2029.

[1915] Will iemand noch ein ebenbild der magd Marien schauen, der jungen frauen, die wieder ledig worden ist um Jesum Christ, und als sie den empfangen hat, des vorgen zimmermanns ehe-gatt, ein beyspiel das so wunder-rar; (denn welch mensch überholt die menschlichkeit, und wird nicht vor geistlicher freud ein narr?) so seh er sich manch junges lamm, das erstlich aus den kirchen-kindern kam, in seinen wundervollen wegen voll segen, und seinem männer-mäßgen plan, recht an.

Wir ruffen selbst die neue Welt zum zeugen: erwehlte[1915] nicht der dortge läster-geist, der guts und böses durch einander schmeißt, weil er so kinder doch nicht loben wolt, und wuste nicht recht, was er tadeln solt, das schweigen?


Chor.


Doch sind sie sünderinn'n: sie haben stets im sinn, wer sie eben wären, und was sie für gewinn erlangten und für ehre, wenn sie ihr geräth schmükten früh und spät, und das Lamm nicht thät.


Recit.


Die hüter sehn dergleichen herz im ersten anfange mit schmerz in seiner seltnen gnade an, und denken mit verlegenheit daran, daß solche ausserordentliche sachen zuweilen kein gut ende machen: dann weinen sie dir das versgen für:


Aria.


Verbirg ihre seel aus gnaden in deine offne seit, rük sie aus allem schaden in deine seligkeit.


Recit.


Weil aber diesem weichen thon die veste resolution (die sonsten eine von den desperaten) gerathen, die sinnen alle zuzuthun, und in den blutgen segen der armen sünderschaft zu ruhn, so gebet, unbeschadt der sünder-hütt, ein solch jungfräulich heer mit öle (in dem gefäß der seele) dem bräutgam mit untadelhaftem schritt entgegen.


Recit.


So gern man allemal, ihr kleinen wunder! höret, daß eure auserwehlte zahl sich auf vielfältge art vermehret, und daß ihr unserm Kirchen-Mann so lange dient als man nur kan; daß euer geist, der hoch geehrt, so lange noch in der unehr verkehrt, bis Jesus einmal selber kümt, und euch in seinen armen an sich nimt, so ist doch alles gleich gesinnt, was so ein seligs gnaden-kind sieht in den arbeitsamsten stunden (bey aller süßigkeits-indifferenz) euch ohne alle maaß und grenz zu gönnen, euer stets daheim-seyn in den wunden.


Chor.


Rahe wunden Jesu! sie sind nicht gerne um ein gespaltenes haarbreit ferne von eurer hohl.


Recit.


Nun, obre Kirche, Christi taube! das grosse mädgen-heer, und die gesamten jungfern-chör, et reliqua familia, prosternunt supercilia mit dir vor ihrem mann in staube.


Chor.


Herr Jesu Christs sein tod, der schweiß in seiner noth, die vier nägel-kringe, das seiten-loch so roth, spar'n euch als siegel-ringe in der letzten zeit vor der herrlichkeit, ihm und uns zur freud.[1916]

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 1915-1917.
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