27. Auf den ehrwürdigen Greis, den Landes-Aeltesten von Schweinitz

[81] 1723.


Mein Vater, soll ich dich von denen Tempel-Stufen,

Die dein erfreuter Geist als im Triumph besteigt,

In diese Zeitlichkeit bestürzt zurükke rufen,

Wo du, gar Lebens-satt, das graue Haupt geneigt?


Nein, nein! Doch rufe ich, auf die erhabnen Zinnen,

Wo, bey des Lammes Stuhl, dein Lammes-Wesen steht,

Dir nach: Du eilst zu früh und auch zu spät von hinnen!

Mir deinem Sohn zu früh; der Sehnsucht viel zu spät.


Du bist der erste Freund, den ich in diesem Lande,

Als einen edlen Knecht von unserm Herrn gegrüßt:

Du, eine rechte Zier dem adelichen Stande,

Ihm, dem das Christenthum so wunder-seltsam ist.
[81]

Du warst schon Kammerherr bey Churfürst Hans Georgen,

Ein Hofmann ehemals, dann Landes-Aeltester;

Es denkt das ganze Land noch deiner Vater-Sorgen,

Und rechnet deinen Ruhm der späten Nachwelt her.


Worinnen stande nun dein dauerhaftes Glükke?

Nicht im bey Hofe seyn, du flohest bald nach Haus:

Vom Landes-Amte rief dein Alter dich zurükke:

Nicht in der Ehe selbst, Du lebtest alles aus.


Die Werke sinds allein, die sind dir nachgefahren;

Jedoch durch Werke wird ja kein Verdienst geschafft,

Der Glaube kan allein zur Seligkeit bewahren;

Ich meyne auch das Werk des Glaubens in der Kraft.


Wohlan, der Alten eins, vor unsers Lammes Throne,

Geh, liebes graues Haupt! geh hin, um auszuruhn:

Geh, wirf, mit matter Hand, die angebotne Krone

Dem Könige zu Fuß: Entschlaf im Frieden nun.


Dein Angedenken soll in meinem Leben grünen,

Der treue Gottes-Knecht, mein lieber Rothe, wird

Mir zur Erinnerung von deiner Liebe dienen,

Er, deiner Enkelgen so treu erfundner Hirt.


Dein Sohn und Tochter sind an deine Stelle kommen:

So väterlich ich dich geehrt; so brüderlich

Bin ich in ihre Gunst und Freundschaft aufgenommen,

Dem Evangelio zu wandeln würdiglich.


Dein Einfalts-Wandel soll viel andre Seelen rühren,

Und deine Kinder gehn dieselbe Strasse mit;

Was will ich also noch viel panegyrisiren?

Der Sohn bekennet dich dem Vater.


Sufficit.[82]

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 81-83.
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