Hundertvierundsiebzigste Geschichte

[179] geschah: Rabbi Jehude Chossid wollt seiner Tochter einen Mann geben, denn er wollt nit mehr leiden, daß sie mit Chauwes (Schulden) un Maschkones (Pfänder) um sollt gehn, denn sie tät sich dermit in große Sakone (Gefahr). Da sprach er wider die Tochter: »Ich will dir einen Mann geben.« Da sagt die Tochter: »Lieber Vater, wer soll denn mit den Chauwes un Maschkones umgehn?« Da sprach der Chossid: »Darum will ich dir einen Mann geben, der es tun soll.« Da sagt die Tochter: »Mein lieber Vater, wenn du mir ja einen Mann willst geben, so gib mir einen Lerner. Denn es steht geschrieben, wer seine Tochter einem Amhoorez (Unwissenden) gibt, is gleich als wenn er seine Tochter vor einen Löwen bindet.« Denn die Tochter wollt viel Chochme (Weisheit) brauchen. Aber der Vater wollt sich nit daran kehren. Un sie trieb es so lang mit ihrem Vater an, bis er über sie zornig war, un schwur, daß sie mußt einen Mann nehmen. Da sprach der Vater: »Meine liebe Tochter, ich hab geschworen, daß du mußt einen Mann nehmen.« Da sagt die Tochter: »Mein lieber Vater, hast du ja geschworen, so will ich deinen Schwur nit brechen. Nun mein lieber Vater, wenn du mir ja willst einen Mann geben, so gib mir einen Talmidchochom (Schriftgelehrten).« Da sprach der Vater: »Ich will gehn zum andern Chossid, der hie wohnt, un will ihn um eine Ezeh (Rat) fragen.« Da ging Rabbi Jehude Chossid zum andern Chossid, un hört eben die Haloche zu. Un wie nun die Haloche aus war, da ging ein jeglicher Bocher (Schüler) wieder in sein Cheder (Zimmer). Da sagt Rabbi Jehude Chossid zum andern Chossid: »Lieber, habt ihr keinen Bocher auf euerer Jeschiwe (Lehrhaus) der wol lernt?« Da sagt der andere Chossid: »Ja, ich hab zwei Bocherim, die lernen alle beide sehr wol. Einer, der heißt Rabbi Jauchenen un der andere heißt Rabbi Chanine.« Da ging Rabbi[179] Jehude Chossid wieder heim un sagt es seiner Tochter, wie der Rabbi zwei feine Bocherim auf seiner Jeschiwe hat, die lernen alle beide wol, einer der heißt Rabbi Jauchenen un der andere heißt Rabbi Chanine. Un der selbige Rabbi Chanine is würdig wie kein anderer Mensch würdig is. Da sprach die Tochter: »Mein lieber Vater, is er gut oder bös?« Da sprach der Vater: »Meine liebe Tochter, das weiß kein Mensch vor seinem Tod.« Da sprach sie: »Also will ich den Rabbi Chanine haben.« Den andern Tag ging Rabbi Jehude Chossid auf dem andern Chossid seine Jeschiwe, un wartet bis die andern Bocherim heim gingen, un heißt den Rabbi Chanine dableiben. Denn er hat ein Wort mit ihm reden. Da sprach der Chossid zu Rabbi Chanine: »Lieber, willst du ein Weib nehmen.« Da sagt der Rabbi Chanine: »Nein, denn ich hab noch nit genug gelernt.« Da sprach Rabbi Jehude Chossid zu ihm: »Du mußt meine Tochter nehmen.« Da sprach Rabbi Chanine: »Nein, lieber Rabbi, denn ich bin nit wert, daß ich euere Tochter soll nehmen.« Da schwört Rabbi Jehude Chossid, es muß sein. Da sprach Rabbi Chanine: »Wenn es ja soll sein, so will ich ihr eine Gabe geben, un will sie entspusen, aber ich will noch nit mit ihr unter die Chuppe (Trauhimmel) gehn, bis ich erst mehr gelernt hab. Dernach, wenn ich, so Gott will, wieder komm, will ich zu gutem Hochzeit machen.