halte feste,

Damit der Tod vor deinem Neste

In vieler Zeit noch nicht erscheint.


Nimm hier mit meinem Wunsch vor Willen,

Den Glück und Vorsicht wird erfüllen,

Sie müssen wohl, du bist es werth.

Ich weis dir weiter nichts zu schenken,

Als mein beständig Angedenken,

Ein Schelm, der mehr von mir begehrt.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Vermischte Schriften in gebundener und ungebundener Rede, Göttingen 1739, S. 159-161.
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