2183.

[2062] Mel. Das ist meine lust, etc.


1.

Mährische Gemein! Blut und Wunden-schein, Seiten-höhl und Nägel-maale sey bey diesem liebes-mahle dir recht innig nah: denn dein Lamm ist da.

2.

Thue einen blik in die zeit zurük, da vor dritthalbhundert jahren deine selige[2062] vorfahren litten schmach und spott, ja den marter-tod.

3.

Und seit dieser zeit hat zwar weit und breit dieses Kirchlein viel gelitten, weil der feind gar hart gestritten, doch das blutge Lamm half dem Mährschen stamm.

4.

Dein anmuthigs licht kannte Jesum nicht in der schönen leidens-farbe, an der blutgen wunden-narbe, und sein todes-schmerz kam nicht recht ans herz.

5.

Doch führt er dich aus, und von hof und haus, unter seinen treuen händen must'st du dich nach Teutschland wenden; erst sah man nicht ein, was das solte seyn.

6.

Ein'gen ward zum lohn eine märtrer-cron, und ihr göttlichs zeugen-leben im gefängniß hinzugeben, nach der väter weis, war ihr sieges-preis.

7.

Aber weil das Lamm, namens Wundersam, sich in diesen letzten zeiten gerne wolt ein volk bereiten, das sein herz erfreun und solt seine seyn;

8.

Gibt es hirten her, die dich mit der lehr seiner Wunden müssen weiden, und sein bittres todes-leiden wird das kirchen-licht, das ob dir anbricht.

9.

Blut- und Lamms-Gemein! vester Ambos-stein, auf den ewgen fels gegründet, an dem man so fühlbar findet apostol'schen geist, der sich auch beweist.

10.

Unser Jesus Christ, der dein Ältster ist, thu dich durch die zeiten führen, und durchaus legitimiren, so siehts auch die welt, wer dich schützt und hält.

11.

Volk! durch dessen hand nicht allein Teutschland, sondern so viel nationen, auch wo wilde leute wohnen, sind mit blut berührt, und zum Lamm geführt.

12.

Alle deine kraft ist der Wunden-saft: übers wort von JESU leiden solst du unter Jud' und Heiden halten, bis der Hirt selber kommen wird.

13.

Doch bey diesem schein bleibe du fein klein, blitz'st du oft wie heeres-spitzen, must du gern im schatten sitzen, zu des Heilands fuß bey dem blut-genuß.

14.

Beuge dich auch heut, und denk allezeit, ob du schon dem Lamm gehörest, was du ohne Lamm wol wärest. Braut des Lamms! behalt seine creuz-gestalt.

15.

Und dann als ein held[2063] wieder durch die welt, daß der feind von aus und innen dir nichts könne angewinnen, weil des Vaters macht drinn und draussen wacht.

16.

Deine thränen-saat wächst auf Gott's parat, wo man vor gestreut mit weinen, o da wachsen Blut-Gemeinen, daß kein zährlein sey, welches nicht gedeyh.

17.

Liebe Mährsche Kirch! nimm du und verbirg in den schoos der Mutter-pflege und ins heilge Creuz-gehege alles was nun dein, und darfs ewig seyn.

18.

Welch ein gnaden-tag über Christi Haag! o du edle Lamms-Gemeine, Blut und Wunden halt dich reine. Heilger Kirchen-leib! bleib sein keusches weib.

19.

Und du Pilger-heer! wachs zu Jesus ehr, gib den säuglingen zu essen, von dem was dir zugemessen, und wer liebes-krank, dem gib wunden-trank.

20.

Und du ewigs Wort! halt in deinem hort die Blut-bundes-Ehgenossen, halt sie selig eingeschlossen in der seiten-kluft, bis dein donner ruft.

Balthasar Fried. Graf von Promnitz.

1742.


Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 2062-2064.
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