2140.

[2011] Mel. Du wollest uns das etc.


1.

Mein armes herze schämet sich der segen, die sich im chor der ledgen brüder regen.

2.

Wie manchen hast du seit der zeit erwehlet, und deiner Creuz-Gemeine beygezehlet.

3.

Man sieht itzt hundert, wo vor wenig jahren kaum neun und zehn zu finden möglich waren.

4.

Theils hatte schon die welt dahin genommen, theils zehlten sich zu den entschlaffnen frommen.

5.

Nun lernen sie zugleich die wunden kennen, und ihre herzen fangen an zu brennen.

6.

Zu ihrer desto bessern seelen-pflege, hast du's gerichtet in die selge wege,

7.

Daß wir aparte wohnungen erbauen, da wir das theure chor beysammen schauen.[2011]

8.

Man sieht in diesen neuen Gottes-häusern, daß sich auch neue gnaden-regung äussern.

9.

Ich schäme michs, wenn ichs will überlegen, ich kan nichts thun, als danken für die segen;

10.

Und für die gnade in den ledgen chören die durchgebohrten händ und füsse ehren.

11.

Gib uns den sinn, der die Maria zierte, die sich nicht ohne deinen willen rührte.

12.

Und sich in allen dir so überlassen, daß sie dir könt' in deine absicht passen;

13.

So solt du alle unsre brüder haben; du solt dich noch an unsrer einfalt laben.

14.

Wir dienen, wenn du wilt, zu land und seen, und wenn du wilt, so gehn wir in die ehen.

15.

Wir wollen uns dir völlig übergeben; wir wolln als kinder der Gemeine leben.

16.

Und was uns bringt aus diesen gnaden-schranken, der vorwitz und vorläuffige gedanken,

17.

Das tilge heute noch aus unsrer mitte, und heilge unsern geist und seel und hütte.

18.

Laß leuchten in dem dir geweihten saale der händ und füsse ihre nägel-maale.

19.

In stunden, classen und in viertelstunden da funkle deine seit und alle wunden.

20.

Zerschmelze aller ledgen brüder herzen, wenn sie hier vor dir sind, durch deine schmerzen;

21.

So daß wir nie zusammen kommen mögen, daß sich nicht solt ein neuer segen regen.

22.

Schik uns auch deine engel auf die säle, wo wir itzt schlafen nach der leibes-höle:

24.

An statt daß wir was anders phantasiren, laß sie uns mit dem blik der wunden rühren.

23.

Um unsrer brüder ihre keusche betten ziehn deine engel unsichtbare ketten;

25.

Daß wir das bett für so ein plätzgen halten, als unsrer seele sind die wunden-spalten.

26.

Ach heilge unsern leib und auch die seele durch eine füllung mit dem priester-öle.

27.

Und weil du weist, daß mancher schon verführet, ders noch in seiner äussern hütte spüret;

28.

Ihm ist sein einfalts-wesen weggenommen, was[2012] kostet dichs, so wird es wieder kommen,

29.

So wird ein ieglicher sich als von neuen in seinem stand zum tempel Gottes weihen,

30.

Und seine hütte in den künftgen jahren untadelich und heiliglich bewahren.

31.

Mein Lamm! du bist auch so wie wir gewesen, durch dich ist manch verführtes herz genesen.

32.

Du hast empfunden alle menschen-plagen; du hast die glieder alle auch getragen,

33.

So wie wir sie an unserm leibe finden, und du bewahretest sie ohne sünden.

34.

Drum sollen auch zu ehren deiner glieder, die glieder heilig werden unsrer brüder.

35.

Besonders ehre Gott die erste wunde, die du krigtst im gefolg von Abrams bunde.

36.

Wenn er das thut, so schwör ich seinem namen, daß seins Sohns leute keusch seyn sollen. Amen!

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 2011-2013.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol / Anatols Größenwahn

Anatol, ein »Hypochonder der Liebe«, diskutiert mit seinem Freund Max die Probleme mit seinen jeweiligen Liebschaften. Ist sie treu? Ist es wahre Liebe? Wer trägt Schuld an dem Scheitern? Max rät ihm zu einem Experiment unter Hypnose. »Anatols Größenwahn« ist eine später angehängte Schlußszene.

88 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon