65. Auf des Baron Kittlitz Heirath mit der Gräfin Henriette Henkeln

[181] 1728.


Was Unterschiedne thun, kan unterschieden seyn.

Die Alten freyten dort, und liessen sich auch freyn:[181]

Die Engel freyen nicht, die Kinder Gottes freyen;

Und ist Gefahr dabey, so kan es auch gedeihen.

Wer nicht recht theilen kan, dem klingt es fürchterlich,

Sobald das Wort erschallt: Der, die verehlicht sich;

Wenn diese sich dem Herrn zum Eigenthum verschrieben,

Wenn jener bis daher des Herren Werk getrieben.

Mein Herz! was dachtest du? was fiel dir drüber ein,

Als erst die Rede ging: Die Henkelin soll freyn?

Der Baron Kittlitz will ein Kind des Höchsten haben;

Er sucht nicht irdische, er sucht vollkommne Gaben.

Er hat so unrecht nicht, (gedachtest du, mein Herz;)

Allein, das Freyen ist den Christen ausser Scherz:

Wenn Henriette sich doch ja nicht übereilte,

Und (weils ihr Gott vergönnt) sich noch mit niemand theilte.

Wer weiß, (erholte sich die Ueberlegungs-Kraft,)

Ob dieser Ehestand nicht viel gedeihlichs schafft?

Hat nicht manch theures Weib den Mann, der sie erwehlet,

In Jesu Christi Grund noch tiefer eingepfählet?

Mein Denken endigte sich mit Gebet und Flehn;

Wohlan! dahin allein soll meine Bitte gehn,

Erseufzt ich: Theurer Freund und Bräutigam der Herzen!

Entzünd in diesem Paar der reinen Liebe Kerzen!

Entflamm ein jegliches mit Deiner Freudigkeit!

Dein Eifer um das Haus des Vaters sey ihr Kleid!

Dein sanfter Liebes-Sinn sey ihr Geschmuk von innen!

So wird auch diesem Paar die Welt nichts abgewinnen.

So stürzt für diesesmal der aufgehaltne Fluß

Der Sinnen aufs Papier, das ich ergreiffen muß,

Um meine Redlichkeit den beyden lieben Häusern,

Die Gott verbunden hat, mit wenigem zu äussern.

Lebt, Hochgeliebteste! und da ich noch nicht weiß,

Ob Baron Kittlitz nicht auch Bruder Kittlitz heiß;

So wag ichs auf den Herrn ihn brüderlich zu segnen:

Ihm müsse alles das, was Brüder trift, begegnen!

Warum erwehlt er sich ein Weib zum Eh-Gemahl,[182]

Die aus der sonderlich erkauften Schwestern Zahl?

Wer Schwestern freyen will, der muß als Bruder leben;

Sonst kan sich ihm kein Herz, das Jesu ist, ergeben.

Man hat nicht Sicherheit, wenn man ein Jesus-Pfand

In seine Arme nimt, und nicht aus Jesu Hand:

Der ihm die Frau geschenkt, der schenk ihm überschwänglich

Creutz, Schmach und Seligkeit, und alles unvergänglich.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 181-183.
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