1957.

[1871] Mel. Jesus Christus blik dich an.


1.

Denke an die Creuz-Gemein, die mit dir verbunden, die sich nirgends kan erfreun, als beyn blutgen wunden.

2.

O Jerusalem, die stadt über uns da droben, die nun sieht, und fühlt und hat, was uns aufgehoben!

3.

Wärn wir keine sünder nicht; hätten wir kein Lämmlein, hätten auch so gar kein licht, und kein gnaden-flämmlein.

4.

Aber weil das Gottes-Lamm nun für uns gestorben, hat es uns am creuzes-stamm licht und geist erworben.

5.

Und wir freun uns[1871] allezeit, wenn wir dran gedenken, daß er seine offne seit uns hat wollen schenken.

6.

Wie muß dir zu muthe seyn, wenn du das geniessest, und die vorge angst und pein durch ihr blut versüssest!

7.

Wir sind noch im creuz-revier, wallen auf der erden, sollen unserm Lamm allhier noch zum lobe werden;

8.

Das gibt uns zufriedenheit, daß wir nicht so eilen, und uns nach gelegenheit länger hier verweilen:

9.

Doch fallt uns auch manchmal ein, wenn wir bey euch wären! möchten gern im obern reyhn euer Lamms-lied hören.

10.

Denk an uns, du selge schaar! denkt an eure brüder; Jesus ists auch uns wol gar, wir sind eure glieder.

11.

Eh ihrs etwa selber glaubt, werden wir euch grüssen, und so bald ers uns erlaubt, seine wunden küssen.

12.

Helft indessen unserm thor, helfet uns mit streiten; sagets unserm Lamme vor, daß wir von den leuten,

13.

Daß wir eure brüderlein, arme, arme sünder, möchten gerne bey euch seyn, wie die andern kinder.

14.

Gebt dem Lamm ein gutes wort, daß es möge eilen, und nicht nur alleine dort sich bey euch verweilen,

15.

Sondern zu uns kommen mag, und auf unsern gassen sich zum grossen hochzeit-tag balde sehen lassen.

16.

Da wolln wir beysammen seyn, Eine stätte haben, und uns an der seite schrein mit einander laben.

17.

Da soll seine seitenkluft ihre herrlichkeiten, wie der blitz thut in der luft, über alles breiten.

18.

Unterdessen wolln wir hier denken, weinen, beten, bis das Lamm ins kirch-revier kömt herein getreten;

19.

Wollen seine priesterschaft auf die herzen legen, bis sich seine königs-kraft selber wird erregen;

20.

Unterm creuz und schmach und spott zeugen von dem leiden, bis er selbst als Herr und Gott da steht vor den Heiden.

21.

Wir gehn euren schritten nach, die ihr vorgegangen, tragen seine schöne schmach, die euch vor umfangen.

22.

Aber ist es nicht bald zeit, währt es nicht zu lange? Uns wird über manchem leid je zuweilen bange.

23.

Selge glieder! lebet[1872] wohl, ruht in stillen frieden, bis einmal die summa voll, die daher beschieden.

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 1871-1873.
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