An die Frau von Breßler

[122] Mein Engel! deiner Huld ist sicher nichts zu gleichen,

Ich tauschte, glaube mir, davor kein Käyserthum,

Wie könt ich selbge wohl in höhern Grad erreichen?

Dein gantzes Hertz ergibt sich mir zum Eigenthum.

Du schmeichelst meinen Blat, als ob es dich ergötzte,

Galante Breßlerin, wie schertzt dein netter Kiel?

Ja wann selbst deine Hand die Sylben vor mich setzte

So glaub ich, daß so dann dir meine Schrift gefiel.

Mein Unvermögen will mich mehr als deutlich lehren,

Daß meine Stümperey vor nichts zu schätzen ist;

Der Ruhm, der dir gebührt, kan mir nicht zugehören,

Ich weiß mehr als zu wohl, daß du die Sonne bist.

Drum müssen wir vor dir uns wie die Sterne neigen;

Gesetzt, daß auch dein Strahl uns Licht und Glantz verleiht,

Kan doch der Schimmer nicht so hoch, als deiner, steigen,

Denn alle Welt erkennt an dir die Treflichkeit.[123]

Der gantze Musen-Chor muß mir hier Beyfal geben,

Und also bleibt diß Blat von Lacq und Schmincke frey.

An meinen Hertzen sieht man keinen Fürniß kleben,

Drum haßt so Mund und Kiel auch alle Heucheley.

O! Soll ich nicht einmahl den frohen Tag erblicken?

An den ich, Edle, dich persönlich küssen kan,

Die Freude würde mich aus Schranck und Zirckul rücken,

Ich träffe gantz gewiß schon hier den Himmel an;

Dein Umgang würde mir die Stunden süsse machen,

Ich speißt' und träncke nicht, so lang ich dich vor mir,

Du Pallas unsrer Zeit, leibhafftig sähe lachen,

Denn meine Sehnsucht ist gar ungemein nach dir.

Jedoch was gieß ich Oel in meiner Sehnsucht Flammen?

Was greiffet meine Hand nach Schatten, Wind und Lufft?

Ich weiß, wir kommen doch, mein Engel, nicht zusammen,

Denn zwischen mir und dir ist eine grosse Glufft.

Diß muß mir allen Schmertz, Annehmlichste, versüssen,

Daß ich, obgleich dein Mund von mir entfernet heißt,[124]

Noch deine Feder kan an jenes Stelle küssen,

Die mich mit Ambra-Kost und Lieblichkeiten speißt.

Laß deine Muse mich fein öffters nur besuchen,

Ihr Zuspruch flösset mir so Geist als Leben ein.

Will das Verhängniß gleich uns durch Entfernung fluchen,

So soll doch unser Geist beysammen stündlich seyn.

Hör ich von deinen Wohl, so will ichs mit dir theilen,

Und schreckte dich ein Fall, so fühlt ich auch den Riß;

Denn wohntest du von mir noch mehr als hundert Meilen,

So würckt die Sympathie doch zwischen uns gewiß.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 122-125.
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