1908.

[1830] Mel. Da Jesus an dem creuze etc.


1.

Ich bin ein purpurwürmlein roth, das man zerquetscht bis auf den tod, den saft nur zu erlangen; mein saft ists rosinfarbe blut. Wohl denen, die es fangen!

2.

Schau, wie ich im ölgarten werd getreten als ein wurm zur erd, wie ich mich[1830] krümm und schlinge, daß mir vor angst der rothe saft aus allen adern dringe.

3.

Am creuze wird mir meine seit mit einem speer geöffnet weit, draus blut und wasser pletschet; bin ich denn nicht ein armer wurm, den man trit und zerquetschet?

4.

Wie blut ist deine sünde roth, darum erfordert es die noth, daß ich sie blutig büsse; ohn blutvergiessen war sonst nichts, daß sie sich zahlen liesse.

5.

Mein blut das ist der purpur-schmuk, darinnen du hast recht und fug vor deinen Gott zu treten, magst als ein priester schön geziert für deine sünde beten.

6.

Der könig trägt ein purpur-kleid; mein purpur-saft hat dir bereit't die königliche müße, die du im himmel tragen solt mit freud vor meinem sitze.

7.

Wenn dich die aufgeblasne welt gleich für ein armes würmlein hält, darf dich es nicht betrüben, sie hat mirs auch zuvor gethan, bin doch ein könig blieben.

8.

So bin ich worden dir zu gut ein würmlein, das mit seinem blut den herz-wurm hat getödtet, daß er dich nicht mehr nagen darf, weil dich mein blut erbetet.

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 1830-1831.
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