Der Onkel und der Neffe, während sie stehlen.

[267] Es war ein Mann, andere Beschäftigung hatte er nicht ausser dem Räuberhandwerk, Tag für Tag stahl er. Dieser Räuber hatte einen Neffen; der Neffe sagt zu seinem Onkel: »Ich will auch mit dir gehen, um gemeinschaftlich zu stehlen.« Er sagt zu ihm: »Komm!«

Während sie des Weges gehen, treffen sie einen Mann mit einem Hammel an der Hand; der Neffe sagt zum Onkel: »Stehle ich ihm den Hammel?« Der Onkel sagt zu ihm: »Du vermagst nicht, ihm denselben zu stehlen, denn er hat ihn an die Hand gebunden.« Der Neffe sagt: »Ich nehme ihm denselben gewiss sogleich.« – »Nun, so gehe, wenn du ihn zu nehmen vermagst!« – Der Neffe ging, warf ihm einen neuen mit Kot beschmutzten Schuh vor. Der, welcher mit dem Hammel war, sah den Schuh, aber er war mit Kot beschmutzt und er nahm ihn nicht. Weiter warf er ihm den andern reinen Schuh hin. Dieser bleibt stehen und spricht mit sich selbst, sagt: »Dieser Schuh ist neu«; er erinnerte sich an den andern Schuh, der mit Kot beschmutzt war, band den Hammel an den Zweig eines Strauches und kehrte zurück, um den mit Kot beschmutzten Schuh zu nehmen. Während er ging, um den Schuh zu nehmen, nimmt der Bursche den Hammel und ging zu seinem Onkel, und der Onkel erstaunte, als er ihn mit dem Hammel erblickte. Der Bauer kehrt zurück, um den Hammel zu nehmen, er fand weder den Hammel noch die Schuhe.

Sie gingen wieder mit dem Onkel um zu stehlen. Sie sehen einen Bauer, wie er das Feld pflügt mit einem Paar Ochsen und steigen auf den Gipfel eines Hügels. Er sagt zum Onkel: »Stehle ich ihm den einen Ochsen?« Der Onkel sagt zu ihm: »Du kannst es nicht.« Der Neffe sagt: »Ich nehme ihm denselben gewiss sogleich.« – Der Bursche beginnt zu schreien: »O, was sehe ich denn, ein Mann, der mit einem Ochsen pflügt!« Als er so drei, viermal schreit, lässt der Bauer die Ochsen und steigt auf den Gipfel des Hügels, um zu sehen, was es gibt. Während er hinauf steigt, steigt der Bursche herab und geht und nimmt den einen Ochsen, und er kam zusammen mit seinem Onkel. Der Bauer bestieg den Hügel und sah[267] einen Ochsen und sagte zu sich selbst: »Es war wirklich wahr, dass ein Mann mit einem Ochsen gepflügt hat!« Er steigt herab, und fand den andern Ochsen nicht.

Der Onkel und der Neffe gingen; sie blieben an einem Orte stehen, der Onkel will den Ochsen nehmen und dem Neffen den Hammel lassen. Der Neffe sagt: »Nein, ich will den Ochsen, und den Hammel nimm du, denn die beiden habe ich gestohlen.« Der Onkel willigte nicht ein, und der Neffe sagte zum Onkel: »Wir machen es nun anders. Wer den andern in Schrecken versetzt, wird die beiden nehmen.« – Sie gelangten in einen Wald, der Onkel sagt zum Neffen: »Schrecke du mich!« Der Neffe sagt: »Nein, schrecke du mich früher!« Der Onkel fing an zu schrecken, der Bursche erschrak nicht. Der Onkel schrie, der Neffe sagte: »Du bist der Onkel«, und er konnte den Neffen nicht schrecken. Der Neffe schrie: »Ich bin es nicht, sondern der Onkel«, und indem er schreit, spricht er zu sich und sagt: »Der Onkel ist da, packet nicht mich, sondern gehet, packet den Onkel!« Als dies der Onkel hörte, bekam er Furcht, dass man den Neffen fing und entfloh, da er fürchtete, dass man ihn fange. Der Neffe geht dorthin an den Ort, nimmt den Hammel und den Ochsen und ging nach Hause. Er sagt zum Onkel: »Warum entflohst du?« – »Ich glaubte, dass man dich gefangen hat und entfloh eigens, damit man nicht auch mich fange.« Und so nahm der Neffe die beiden, den Hammel und den Ochsen.

Der Onkel ging, um allein zu stehlen; während er stahl, tötete man den Onkel; man hat den Toten genommen, ihn in Rauch gelegt, um ihn zu trocknen. Der Neffe geht an den Ort, wo man den Onkel getötet hatte, er geht mit einem Esel und sagt zum Hausherrn: »Lässt du mich heute nacht schlafen?« Man sagt ihm: »Komm!« Der Bursche sagt: »Ich komme schon, aber ich fürchte, dass mir der Tote den Esel stiehlt.« Jene sagen zu ihm: »Nein, du Narr!« – Er trat hinein, band den Esel draussen an, sie legten sich nieder, um zu schlafen. Nachts stand der Bursche auf, nahm seinen Onkel, setzte ihn auf den Esel, band den Esel los und lenkte den Esel auf den Heimweg, legte sich nieder und schlief wieder; er stand früh auf und sagt zu ihnen: »Der Tote hat mir den Esel gestohlen.« Man suchte hier, dort, man fand weder den Esel noch den Toten. Der Hausherr musste ihm das Geld für den Esel, 500 Piaster, bezahlen.

Der Bursche machte sich auf nach Hause, holte den Esel unterwegs ein und richtete seinen Onkel so, dass er auf dem Esel gerade sitze; er steckte ihm auch eine Pfeife in den Mund. Da war ein Mann, der Korn drasch; der Bursche lässt den Esel voraus. Der Esel geht geradeaus, um das Korn zu fressen. Der Besitzer des Kornes dachte, dass dies ein lebendiger Mann sei auf dem Esel; er sagt zu ihm: »Halte den Esel auf, denn er frisst mir das Korn!« Der Esel ging geradeaus, um das Korn zu fressen; er sagt wieder zu ihm: »Halte ihn an, du!« doch dieser hört nicht. Wie der Esel auf das Korn losging, schlug ihn der Besitzer des Kornes mit einer Schaufel auf den Kopf und der Onkel stürzte herab und fiel auf den Boden. Der Neffe sah, dass der Onkel vom Esel stürzte, ging und packte den Besitzer des Kornes; er sagte zu ihm: »Du hast mir den Onkel getötet!« Jener sagt: »Ich schlug ihn nicht stark.« Der Neffe sagt: »Stark oder sachte, du[268] hast mir den Onkel getötet«; und er musste ihm das Blut des Onkels bezahlen. Der Neffe nahm noch sechs Börsen und ging nach Hause mit viel Geld und den Onkel that er in die Erde in seinem Hause.

Quelle:
Jarník, J. U.: Albanesische Märchen und Schwänke. In: Zeitschrift für Volkskunde in Sage und Mär [...] 2 (1890). Leipzig: Frankenstein und Wagner, S. 267-269.
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