Neunter Auftritt.

[128] Die Vorigen. Abellino schleicht, von Keinem bemerkt, bei Contarino's letzten Worten herein.


ABELLINO mit vielen Verbeugungen.

Hollah! Hollah! guten Abend,

Oder gute Nacht, Ihr Herrn.

ALLE voller Bestürzung durcheinander.

Wer da? – He, Verrätherei!

Ein Gespenst! – Was will der Schleicher?

PAROZZI mit entblößtem Degen gegen ihn.

Mensch, wer bist du?

ABELLINO sich verbeugend.

Abellino,

Eurer Herrlichkeit zu dienen.

ALLE mit neuer Bestürzung.

Abellino? – Ist er das?

Was will dieser?

PAROZZI.

Wie gelangtest

Du herein, in den Palast?[128]

ABELLINO.

Durch die Thür, – nein, glaubt Ihr's lieber?

Durch ein offnes Schlüsselloch.

PAROZZI.

Keinen Spaß zur Unzeit, Bursche.

Sprich, was suchest du bei uns?

ABELLINO.

Kundschaft.

PAROZZI.

Welche Kundschaft?

ABELLINO.

Wie Ihr fremd thut!

Habt Ihr, nach dem Tod der Bravo's,

Meinen Aufruf nicht vernommen? –

Eure Feinde sind die meinen;

Darum wend' ich mich zu Euch.

Zieht doch Eurer nackten Klinge,

Bitt' ich, wiederum das Hemd an;

Denn sie schämt sich; ist noch Jungfrau;

Und die Jungfrau'n – fürcht' ich nicht!

CONTARINO zu Parozzi.

Fort, den Degen auf die Seite.

Kömmt der Kerl nicht, wie gerufen?

ABELLINO mit Verbeugungen.

Eure Herrlichkeiten haben

Meiner also nicht vonnöthen?

Nun denn, – unterthän'ger Knecht!

Mein Geschäft ist abgethan.


Will sich entfernen.


PAROZZI wirft den Degen weg.

Bleib![129]

ABELLINO zurückkehrend.

Was steht noch zu Befehl?

CONTARINO.

Bleib! Wir könnten dich gebrauchen;

Scheinst dein Handwerk zu verstehn.

ABELLINO.

Zweifelt Eure Herrlichkeit

An den Wundern meiner Kunst,

Laßt sie ihre Proben machen.

Wen von Euren Herrlichkeiten

Langeweilet diese Welt?


Er mustert mit fragendem Blick.


Binnen zwei Minuten ist er

Schon ins Paradies gestellt.

Seht', ich streif' an ihm vorüber,

Regt kein Fältchen sich an mir,

Und er stürzt, an meiner Seite,

Wie vom Schlag getroffen nieder. – –

Ständ' er hundert Schritte weiter,

Schickt' ich ihm aus einer Windbüchs',

Ohne Knall und ohne Schall,

Blaue Pillen in den Magen.

Wenn's gefällt, ich zeig' Euch gern

Andre Taschenspielerstückchen;

Geh', zum Beispiel, hier am Schenktisch,

Wie von ungefähr, vorbei,


Er geht neben dem Tisch vorüber.


Und – Ihr seht nichts! – allen Bechern

Ist der Wein sogleich vergiftet.[130]

MEMMO schaudernd.

Gott sei bei uns! Neben diesem

Sind wir Sünder doch noch Engel!

FALIERI argwöhnisch.

Gut! mach' an dir selbst das Pröbchen,

Leere diese Becher alle!

ABELLINO trinkt ein Glas um's andere leer.

Meint Ihr, daß mich's nimmt? Hi, hi!

Kehl' und Magen salb' ich immer

Mit probatem Gegengift.

PAROZZI.

Scherz beiseite, Abellino!

Falls du treu bist und verschwiegen ...

ABELLINO mit Unwillen.

Bei St. Peter und St. Paul.

Glaubt Ihr, ich sei Eures Gleichen?

Hat ein Bravo, der sein Wort gab,

Treu' und Glauben je gebrochen?

Haben meinen Kameraden

Siedend Pech und Folterstrick

Eine Silbe abgezwickt?

Oder glaubt Ihr, ich verhandle

Meine Kunst und meine Gunst,

Einer feilen Dirne gleich,

Jedem, der das Meiste bietet?