« Da sagt Rabbi Jehude Chossid die Rede seiner Tochter. Da war sie gar wol mit zufrieden. So ward zum guten das Knass (Verlobungsakt) gelegt, un machten ein Zeit aus zu der Broche (Trauung). Der gute Rabbi Chanine zieht weg lernen. Un der Heilige, gelobt sei er, der hilft ihm, daß er zu einem Rabbi kam, der da konnt die ganze Thauroh. Un der Rabbi Chanine war wol hundert Meilen von Regensburg. Un man hört nix von Rabbi Chanine, so weit war er gelegen. Nun, Rabbi Jehude un der andere Chossid, sie sahen im Cholem (Traum), daß der Rabbi Chanine zu der Zeit nit konnt kommen. Also weint der Chossid Tag un Nacht. Lesof (am Ende) sagt er's seiner Tochter. Un da sie das von ihrem Vater hört, da hebt sie gar jämmerlich an zu schreien, noch viel mehr als der Vater. Denn sie war erst gar nit zufrieden damit einen Mann zu nehmen. Aber jetzundert war ihr nebbich die Zeit zu lang. Da sagt der Vater: »Meine liebe Tochter, du bedarfst nit zu weinen. Kommt er nit auf den Sonntag vor der Broche, gleich wie er hat den Sman (die Zeit) gesetzt, so will ich dich gleich an einen andern geben.« Endlich kam die Zeit, un der Choßen (Bräutigam) kam nit auf die Broche. Da ward der Knass mit einem andern gelegt. Aber derselbige war nit würdig, daß er mit ihr unter die Chuppe sollt gehn. Un sie weint Tag un Nacht. Un bittet Gott sehr, daß er ihren Choßen Rabbi Chanine, wollt bescheren. Nun, Rabbi Chanine war wol zehn Jahr bei dem Rabbi gewesen un hat so viel gelernt wie der Rabbi selbert. Einmal kriegten sie[180] miteinander um ein Wort. Da fand Rabbi Chanine, Rabbi Jehude Chossid drinnen geschrieben stehn. Da gedacht er sich, ich soll doch seine Tochter nehmen, un sah gleich nach der Zeit. So war die Zeit aus, an dem Sonntag der da ankam. Da zählt er die Meilen. Da war es mehr als hundert Meilen bis nach Regensburg. Da ging Rabbi Chanine zu seinem Rabbi, der war ein Nowi (Prophet), un klagt es ihm. Da sagt der Rabbi: »Kommst du auf die Zeit nit heim, da geht deine Kalle mit einem andern unter die Chuppe. Alsdann werden die Kinder eitel Mamserim, Gott bewahre, das kommt dann als von dir.« Da weint Rabbi Chanine sehr un sagt: »Lieber Rabbi, gebt mir ein Ezeh (Rat) was ich tun soll.« Da sprach der Rabbi: »Ich will dir sagen, wie du ihm tun sollst. Ich will dir mit geben meine besten Bocherim (Schüler), die ich hab. Un geh mit ihnen morgens früh wenn der Tag anbricht. Vielleicht hilft dir der Heilige, gelobt sei er, daß du zur rechten Zeit nach heim kommst.« Also nahm er fünfzig feine Bocherim mit sich. Un ließ sich von seinem Rabbi benschen (segnen) un nahm Abschied von ihm un ging bescholaum (in Frieden) mit seinen Bocherim weg un das am Freitag früh. Un ging so lang bis sie kamen an einen großen Berg. Un er ruhet eine Weile unten. Un wie sie nun auf dem Berg waren, so waren sie gar müd, daß sie sich nieder legten un entschliefen. Un weil sie waren entschlufen dieweil war Rabbi Chanina unten auch entschlufen, un sie schliefen schier bis gen Abend. Da entwacht einer von ihnen un weckt die die andern auf. Un sie ruften auf Rabbi Chanine. Da war keine Antwort von Rabbi Chanine. Un sie wußten nit wo Rabbi Chanine war hingekommen. Da sagten sie: »Wir wollen vor uns ziehn, vielleicht hilft uns der Heilige, gelobt sei er, daß wir beizeiten dahin kommen un halten die Breiluft (Hochzeit) auf.