Cantata

[168] Aria.


Angenehmsten Blicke!

Kommt und eilt zurücke,

Ach ich sehne mich.

Sonder euch zu leben

Ist mir nicht gegeben,

Komm mein andres Ich.


Entflohner Damon, meine Brust

Weiß jetzo leider! nichts von Schertzen, Freud und Lust,

Drum eile doch, ach eile bald zurücke,

Weil ich mich schon im Geist an dir erquicke.

Beflügle deinen Lauf,

Denn Phyllis wartet ängstlich drauf.

Ists möglich, daß du dich so lange kanst entfernen?

Welch widriges Verhängniß von den Sternen,

Gedenckst du nicht bald auf die Wiederkehr?

Dich zu entbehren fällt mir schwer.


[169] Aria.


Könnt ich nur mein Hertz bekommen,

Das mir Damon mitgenommen,

Doch es kan nicht möglich seyn.

Nun er mag es auch behalten

Und mit selbgen schalt- und walten,

Es gehört ihm gantz allein.


Ich kan mich nicht vor unsrer Welt verstellen,

Ein ieder mag sein Urtheil drüber fällen,

Mein Hertze liebet was, das liebenswürdig heist

Und mir recht viel Vergnügen weist.

Verlacht mich immerhin

Ihr spöttischen und höhnschen Seelen!

Ich laß ihn doch nicht aus den Sinn

Und werde weiter nichts zu meiner Lust erwehlen,

Als Damon, den mein Geist mit sehnlichen Verlangen

Wünscht balde zu umfangen.


Aria.


Ich küß euch schon, ihr schönen Wangen /

Den euer allzu holdes Prangen[170]

Hat mich zu dem Geständniß bracht.

Ohn euch wird mir das Rund der Erden

Zu einen düstern Kercker werden,

Biß mir die Sonne wieder lacht.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 168-171.
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