4. Neidhart Fuchs, der Bauernfeind.

[20] Gegenüber den Häuserfronten des Stockameisenplatzes ist links neben einem Eingange in den Münster das steinerne Grabmal eines fränkischen Ritters, Otto Fuchs, genannt Neidhart, ersichtlich. Dieser Ritter war wegen seiner Scherzhaftigkeit und seines fröhlichen Wesens gar sehr beliebt bei dem Herzog Otto von Oesterreich, und war des Fürsten lustiger Rath. Er vexirte mannichfach die Bauern und turbirte sie auch bisweilen über die Maaßen.

Nun war es damals Hof- und Landsitte, daß, wer zuerst zur schönen Frühlingszeit ein Veilchen fand, den Ort sich heimlich merkte, wo das Veilchen blühte,[20] und schnell davon den Freunden Nachricht gab. Dann zog des Hofes oder der Dörfer scherzfreudige Jugend mit Sang und Klang hinaus zu dem Orte und grüßte durch Tanz und Becherlust den freudenbringenden Frühling.

So fand nun eines Märztages Herr Neidhart das erste Veilchen, deckte es sorgsam mit seinem Hute und eilte nach Hofe, des Fundes frohe Mähr kund zu thun.

Siehe, da trat aus dem Gehölz ein Bäuerlein, dem Ritter Otto oft Schimpf angethan, nahm den Hut, pflückte das Veilchen, setzte ein ganz anderes übel riechendes hin, deckte den Hut darauf und schlich hinweg.

Nicht lange, so kamen aus der Stadt Wien die fröhlichen Junggesellen, an ihrer Spitze der Herzog und Ritter Fuchs, zogen um den Hut den üblichen Reigen, und Einer deckte den Schatz auf, welcher darunter lag. Gelächter mischte sich mit Ausrufen des Unwillens; Alle glaubten, daß der Ritter sie geäfft mit diesem plumpen, bäuerischen Scherze, und der Herzog schaute ungnädig drein. Beschämt und beschimpft enteilte von Schauplatz seines Glücksfundes Herr Neidhart und kam in das nächste Dorf.

Schon von weitem hörte er lustigen Gesang und Reigenklang, und als er näher kam, sah er sein Veilchen an einen Stab gebunden, um den sich Alt und Jung mit fröhlichen Sprüngen drehte.

Schrecken ergriff den Bauer, der den Raub begangen; in seinem Antlitz stand das Geständniß seiner[21] unsaubern Schimpfthat, und Ritter Otto entbrannte vor Zorn.

Er schlug den Bauer todt und ein Paar andere noch dazu.

Solche Thaten sind an seinem Grabsteine abgebildet und verewigt worden.

Quelle:
Bechstein, Ludwig: Die Volkssagen, Mährchen und Legenden des Kaiserstaates Oesterreich. 1. Band, Leipzig: B. Polet, 1840, S. 20-22.
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