Ist nicht der Fuchs unter allen Tieren das schlaueste?

[125] Der Fuchs zog aus, und wie er so ging, kam er zu den Pavianen, die eben ihre Mutter begruben. »Sagt, ihr Verdrehten! meine Mutter bestatte ich im Himmel; werdet nicht auch ihr eure Mutter im Himmel bestatten?« sprach zu ihnen der Fuchs. »Ja, wie sollen wir denn das machen?« fragten sie den Fuchs. »So steigt auf[125] mich hinauf, ich werde es euch zeigen,« sagte der Fuchs. Sie stiegen also hinauf; da aber schüttelte er sie ab, und wie sie herabfielen, zerschmetterten sich alle die Köpfe und sie starben. Nun nahm der Fuchs ihr Gehirn heraus, that es in einen Topf, goß darüber etwas Honig und bot denselben auf dem Markte zum Verkauf aus. Ein Adeliger und ein Gemeiner kamen zu ihm. Der Fuchs gab dem Adeligen vom Honig zu kosten und sprach dann: »Geh' heim und sage zu deinen Leuten: ›Außer Honig vom Fuchs esse ich nichts.‹« Der Adelige ging nun heim, und da setzte ihm seine Mutter Polenta, Grütze, Fleisch und allerlei Speisen vor, er aber wies diese zurück und sprach: »Nachdem ich heute Honig vom Fuchs gekostet habe, esse ich nichts anderes mehr außer Honig vom Fuchs.« Nun sprach seine Mutter zum Vater: »Unser lieber Sohn wird uns sterben, wenn wir ihm nicht Honig vom Fuchs kaufen.« Da befahl der Vater seinem Knecht: »Bring auf der Stelle den Fuchs, sonst wirst du schon sehen!« Als der Fuchs kam, fragte man ihn: »Was kostet dein Honig?« Der Fuchs erwiderte dem hohen Herrn: »Vom Himmel holte ich denselben, um dir ein Ehrengeschenk zu machen.« Da gab man ihm einen Stier und eine Kuh, diese nahm der Fuchs und ging. Als er aufbrach, sagte er zu den Leuten: »Dieser Honig ist vom Himmel, deshalb betrachtet ihn nicht, bis ich sieben Flüsse überschritten habe.« Als er über sieben Flüsse gegangen war, sahen sie den Honig genau an und fanden da eitel Gehirn; da sie aber den Fuchs nicht mehr erreichen konnten, so ließen sie die Sache auf sich beruhen. Der Fuchs kam nun mit dem Stier und der Kuh zum Löwen.[126] »Wo hast du das da gefunden, Fuchs?« fragte ihn der Löwe. »Gott schenkte mir das,« sagte der Fuchs, »nun aber nimmst du den Stier oder die Kuh?« »Den Stier nehme ich,« sagte zu ihm der Löwe. Der Fuchs machte nun den Hirten und trieb täglich das Vieh auf die Weide. Als aber die Kuh ein Kalb bekommen sollte, da machte der Löwe selbst den Hirten und sprach zum Fuchs: »Bleib heute nur zu Hause und frisiere dich!« Der Löwe fraß das Kalb. Am Abend kehrte er heim, und da fragte ihn der Fuchs: »Nun, Vater, hat meine Kuh ein Kalb bekommen?« Der Löwe aber erwiderte ihm: »Nein mein Stier, eine Kuh gebärt ja doch nicht.« »Der Stier gebärt?« sagte der Fuchs. »Ja wohl, der Stier nur gebärt, wann gebärt denn je eine Kuh?« erwiderte der Löwe. »Nur die Kuh gebärt!« »Nein, nur der Stier gebärt!« sprachen sie zueinander, »auf denn, gehen wir zu Gericht!« sagten sie und gingen. Wie sie auf dem Wege waren, kamen sie zu einer Kudu-Antilope. »Du, Kudu! gebärt die Kuh oder der Stier?« sprach zu ihr der Löwe. Die Kudu erwiderte: »Geduldet euch ein wenig, bis ich auf den Berg gelangt sein werde!« und als sie oben war, sprach sie zum Löwen: »Nur die Kuh gebärt, daß ein Stier gebäre, davon weiß ich nichts.« »Wart du nur, bis ich mich auf dich setze und dir die Wange aufreiße!