Liebeslied

[73] Die Fasern meines Herzens sind beunruhigt durch die Liebe zu dir! Du hast meine Leber und die Eingeweide verfaulen lassen! Mein Kummer ist heftig geworden. Sowohl in meinen Gliedern als in meinem Herzen ist das Feuer entbrannt. Ach, Geist von meinem[73] Geiste, du Schwarzäugige, du hast mich die Heftigkeit der Liebe fühlen lassen, o Dudscha!

O du, die du so schön gebaut bist, wie ein Schiff auf dem Meere, die du so viele Liebhaber deine Liebe fühlen lässest, – du mit schimmerndem Busen und Nacken, – ins Innere hinein hat mich die Liebe zu dir gebrannt!

In mein Herz hinein hat sie mich gebrannt. Das, o Leute, vermochte ich nicht auszuhalten! Ach, könnte doch ein Herz, das in Liebe aufflammte, wieder kühl werden, und könnte ich Khaddudscha, die erste aller Frauen, mein eigen nennen!

O daß ich sie doch erlangen und wieder über sie gebieten könnte! Ich komme nicht zum Schlafe in der Nacht, seitdem ich in diese Liebespein geriet.

Ich schlafe einen wirren Schlummer. Eben wegen der Liebe zu meiner Holden muß ich dies erdulden. Eine gewaltige Liebe ist die Ursache meiner heftigen Krankheit. Die Liebe ließ in meinem Herzen wie auf einer Lampe ihr Feuer aufflammen.

Wie heiß ist doch das Feuer der Liebe! Es ist mir ins Eingeweide gedrungen und mächtig geworden. Gradaus ins Herz ist's gelangt, das sich dadurch dunkelrot wie Scharlachbeeren färbte,

Und zwar unverschießbar! Meine Leber hat es gefärbt, bis ich fast wahnsinnig wurde. So geht's dem, der liebt: er wird gequält. Ach meine Liebe, ihr Leute, ist gar aufregend!

Das Herz, welches liebt, ist in Unglück und Qual; von der Liebe erreicht, verdorrt es. Wie könnte ich mich[74] nach dem Genüsse dieser Liebe wieder beruhigen und des Nachts gleichgültigen Gemütes einschlafen?

Ich schlafe und klage. Eben wegen der Liebe zu meiner Holden wünsche ich mir mein Ende. Mir gleicht der Tauber, der einsam sucht und weint, von der heftigsten Sehnsucht und Unruhe ergriffen.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 73-75.
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