Hundertfünfunddreißigste Geschichte

[125] geschah: Rabbi Pride der hat einen Talmid (Schüler) der war ein großer Amhoorez (unwissend), un alles, was er mit ihm lernt, das mußt er vierhundertmal mit ihm lernen, eh er es konnt behalten. Einmal hat Rabbi schon vierhundertmal mit ihm gelernt, da[125] ruft man Rabbi Pride zu einer Mizwe (Guttat). Da konnt der Talmid noch nit, was er mit ihm hat gelernt. Da sagt Rabbi Pride zum Talmid: »Wie kommt es, daß du jetzunder weniger kannst wie ein andermal, wiewol ich hab schon vierhundertmal mit dir gelernt?« Da sagt der Talmid wider seinen Rabbi: »Von dem mal, daß man hat euch zu der Mizwe gerufen, da hab ich kein Achtung drauf gehabt, denn ich hab gedacht jetzunder wird der Rabbi gehn.« Da sagt Rabbi Pride: »Mein lieber Sohn, hab doch dein Achtunng drauf. Ich will noch vierhundertmal mit dir lernen.« Un lernt auch noch vierhundertmal mit ihm bis er es kann. Da kam ein Stimm vom Himmel un sagt zu Rabbi Pride: »Welches is dir lieber, daß du noch vierhundert Jahr sollst leben, oder daß du un deine Gebirt sollen gleich in das Gan Eden (Paradies) kommen?« Da sagt Rabbi Pride: »Ich will lieber, daß ich un mein Gebirt in das Gan Eden sollen kommen.« Da sagt der Heilige, gelobt sei er: »Gebt dem Zaddik (Frommen) alle beide, das Gan Eden un vierhundert Jahr noch zu leben. Derhalben ihr lieben Leut, soll einer wol lernen mit seinen Talmidim.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 125-126.
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