« sagte der Löwe und ging. Wie sie weiter zogen, kamen sie zum Eber. Da sprach der Löwe zu ihm: »Eber! sag' an: gebärt die Kuh oder der Stier?« »Jetzt laßt mich da meine Wurzel essen! Wenn ich damit fertig bin, werde ich euch Rede stehen,« sprach der Eber. Der Fuchs nun schälte Wurzeln für den Eber; die schlechten[127] aß er selbst, alle guten aber gab er dem Eber. Als dieser gegessen hatte, sprach er: »Nur die Kuh gebärt, davon, daß der Stier gebäre, weiß ich nichts.« »Auf, zum Kampf!« sprach nun der Löwe zum Eber. Da sie nun kämpften, streckte der Eber den Löwen nieder. Nun sagte der Löwe: »Oho! meine Sandalen sind gerissen, denn durch dich wäre ich ja nicht zu Falle gekommen.« Als sie nochmals kämpften, streckte der Eber wiederum den Löwen nieder. Da sprach der Löwe: »Oho! meine Haarnadel ist mir herabgefallen, denn durch dich wäre ich ja nicht zu Falle gekommen.« »Nun, so sei es zufrieden, du mit deiner Würde, ich aber mit meinem Hauer! Was geht das mich an, ob dein Stier gebärt! Jetzt aber muß ich nach meinen Kindern sehen; guten Tag also!« Mit diesen Worten entfernte sich der Eber. »Du hast es also wohl gehört, Fuchs: mein Stier hat geboren,« sprach zu ihm der Löwe. »Jawohl, Väterchen, dein Stier hat geboren,« erwiderte ihm der Fuchs. Sie kehrten nun heim; auf dem Wege trafen sie Kühe und schlachteten sie. Nun aß der Löwe ein wenig Fleisch, dann aber ward er schläfrig, schlief ein und schlief die ganze Nacht. Inzwischen trug der Fuchs alles Fleisch auf eine Adansonia und kochte dort Fleisch. Als der Löwe erwachte, sprach er: »Ja, wie soll denn ich da hinaufsteigen, Fuchs?« »Ich weiß nicht,« erwiderte der Fuchs. »Wirf mir Fleisch herab!« sagte zu ihm der Löwe. »Gut, Väterchen!« sagte der Fuchs, nahm einen Herdstein, wickelte Fleisch darum und sprach zum Löwen: »Ist das da für deinen Mund oder für meinen?« »Mir ist das schon recht, Fuchs,« erwiderte ihm der Löwe. »So sperre deinen[128] Rachen auf!« sagte der Fuchs und warf ihm das in den Rachen. Da aber der Stein sehr heiß war, so starb daran der Löwe. Während sich nun der Fuchs gütlich that, kam die Hyäne und sprach: »Fuchs, gieb mir ein wenig!« Der Fuchs erwiderte ihr: »Ist das schön von dir? Nachdem du mir einen Esel gefressen hast, soll ich dir dafür wohl noch deinen Lohn geben?« »Macht nichts, Gott vergelt' es dir, schenk mir etwas, Fuchs! denn ich sterbe vor Hunger,« sagte die Hyäne. »Nun, wenn du dich brav aufführst, so will ich dich bewirten,« sagte der Fuchs. »Vergelt es Gott! ich werde schon so sein,« erwiderte die Hyäne. Da stieg der Fuchs herab und nähte den Löwen und die Hyäne aneinander. »Au, Fuchs! das thut mir ja weh,« sagte die Hyäne. Der Fuchs aber sagte: »Soll ich dir meinen Vater, den Löwen, aufwecken oder bleibst du ruhig?« »Ich halte schon stille, Fuchs,« sagte dann die Hyäne. Als der Fuchs fertig genäht hatte, gab er der Hyäne Knochen hin als Mahlzeit und sprach: »Friß, Hyäne!« Nachdem diese ein wenig von den Knochen gefressen hatte, sprach zu ihr der Fuchs: »Fahr ab, der Löwe ist munter!« Erschreckt stürzte die Hyäne fort, und indem sie dachte: »Der Löwe hat mich schon,« eilte sie schreiend fort, den Löwen nachschleppend, und stürzte sich in den Fluß, wo sie umkam.

Quelle:
Seidel, A. (Hg.): Geschichten und Lieder der Afrikaner. Berlin: Verein der Bücherfreunde, Schall & Grund, 1896, S. 125-129.
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