« Also gingen sie vor sich, un wie sie nun eine Stunde weg waren, da entwacht Rabbi Chanine auch auf. Un ging auf den Berg un ruft nach seinen Bocherim. Da waren sie nit da, denn sie waren weg gegangen. Da setzt sich der Rabbi Chanine nieder un weint gar sehr. Un ringt seine Hände über sein Haupt, un bittet den Heiligen, gelobt sei er, um Hilfe. Un ging so weiter. Un gedacht vielleicht wird mich der Heilige, gelobt sei er, derhören, daß ich noch beizeiten nach Regensburg komme. Un gedacht, es is besser ich geh in eine Herberg, als daß ich, Gott bewahre, sollt mechallel Schabbes sein (den Sabbath entheiligen.) Da sah er vor sich einen großen Wald. Da gedacht er sich, in dem Wald sind gewiß viel Gaslonim (Räuber), die werden mich töten. Doch ist es viel besser ich komm um das Leben, als daß ich, Gott bewahre, sollt den Schabbes entheiligen. Un ging als so fort. Un wie er nun aus dem Wald kam, da war es drei Stunden nach Mittag im Winter, daß nun bald Schabbeszeit war. Da gedacht er sich, es is nun bald Schabbes, da will ich mich da unter einen Baum legen un will Schabbes da[181] ruhn. Da sah er vor sich. Da sah er ein hübsches Haus vor sich stehn. Da gedacht er sich, in dem Haus sind gewiß Gaslonim (Räuber), da komm ich gewiß um mein Leben. Doch is besser, daß ich soll umkommen, weder ich soll den Schabbes entheiligen. Un gedacht sich, ich will Schabbes in dem Haus bleiben. Un ging also hinein un tät die Tür auf, un sah sich um im Haus. Da sah er vier Kammern, auf einer jeglichen Seiten eine Kammer. Da tät er eine Kammer auf zu Misrach (nach Osten) un sah hinein. Da stund ein schönes Bett drinnen. Un in der Kammer waren noch drei Kammern, eine hübscher als die andere. Da kam er in eine andere Kammer. Da stunden auch schöne Betten drinnen. Die Bettzüchen (Überzüge) waren eitel Pfeller (Seidenstoff) un die Bettlad Silber. Un die Pflastern von der Erd sind auch Silber gewesen. Un in der hintersten Kammer da saß ein alter Mann auf einem hübschen Stuhl un hat ein Sefer-Thauroh vor sich un stund noch ein Stuhl gegenüber. Darauf setzt sich Rabbi Chanine, un sprach: »Es is besser ich bleib hier un hör zu lernen, als daß ich, Gott bewahre, den Schabbes tät entheiligen.« Un der alte Mann hat einen langen Bart, schier bis auf die Erd. Da es nun Schabbes-Zeit war, da kam ein Schammes (Diener) zu dem Alten un fragt ihn: »Is schier Zeit, daß ich in der Schul soll klopfen un die Licht anzünden?« Da sagt der alte Mann: »Wenn du willst.« Über eine kleine Weile kam der Schammes wieder un bracht ihm gute Laug (Waschwasser) un zwagt (wäscht) den alten Mann dem Schabbes zu ehren un zwagt Rabbi Chanine auch. Da gedacht sich Rabbi Chanine, die Laug is wahrlich sehr gut, sie riecht nach eitel Bsomim (Wolgerüche). Wie er sie nun gezwogen hat, ging er wieder seiner Straß. Über eine kleine Weil kam der Schammes wieder un klopft Schul. Da kamen in die Kammer zu gehn ihrer sieben un mit dem Schammes acht, un der alte Mann un Rabbi Chanine waren gerade zehn. Da stund der Alte auf un ort (betet). Un der Schammes nahm Rabbi Chanine un führt den Alten nach. Un ein jeglicher wußt wo er hin sollt gehn. Un da sie nun in die