Hundertsiebenunddreißigste Geschichte

[127] geschah: Es war einmal ein gewaltiger König, der hat gar ein schön Weib un sie hatten keine Kinder miteinander. So täten sie große Tefille (Gebete), daß ihnen der Heilige, gelobt sei er, sollt einen Sohn bescheren, der das Königreich könnt behalten nach ihrem Tod. Un weil sie gar sehr den Heiligen, gelobt sei er, baten, da war ihnen die Bitt gewährt un die Königin war tragen un gewann einen Sohn, der war schwarz gleich wie ein Mohr von rechter Art. Wie nun das der König sah, da war[127] er traurig un war gar unmutig derweil er so einen Mohr hat mit seinem Weib gewonnen, un sie sind so gar schöne Leut. Un er bedacht sich doch hin und her. Da gedacht er sich, ich hab doch einen Mohr bei mir, der wird gewiß bei meinem Weib gelegen sein. Un der König beruft seine Räte un begehrt die Königin um ihr Leben zu bringen un bekam die Königin feind. Lesof (am Ende), die Räte waren große Chachomim (Weise) die da bekannt waren in der Wissenschaft der Natur un besunnen sich nit lang un sprachen wider ihn: »Mein Herr König, nit sei du so geschwind an der Königin, daß du sie sollst töten lassen. Vielleicht wirst du unschuldig Blut vergießen un möchtest sie heut lassen verurteilen, un morgen hättst du doch Reuen drauf, daß du sie hättest töten lassen. Wir wollen dir einerlei sagen: vielleicht hat sie an den Mohren gedacht, den du bei dir hast. Oder vielleicht hat sie gesehen in die Schilderei, die du zu Füßen in deinem Bett hast hängen, da der Mohr drin geschildert is. Un da sie is bei dir gelegen, da hat sie gewiß all ihr Gedanken auf den Mohren gehabt. Un wir finden auch in den Schriften, worauf die Frau ihre Gedanken hat, wenn sie bei ihrem Mann liegt, danach geraten die Kinder. Derhalben bitten wir dich, du wollst den Handel für recht hören, wie es eine Gestalt hat.« Nun, wie das der König hört, da gedacht er, »Ja, vielleicht möcht es wahr sein, denn ich hab einen Mohren an meiner Schilderei vor meinem Bett hängen, gleich wie die Fürsten un Könige gemeinlich Pesel (Bilder) pflegen zu haben vor ihrem Bett. Da wird die Königin vielleicht im Beiliegen auf den Mohren gedacht haben.« Un fragt die Königin von weitem mit großer Chochme (List): »Liebe Königin, wie mag doch das zugehn, daß ich un du sind so gar schön un wir haben so einen schwarzen Mohren zu einem Sohn bekommen?« Da sagt die Königin ungefähr: »Mein lieber Herr, ich will euch sagen, wie das zuging. Da wir sind beieinander gelegen, da hab ich über mich gesehen, also hab ich den Mohren in der Schilderei gesehen, der in unserem Bett hängt. Un da hab ich all mein Machschowes (Gedanken) darauf gehabt. Derhalben halt ich auch, daß ich einen Mohren bekommen hab. Denn die Weiber können sich gar bald versehen. Denn worauf sie Machshowes hat, so bekommen sie Kinder dernach.« Wie nun der König das von der Königin hört, da gedacht er an die Räte, wie sie ihm recht geraten haben. Un der König kriegt die Königin wieder lieb un hat das Kind auch sehr lieb. Derhalben soll eine Frau gute Gedanken haben, so bekommt einer auch gute Kinder. Un darauf sprachen die Chachomim (Weisen): Einer, der einen Gedanken hat, eine Awere (Sünde) zu tun, der is ärger als der die Sünde tut mit Händen oder Füßen. Denn die Machschowes, die haben ihre Wohnung im Kopf un die Neschomme (Seele) hängt am Kopf. Da verunreinigt er die Seele. Aber der eine Sünde tut, der verunreinigt seinen eigenen Leib. Derhalben setzt[128] sich Rabbi Jauchenen vor die Tür um daß die Weiber ihr Gedanken sollten auf ihn haben wenn sie aus der Twile (Bad) gehn, denn die Machschowes kommen vom Kopf her. Un der Samen, aus dem das Kind beschaffen wird, der kommt auch aus dem Kopf. Derhalben sollen die Weiber ihr Machschowes haben, wenn sie bei den Mannen sind, zu eitel Talmidimchachomim (Schriftgelehrten), so geraten die Kinder gar wol dernach. Un das is auch der Taam (Sinn), daß ein Weib so oft muß wieder tauweln (baden) gehn, als ihr eppes begegnet, es sei was es will, wenn sie anderst will fromm sein un will recht zu tauweln gehn. Denn was ihr begegnet so gedenkt sie daran, wenn sie beiliegt, un dernach geratet das Kind. Dernach sind zweierlei: wenn sie ihr schon begegnet, braucht sie nit wieder tauweln zu gehn: das erste ist ein Pferd, wenn es ihr begegnet, so braucht sie nit wieder tauweln zu gehn. Denn wenn sie schon an ein Pferd gedenkt, liegt nit viel dran. Ein Pferd hat ein weites, fröhliches Herz. So soll sie auch einen Sohn kriegen, daß er ein fröhliches, weites Herz soll haben in der Thauroh. Un das andere is, wenn ihr ein Talmidchochom (Schriftgelehrter) begegnet, so braucht sie auch nit wieder tauweln zu gehn. Aderabe (im Gegenteil) sie soll allzeit an ihn gedenken. Un das is auch, daß die Chachomim haben Takone (Vorschrift) gemacht, wenn einem ein Weib sterbt, so soll er abwarten die schlauscho Ragolim. Das meint, daß er muß drei Jomim tauwim (Feiertage) warten, ehe er wieder ein Weib nimmt, un das Weib muß auch warten. Das haben die Chachomim gemacht. Der Mann hat sein Machschowes als auf das erste Weib, un das is der Neschome (Seele) ein großer Schmerz. Denn in dem ersten Jahr da geht die Seele von dem Toten in den Himmel, un kommt wieder in das Kewer (Grab), un so muß die Neschome (Seele) zwölf Monate leiden. Un nach den zwölf Monaten, da geht sie in den Himmel un bleibt oben. Darum haben die Chachomim (Weisen) gemacht, daß einer soll in schlauscho Ragolim (drei Wanderfeste) kein Weib nehmen, un das Weib auch keinen Mann. Warum? Es is ein großer Schmerz für die Neschome (Seele). Un auch is der Din (Vorschrift) von dem Heiligen, gelobt sei er, zwölf Monate, der bezahlt einen jeglichen nach seinen Verdiensten. Der viel sündigt, der muß viel leiden. Derhalben könnt ihr wol gedenken, daß viel an der Neschome (Seele) hängt un hängt auch viel an den Machschowes, die Mann un Weib sollen haben, wenn sie beieinander sind. Derhalben haltet euch dernach, also werdet ihr auch fromme Kinder bekommen un werden würdig sein zu dieser Welt un Jener Welt. Omen.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 127-129.
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