Cantata

[206] Aria.


Unter diesen grünen Schatten

Sucht sich Blatt und Laub zu gatten,

Und die holde Nachtigall

Zeigt durch ihren Zauber-Schall,

Daß die Flora wiederum, Geist und Seele zu erquicken,

Sich mit ihrer Hofstatt läst in Gezelt und Lager blicken.


O was vor Zucker-süsse Lust

Empfindet die recht neugebohrne Brust!

Beliebter Lentz! du Printz der Jahres-Zeiten,

Ich bin in dich verliebt, denn deine Lieblichkeiten

Sind werth, daß man dir nur allein

Sein Hertze muß statt Opfer streun.

Es mögen andre sich in Amors Fluhr vergaffen,

Ich habe nichts mit ihm zu schaffen.

Dir, angenehme Gegend, will

Ich künfftighin in aller Still[207]

Und Einsamkeit, wie könt ich schöner leben?

Mein Hertz und meine Freyheit geben.


Aria.


Schliest mich, ihr schönen Püsch und Auen!

In euren bund beblümten Schooß.

Euch will ich eigen zugehören,

Ihr reitzt mich immer mehr und mehr,

Uns soll kein Neben-Buhler stöhren,

Und wenn es auch ein Paris wär.

Da Capo.


Ja solte mich gleich Cypripor,

Mit seiner Amouretten Chor,

In diesem Lust-Revier

Allhier

Auch heimlich überschleichen;

Um mein an euch bereits verschencktes Hertz;

Durch seinen schmeichel-vollen Schertz

Und Arglist zu erweichen,[208]

So würd ich diß

Ihm gantz gewiß

Und droht er mir auch gleich mit hundert tausend Pfeilen,

An statt der Antwort bald ertheilen:


Aria.


Du kömmst wahrhafftig viel zu späte,

Mein Hertz ist schon bereits verthan.

Man muß dem erstern treu verbleiben

Denn Zweyen sich zugleich verschreiben,

Geht, überleg es selbst, nicht an.

Da Capo.

Quelle:
Christiane Mariane von Ziegler: Versuch In Gebundener Schreib-Art, Leipzig 1728, S. 206-209.
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