Schul kamen, da war eitel Edelgestein un guter Geschmack (Geruch) un viel Schönheit da hinnen. Un der Schammes nahm Rabbi Chanine un setzt ihn zu dem Alten. Da stund der Alte auf un ort. Da gedacht sich Rabbi Chanine er hätt all sein Tag keine bessere Stimme gehört über alle Orgeln un Pfeifen. Da ort er nun Maariw (Abendgebet) wie man pflegt bei uns auch zu oren. Un da man nun ausgeort hat, sah sich Rabbi Chanine um, ob auch Orgeln oder Pfeifen oder Singers in der Schul wären. Er konnt aber nix sehen als den Chasen (Vorbeter) allein. Die anderen schweigen still. Da hört Rabbi Chanine eine Stimme un sagt: »Mein Gott, es is wissiglich vor dir, daß ich gern deinen Willen tät, aber der Jezerhore (der böse Trieb), der säumt mich lang. Mein Gott, es soll derhitzen dein Derbarmen[182] auf mich, dich zu ferchten.« Dernach kam wieder ein Stimm zu Rabbi Chanine: »Du sollst wissen, daß du kein Sorg sollst haben, denn du wirst Sonntag beizeiten zu Regensburg sein, mit großen Freuden.« Da man nun ausgeort hat, da setzt sich der alte Mann wieder auf seinen Stuhl, un der Schammes richtet den Tisch an un Rabbi Chanine setzt sich auch eine Weile auf seinen Stuhl. Un sie lernten noch eine Weile. Un die andern gingen auf gegen den Himmel. Un der Schammes stellt auch auf den Tisch schöne Kelim (Geräte) von Silber un von Gold. Un er bracht Wein, der da schmeckt nach eitel Gewürzen aus dem Gan Eden (Paradies). Un es war köstlicher Wein, den man nennt Kapri-Wein. Un da der Tisch nun gedeckt war, da sprach der Schammes zu dem alten Mann: »Steh auf, un wascht euere Hände.« Da wäscht sich der alte Mann. Un dernach wäscht sich auch Rabbi Chanine un setzt sich hinter den Tisch. Da bracht der Schammes alles Gute zum Tisch von allerlei guten Speisen, die noch sein Tag kein Mensch gesehen hat, noch gehört hat. Un zu jeglichem Gericht besseren Wein. Nun, da der Rabbi Chanine wol gegessen un getrunken hat, da gedacht er auch an seine Kalle (Braut) un schwieg still, un nahm es als für gut, was man ihm tät, denn es war ihm besser, als wenn er wäre, Gott bewahre, auf dem Feld geblieben. Un da sie nun hatten gegessen, führt der Schammes Rabbi Chanine schlafen in eine Kammer. Darinnen war ein Karfunkelstein, der leuchtet eine ganze Nacht in die Kammer als wenn er wär heller Tag gewesen. Da legt sich Rabbi Chanine auf das Bett, das war gemacht auf vier goldenen Rädern. Die Kissen waren von Perlich besteckt. Die Leilach (Leinlaken) rein von Seiden gemacht. Da es nun wieder Tag war, da stund Rabbi Chanine wieder un hört wieder zu, lernen dem alten Mann. Da kam der Schammes un ruft wieder in die Schul. Da sie nun wieder in Schul kamen, stund der Chasen (Vorbeter) auf, un ort. Gestern waren ihrer acht gekommen. Jetzund waren ihrer sechzehn un hielten dem Chasen zu, un es waren zweiunzwanzig Stimmen. Un die Stimmen gingen bis auf den Himmel. Un da man nun aushebt (die Thorarolle), da leinet man die Sidre (Abschnitt) die von der Woch war gegangen un ruft auf zu einem Kohen (den ersten Gerufenen), den Ahron hakauhen un Mojsche Rabbenu zu einem Lewi (den zweiten Gerufenen). Un dernach die andern alle. Un Rabbi Chanine war dernach auch aufgerufen. Un da man nun ausgeort hat gehabt, da redet Ahron un der Alte