Der Arzt und der Tod.

Einer erbat sich den Tod, täglich sagte er zum Tode: »Komm, nimm mich!« Eines Tages erschien ihm der Tod und sagt zu ihm: »Was verlangst du von mir?« Der Mann sagt ihm: »Ich bin überdrüssig dieser Welt, bin ohne Geld und weiss nicht, was mit dem Leben zu machen.« Der Tod sagt zu ihm: »Willst du etwa reich werden?« Er sagt ihm: »Ja.« Der Tod sagte zu ihm: »Ich mache dich zum Arzt«, und sagte weiter: »Du wirst Eibisch nehmen und wirst ihn kochen, wirst eine Flasche nehmen und den Eibischabguss wirst du in die Flasche geben und ich werde dir das Glück eröffnen.« Und der Tod sagt zu ihm: »Bei so vielen Kranken als du gehst, wenn du mich dort sehen solltest beim Kranken, lege nicht Hand an, um ihn zu heilen, denn es gibt keine Hilfe, und wenn ich nicht beim Kranken sein sollte, wie krank er auch sein mag, lege Hand an ihn zu heilen und verbürge dich ihn zu heilen, denn es ist nicht zum Sterben.«

Es verbreitete sich der Ruf, dass ein neuer Arzt zum Vorschein kam; man begann ihn zu rufen und er nahm die Flasche mit dem Abguss von Eibisch, ging zu einem Kranken, welcher drei Jahre an der Krankheit erkrankt war. Er geht und schaut, schaut zuerst ob der Tod dort ist und den Tod fand er nicht und verbürgte sich ihn zu heilen. Einige andere Ärzte waren dort, die sagen zu dem neuen Arzt: »Wir sind jetzt drei Jahre hier bei dem Kranken und haben kein Mittel finden können, ihn zu heilen, und du mische dich nicht in die Sache, denn du kannst es nicht zu Stande bringen.« Er antwortet ihnen: »Ihr seid jetzt drei Jahre hier und habet ihn nicht heilen können; ich werde ihn in drei Tagen heilen.« Die Ärzte lachten ihn aus, er liess dem Kranken die Flasche mit dem Abguss von Eibisch zu trinken, drei Schalen am Tag, eine am Morgen und eine zu Mittag und eine am Abend, drei Tage hindurch sie zu trinken. Der Kranke begann die Medizin zu trinken, welche ihm der Arzt liess und nach drei Tagen genas er. Die anderen Ärzte erstaunten, er erhielt viel Geld von dem Kranken.

Eines Tages rief man ihn an einen andern Ort um einen Kranken zu sehen, es war nicht wegen schwerer Krankheit. Er ging hin um ihn zu sehen, es waren auch andere Ärzte dort. Er schaute ihn an und sah den Tod daselbst drinnen und sagt zu den Eltern des Kranken, dass der Bursche[264] nicht aufkommt. Die Ärzte sagen zu ihm: »Es ist keine Todesgefahr.« Er sagte zu ihnen: »Morgen oder übermorgen wird er sterben« und brach auf und ging seinem Geschäfte nach. Die andern Ärzte lachten ihn aus: »Er ist närrisch!«, begannen dem Kranken Mittel zu geben, aber es machte keine Wirkung, am dritten Tage darauf starb er.

Die gesamte Stadt begann den neuen Arzt zu rufen und er begann sehr reich zu werden, er verdiente viel Geld.

Eines Tages stürzte ein Arbeiter von der Spitze eines Hauses und fiel ohnmächtig auf den Boden; man nahm den Arbeiter, trug ihn ins Haus, alle Ärzte gingen um ihn zu sehen und kein einziger Arzt verbürgte sich ihn zu heilen. Der neue Arzt ging hin, schaute zuerst, ob etwa der Tod dort ist, der Tod war nicht dort, er verbürgte sich ihn zu heilen und sagte zu ihnen: »Es ist keine Totesgefahr, binnen einer Woche wird er genesen.« Er gab ihm den Abguss von Eibisch zu trinken und nach einer Woche genas er. Alle die andern Ärzte erstaunten.

Eines Tages, als er des Weges spazieren geht, trifft der neue Arzt den Tod. Der Tod sagt zu ihm: »Wohin gehst du denn?« Er antwortet ihm: »Ich gehe spazieren.« Der Tod sagt zu ihm: »Komm mit mir, denn wir gehen zusammen spazieren«, und er ging mit dem Tode spazieren. Der Tod führt ihn in ein Zimmer und dieses Zimmer war vollgesteckt mit Lampen. Er erstaunte, als er alle die Lampen sah. Unter den Lampen zündeten sich einige an, einige erloschen, er fragt den Tod: »Was sind diese Lampen?« Der Tod sagt zu ihm: »Jedweder Mensch hat seine eigene Lampe.« Er fragt ihn: »Die Lampe, welche sich soeben anzündete, was ist damit?« Der Tod sagt ihm: »Es wurde soeben ein Mensch geboren und die Lampe entzündete sich.« – »Aber jene, welche erlosch, was ist das?« Der Tod sagt zu ihm: »Diejenige, welche erlosch, der starb.« Es war eine Lampe, welche daran war zu erlöschen, so dass wenig Licht in derselben blieb; er fragt ihn: »Aber die Lampe, welche im Erlöschen ist?« Der Tod sagt zu ihm: »Das ist deine Lampe.« Er bittet den Tod: »Erbarmen, giesse ein wenig Öl hinein, damit sie nicht so schnell verlösche!« Der Tod sagt zu ihm: »Es nutzt nichts, Öl zugiessen, aber geh und beichte, du hast nicht mehr Zeit als drei Stunden.« Er sagt zu ihm: »Erbarmen, ich gebe dir all das Geld, welches ich verdient habe, giesse nur ein wenig Öl in die Lampe.« Der Tod sagt zu ihm: »Es hilft nicht mehr, sondern geh und vollende deine Pflicht!« – Er ging auch, kam seiner Pflicht nach und nach drei Stunden starb er.

Quelle:
Jarník, J. U.: Albanesische Märchen und Schwänke. In: Zeitschrift für Volkskunde in Sage und Mär [...] 2 (1890). Leipzig: Frankenstein und Wagner, S. 220-221,264-265.
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