15. Luxehales.

[72] Auf einem Hügel nahe bei einem Dorfe stund vor alten Zeiten ein gar prächtiges Schloß mit hohen Türmen und stolzen Zimmern, das reich an Gold und Silber und allen Schätzen dieser Welt war.

Aber jene, die es bewohnten, waren gottlos und unbarmherzig und lebten dahin in Saus und Braus und ließen den Armen nicht einmal ein Stücklein harten Brotes zukommen, während sie selbst im Überflusse schwelgten.

Da hatte der Herr die Vertilgung dieses sündhaften Geschlechtes beschlossen; nur die Köchin allein sollte gerettet werden, denn sie war fromm und mitleidig und tröstete die Kranken und teilte den Hungernden mit, was von der reichen Tafel ihrer Herrschaft abfiel. Als nun die Stunde der Vergeltung gekommen war, da lief ein weißes Mäuslein durch die Küche und schmiegte sich an den Fuß der Köchin und dies Mäuslein trug einen Zettel um den Hals; auf dem stund geschrieben: »Flieh, flieh, flieh!«

Als die Köchin dies Zeichen gesehen hatte, packte sie schnell ihre geringe Habe zusammen und eilte davon. Kaum hatte sie das Schloß verlassen, so stürzte es mit furchtbarem Getöse und Krachen zusammen, rote Flammen zuckten aus dem Gemäuer, die Erde öffnete sich und verschlang das Schloß und alle die reichen Schätze samt den gottlosen Leuten; nur die fromme Köchin allein war gerettet worden.[73]

Viele hundert Jahre waren seitdem vergangen und man wußte kaum mehr etwas vom versunkenen Schlosse und die Namen derjenigen, welche es einst bewohnt hatten, waren vergessen. So viel aber war jedem Kinde im Dorfe bekannt, daß viel Gold und Silber auf dem Schloßhügel vergraben sei und daß man diesen Schatz wohl heben könne, wenn man den rechten Schlüssel hierzu finde.[74]

Da waren im Dorfe drei lustige Burschen, welche auch lieber im Wirtshause gesessen als mit harter Arbeit sich ihr Brot verdient hätten, und denen fiel es einmal ein, sie wollten den reichen Schatz auf dem Hügel in aller Stille heben und dann in die weite Welt gehen und auch die großen Herren spielen, anstatt zu Hause hinter dem Pfluge zu gehen und hartes Brot zu essen. Das rechte Mittel dazu hatten sie schon gefunden. Ein steinaltes Männlein, das gar wunderbare Geschichten zu erzählen wußte und viele verborgene Dinge kannte, hatte ihnen ein altes Büchlein mit seltsamen Sprüchen geschenkt und ihnen anvertraut, daß man damit, wenn man es recht zu gebrauchen verstehe, Gold und Silber und reiche Schätze gewinnen könne. Dies Büchlein nämlich war ein Gertraudenbüchlein und wer ein solches Büchlein hat, der kann sich unsichtbar machen, wenn er es bei sich trägt, und kann den Teufel vergrabene Schätze bringen machen; auch für viele andere Dinge noch soll dies Büchlein vornehmlich gut sein. An einem Feierabend, als es schon dunkel zu werden begann, gingen nun die drei Burschen auf den Bühl und beratschlagten unterwegs, welchen Teufel sie nun eigentlich beschwören sollten, den Urian, den Beelzebub oder den Luxehales. Nach langem Disputieren kamen sie endlich überein, den letzten zu wählen, weil er doch der gemütlichste sei und nicht so eigennützig wie die beiden andern, welche schon oft für einen kleinen Liebesdienst auf Erden eine arme Seele für die ganze Ewigkeit haben wollten. So waren sie an die Stelle gekommen, wo der Schatz vergraben sein mußte, und der Älteste, welcher das Ding am besten verstand, auch sonst der pfiffigste und mutigste unter ihnen war, schlug nun das Gertraudenbüchlein auf und las beim Scheine eines brennenden Holzspans die wunderkräftigen Sprüchlein, während die beiden andern mit klopfendem Herzen und aufgesperrtem Munde zuhorchten. Kaum war noch das dritte Sprüchlein zu Ende[75] gelesen, so hörte man schon unter seinen Füßen ein furchtbares Geräusch, daß der Leser erschreckt ein paar Schritte zurückwich; die Erde tat sich auf, rote Flammen zuckten empor und Luxehales fuhr aus der Tiefe herauf mit einem großen Sacke, in welchem die Taler und Goldstücke klingelten. Die drei Burschen wußten nun wohl nichts Eiligeres zu tun als ihre Hände nach dem goldenen Schatze auszustrecken; aber Luxehales, der nichts vom Hingeben wissen wollte, legte sich den Sack zurecht, setzte sich darauf und blickte nun die drei Beschwörer so furchtbar an, daß es ihnen eiskalt über den Rücken lief. Da fiel es dem Ältesten, der auch der pfiffigste war, ein, daß man, um den Teufel, den man beschworen, wieder los zu werden, die Sprüchlein nach rückwärts lesen müsse. Wie oft er aber auch lesen und weiter zurücklesen mochte, Luxehales blickte nur um so wilder drein, seine Augen rollten wie Feuerräder in der dunklen Nacht und seine Zunge hing wie ein gewaltiger Glühwurm aus dem weit geöffneten Rachen, der dem Leben der armen Burschen auf einmal ein Ende machen zu wollen drohte. Was war nun in dieser Not zu tun? Auf die blanken Taler und goldenen Füchse, deren Ton ihnen so süß in die Ohren geklungen, hatten sie längst schon verzichtet, aber selbst zu entfliehen getrauten sie sich nicht. Luxehales aber saß schweigend auf seinem goldenen Stuhle und schnitt immer wildere und grauenvollere Gesichter. Als nun ihre Angst auf das höchste gestiegen war, sieh! da kam durch den stillen Wald ein frommer Pater dahergewandelt und ging auf sie zu. Inbrünstig flehten sie den frommen Mann an, sie in dieser Not nicht zu verlassen. Anfangs wollte nun freilich der Pater von diesem schlimmen Handel nichts wissen; als die Burschen aber nicht zu bitten aufhörten, machte der Pater Ernst, fing an zu beten und wies den Schwarzen dorthin, woher er gekommen. Luxehales fuhr willig in den Schlund zurück, aus dem er herausgefahren war. Der[76] schwere Sack aber mit den Talern und Goldstücken blieb auf der Erde liegen, denn der Pater hatte seine Beschwörung schon so eingerichtet, daß Luxehales ihn nicht mitnehmen konnte.

Wie die drei Burschen sahen, daß der Teufel davongefahren sei, waren sie seelenfroh, dankten ihrem Helfer und ließen ihm den ganzen Sack allein, denn sie wollten vom »Teufelsgeld« gar nichts mehr wissen.

Der Pater freute sich aber seines Fundes und schleppte den vollen schweren Sack mit Not und Mühe ins Kloster. Dort ließ er von diesem Gelde gar schöne Bilder malen, die heute noch die Kirche zieren und die frommen Beter erbauen.


(Schwaz.)

Quelle:
Zingerle, Ignaz Vinc. und Josef: Kinder- und Hausmärchen aus Tirol. Innsbruck: Schwick, 1911, S. 72-77.
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