Längst schon könnt' ich der Regierung

Fettes Gnadenbrödchen schlucken,

Hätt' ich ihr von Euern Plänen

Nur ein Wort ins Ohr geflüstert!

Oder dort den Löwenhals[131]

Am herzoglichen Palaste

Mit Papierchen füttern wollen!

PAROZZI.

Welche Pläne? Kerl, was weißt du?

ABELLINO die Finger auf dem Mund.

Daß ich Eure Heimlichkeiten

Besser, als Ihr selbst, verberge.

CONTARINO.

Mich bedünkt, ihm ist zu trau'n.

Abellino, sieh, wir wollen

Dich ganz königlich besolden.

Wahr' indessen deine Haut!

Unsre Staatsinquisitoren

Haben hundert Argusaugen

Und Briareus Riesenarm.

ABELLINO füllt sich ein Glas und trinkt.

Mit Erlaubniß Eurer Gnaden!

Jedem ist sein Ziel bestimmt.

Ganz gewiß werd' ich gehangen,

Oder wenigstens geköpft,

Oder bei lebend'gem Leibe,

Wie Laurenzius, gebraten.

Immer bleibt's zuletzt der Tod;

Eine und dieselbe Speise,

Die in andrer Brühe schwimmt.

MEMMO.

Zeterkerl, mit seinen Späßen

Macht er einem Zähneklappern![132]

ABELLINO.

Oder müßt' ich mich denn schämen,

Selber ein Geschenk zu nehmen,

Das ich, mit freigeb'ger Hand,

So viel Ehrenleuten spende?

Doch kurz ab und rasch zur Sache.

Habt Ihr etwas zu bestellen?

CONTARINO.

Höre! Kennst du den Canari,

Den Großstaatsinquisitoren?

ABELLINO.

Allerdings.

CONTARINO.

Nun ... du verstehst mich.

ABELLINO.

Muß er dran? Nur er allein?

PAROZZI.

Dandolo ... auch Flodoardo ...

CONTARINO.

Erst Canari! Hörst du?

ABELLINO.

Sterben?

CONTARINO.

Ja doch!

PAROZZI.

Aber unverzögert!

ABELLINO.

Gut. Die Nacht schon wird er tief

Im Lagunenschlamme schlafen

FALIERI.

Wieviel forderst du dafür?[133]

ABELLINO.

Nichts, als hundert Golddukaten,

Fünfzig heut zum Hand- und Aufgeld,

Fünfzig nach vollbrachter Arbeit.

PAROZZI.

Du bist theuer.

ABELLINO.

Das ist Taxe.

Seltne Waare, hoher Preis!

Was ist in Venedig seltner,

Als die unbefleckte Treue?

Als der Staatsmann ohne Ränke,

Als der Pfaffe ohne Stolz,

Als der Noble ohne Schulden?

Je rechtschaffener der Mann,

Um so besser muß man zahlen.

Denn der braven Leute sind ja

Wenig aus der Welt zu räumen.

Alltagsmenschen liefr' ich Euch

Jederzeit um halben Preis;

Und so liebe, lose Seelen,

Wie, zum Beispiel, unsers Gleichen,

Nun – ich gebe sie um Spottgeld.

MEMMO.

Meinerseits verbitt' ich höflich

Diesen Witz von »unsers Gleichen!«

Zahlt dem Kerl und laßt ihn ziehn;

Denn, wenn ich nicht irre, riecht er

Ganz nach Satans Schwefelpfuhl.[134]

PAROZZI wirft ihm einen Beutel zu.

Abellino, hier die Summe.

Morgen also ...?

ABELLINO.

Ist's verrichtet!

Eurer Gnaden, Herrlichkeiten,

Unterthän'ger Knecht! Adio!


Will fort!


CONTARINO.

He, wo treffen wir uns wieder?

ABELLINO.

Ueberall, an allen Ecken;

In der Kirche, im Theater,

Auf dem Markt und in der Messe.

Sorgt doch nicht! Ich häng' an Euch,

Wie Beelzebub am Sünder!


Schnell ab.


Quelle:
Heinrich Zschokke: Gesammelte Schriften. Band 15, Aarau 1865, S. 128-135.
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