Warum der Hase flieht.
Fabel der Haussaneger.

[151] Der Mond sprach zum Hasen:

»Gehe zu den Menschen und sprich zu ihnen: Der Mond läßt euch sagen, daß er stirbt und wieder lebendig wird, so wie ihr ihn jeden Morgen sterben seht und jeden Abend ihn von neuem begrüßt! Auch ihr sollt sterben, um wieder von neuem zu leben.«

Nachdem er diese Worte vernommen hatte, trabte der Hase davon und erreichte bald die Wohnstätten der Menschen.

»Der Mond läßt euch sagen,« rief er ihnen zu, »daß er stirbt und wieder lebendig wird, so wie ihr ihn jeden Morgen sterben seht und jeden Abend ihn von neuem begrüßt! Auch ihr sollt sterben!«

Danach eilte er zurück zum Monde, dem er wörtlich berichtete, was er den Menschen gesagt hatte. Der Mond, als er hörte, daß der Hase seine Botschaft nur unvollkommen gegeben hatte, ward sehr zornig, nahm eine Axt und wollte mit ihr den Kopf des Hasen spalten, traf aber nur seine Oberlippe, die noch heute das Zeichen des Streites zwischen Mond und Hasen trägt. Der Hase, wütend gemacht durch den Schmerz, sprang in das Gesicht des Mondes und kratzte es mit seinen scharfen Nägeln. Seitdem sieht man schwarze Streifen in des Mondes Antlitz, die in Wirklichkeit nichts anderes sind als die Schrammen, die der Hase gekratzt hat. Entsetzt über seine eigene Kühnheit, floh der Hase, sobald er sah, was er getan hatte, und durchläuft noch am heutigen Tage fliehend die Welt.

Quelle:
Held, T. von: Märchen und Sagen der afrikanischen Neger. Jena: K.W. Schmidts Verlagsbuchhandlung, 1904, S. 151-152.
Lizenz:
Kategorien: