2220. Zum Fest der Beschneidung

[2102] Mel. Heilige dir deine leute.


1.

Haupt Öconomus der reihen die als jünglinge gedeyen beym gnaden-volke, beym Kirchelein, zum heilgen seiten-schrein, zu der durchgrabenen hände weh, & proprie, zur allerheiligsten bundes-wunde, die's knäblein Jesus am glied empfunde, das sonst pudendum, die schaam genannt, zu ewger schmach verbannt; aber durch diesen schnitt den Er an[2102] sich erlitt', das ehren-zeichen das ihm gebührt wieder recuperirt, und zum verendo wird, bis sich die Männin gürt'.

2.

Sey mit hundert tausend zähren angebetet von den Chören, denen der tieffe geheime bund, lob sey der Pleura! kund; dazu Du sie seit derselben zeit eingeweyht, seit dem die tröpflein von dieser wunde, die sonst kein menschliches herz empfunde, sich her bewegten vom heiligthum, und in dem Chor herum durch alle theile fuhr'n, so daß man bald die spurn im blik des geists durch die hütte sah, und die systemata der alten schand-ideen ansingen zu vergebn.

3.

Mein Gott! welch umsturz entstunde, da die heilge erste wunde die Chöre rührte so heiliglich, als sie der seiten-stich mit blut und wasser beströmet hatt', und gebad't. Mit solch allmächtigem Geists-beweisen fing diese wunde an sich zu preisen; das junge Purschen-Chor nomine & simul omine, ward zu der kirchen freud, rum gekehrt und geweyht zum jünglings-volke. Es hieß: wohl, an! Ave beym kirchen-plan-Ave, du jünglings-heer, des jünglings Jesu ehr.

4.

Das war sacramentlichs wehen, das vertrieb die welt-ideen, und renovirte der schöpfungs-gnad indigenat: man dachte nicht nur nicht mehr im Chor wie zuvor, man durfte auch nicht in suspenso leben, noch sich ins vacuum nein begeben, man dachte wie unser schöpfer dacht', da Er den menschen macht', man sah den ganzen plan des baus der hütte an, die heilge destination von dem beseelten thon, wie Jesus Jehovah ihn erst als jüngling sah.

5.

Dann ward's hüttlein auch tingiret, und durchaus mortificiret an allem wo sonst der gift gehaust, und auch wol raus gebraust, der convulsive schmerz vom bunds-schnitt riß alles mit, was noch zur sündlichen kraft gehörte, die leichnamshaftige kraft zerstörte, und das natur-rad das immer windt an der activen sünd: durch ihr tumultuirn ihr gift zu exerirn, der schnitt der von des Lamms ehrwürdgem glied die geburts-orle schied, machte den jünglings-zeug der Jesus-leiche gleich.[2103]

6.

Auch ward rath für alle schwächen, für das kränkeln und gebrechen, die's hütten-elend so mit sich bringt, wo dieses Blut durchdringt, wenns auch das schwächlichste hüttgen wär, noch so sehr durchs sünden-übel debilitiret, auch da, ja just da, legitimiret sich unaussprechliche Gottes-kraft, die an der wunde haft't, auch ausserordentlich, sobald die seelen sich mit dem inwendigsten herzenshang, aus tieffem elendsdrang, ins Lämmleins schooß salvirn, wer wolt sie attaquirn?

7.

Da wich die feroce mine, und der Lammes-blik erschiene, aus dem gebrochenen augen-licht, in der jüngling' gesicht, die so geschlachte geschmeid'ge art offenbart sich an den seliglich tief gebognen, mit Jesus-haftigkeit wie durchzognen jünglings-gliedmassen: da zeiget sich nichts, das dem Lamm nicht glich. Das hüttgen ist so da, man sieht was man sonst sah; nur blikt was von der Agnia vor aus dem gesammten Chor, die sich am zimmer-g'selln, Josephs sohn, vorzustelln.

8.

Die natur hat sich verfangen, daß der kraft nichts abgegangen: es ging wol freylich mehr sacht und leis' auf dem durch schnee und eis, durch wind und wellen und Ocean waltenden plan; aber doch selig, saftig und blutig, warum? das wach-thor war wunden-muthig und mit dem siegel der jünglingschaft ins bundes-gliedes kraft zum segen expedirt und so legitimirt sich die Chor-gnade und zeugen-plan unter uns von dem an. Was muß dem Lämmelein ein eingericht't herze seyn?

9.

Lamm! zu diesem Chorvorrechte halfst du unserem geschlechte durch einen seligen led'gen mann, dem gabst du deinen plan, und halfst, so schwer es auch mochte seyn Ihm glüklich nein: du selber fülltest ihm seine hände zum absolviren ohn alles ende, zum segnen, bis das sein theures Chor getrost nahm den Essor und nun steht selig da, in Philadelphia. Nun kömmts, warum er so oft geweint, nun strahlt und blitzt und scheint der ersten wunde strahl wundenhaft überall.

10.

Auch hat unser liebes herze obwol stets mit jünglings-schmerze[2104] eine menge seiner jünglinge zum plan der heilgen eh' nachs kirchleins absicht heraus sortirt, und eingeführt, die sich noch alle vorm Lamme beugen für ihre gnade im jünglings-reigen: und was noch ledig und jüngling ist, das möchte gern dem Christ so völlig ähnlich seyn, bis kein gebeinelein mehr überbliebe, daß nicht zur ehr' Jesu des Jünglings wär. Im herzen und im blik zu sein- und andrer glük.

11.

Denn auch das ist Gottes stunde, wenn so ein herze, eins aus dem bunde der Jesushaftigen jünglinge, fortgeht zur heilgen eh': es that wol schmerzlich; doch wenn das Lamm schon selber kam und ruffte einen knecht seiner Chöre so eine ledige Jesus-Ehre zu einem gliede der Ehgemein, um da auch was zu seyn Ihm und dem ganzen volk der Philadelphschen wolk, so freute man sich der künftgen zeit, dachte mit herzens-freud und so von jahr zu jahrn was neues zu erfahrn.

12.

Nun wohlan Gott Consecrator Gott Mann aller welten Stator, und du Gott Präses der curatel der Kirch und ieder seel! seyd alle drey, doch ihr seyd ja da, dem bunde nah, ihr habt ihn selber vor allen welten fest gestellt, und er wird ewig gelten, führt nach und nach die absichten aus, die ihr vors Kirchenhaus so lange her geführt, blutet, besprengt, tingirt. So wol die obre Kyria als Philadelphia erwarten deine flamm, Gott Schöpfer, Mann und Lamm!

Quelle:
Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Ergänzungsbände zu den Hauptschriften, Band 2, Hildesheim 1964, S. 2102-2105.
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