miteinander Thauroh. Rabbi Chanine schwieg still. Über eine Weile ruft der Schammes wieder zum Essen un eßten wieder alles Gute. Wie man nun gegessen hat, ging man wieder in die Schul un oren wieder Minche (Nachmittaggebet). Un wie man nun Minche ausgeort hat, da eßten sie miteinander Schalschudes (dritte Mahlzeit) un redeten wieder aus der Thauroh bis es Zeit war um[183] Maariw (Abendgebet) zu oren. Da stund der alte Mann wieder auf un ort. Un wie er ausgeort hat, da gab der alte Mann dem Rabbi Chanine Scholaum (Friedensgruß) un Rabbi Chanine dankt ihm wieder. Un dernach macht man Hawdole (Gebet zum Sabbathausgang). Un nach der Hawdole so verschwanden sie miteinander sonder den Schammes. Dernach wollt der Schammes auch weggehn. Da lauft ihm Rabbi Chanine nach, un begreift ihn bei dem Mantel un sprach zu ihm: »Lieber, sag mir, wer sind die dasigen Herren gewesen, die ich da gesehen hab? Un wer bist du?« Da sagt er wider Rabbi Chanine: »Ich bin Elijohu hanowi.« »Un der Chasen der geort hat?« »Das ist Mojsche Rabbenu (Moses) gewesen. Un die andern sind Awrohom, Iizchok un Jakew un Ahron der Priester gewesen. Un der alte Mann is der Prophet Jirmie gewesen.« Da derschrak Rabbi Chanine gar sehr un ließ den Schammes gehn. Da ruft der Alte den Rabbi Chanine wieder zu sich un sagt: »Komm, wir wollen wieder Thauroh mit einander lernen.« Da ging Rabbi Chanine wieder zu dem Alten un lernt ihn die ganze Thauroh, un lernt ihn auch, daß er siebzig Sprachen konnt. Da Rabbi Chanine alles konnt, da sagt der Alte zu ihm: »Komm, wir wollen ein wenig essen miteinander.« Da sie nun hatten gegessen, da hebt Rabbi Chanine an, un schreit un sagt gegen den Alten, wie sein Handel gestellt war. Un sprach zu ihm: »Lieber Rabbi, gebt mir ein Ezeh (Rat) wie ich ihn tun sollt.« Da sprach der Alte: »Ich weiß wol, daß deine Kalle (Braut) soll morgen mit einem andern unter die Chuppe gehn, so du nit kommst. Darum will ich dir ein Ezeh geben. Steh morgen früh auf un geh du auf die linke Seite den Berg hinauf, so wirst du in einen Wald kommen. Da wirst du deine fünfzig Bocherim finden, die dich verloren haben. Un sie werden über dein Kommen gar sehr derfreut sein. Un dann wird sich ein Wolken darnieder lassen vor deine Füße. So setz dich un deine fünfzig Bocherim herein. So wird der Wolken auffliegen un wird euch in einer kleinen Weile nach Regensburg bringen.« Da legt sich Rabbi Chanine schlafen. Wie es nun wieder Tag wird, da stund Rabbi Chanine wieder auf un ließ sich von dem alten Mann benschen (segnen) un nahm Abschied von ihm, un ging also seiner Straße weg. Un ging als wie ihn der alte Mann geheißen hat. Un wie er nun in den Wald kam, so fand er seine Bocherim wieder, die gar erfreut waren an seinem Wiederkommen un gaben ihm Scholaum (Friedensgruß). Un Rabbi Chanine dankt ihnen gar lieblich. Un wie sie nun eine kleine Weile waren gegangen, da kam ein Wolken vom Himmel un ließ sich hernieder vor ihre Füße. Un sie setztell sich alle miteinander in den Wolken. Da trug sie der Wolken gar schnell auf Regensburg zu. Da ging eben Rabbi Jehude Chossid auf das Bethhakisse (Abtritt), daß er wollt sein Notdurft tun. Denn vor Zeiten sind die Bethhakisse auf dem[184] Feld gewesen. Da sah er dorten herkommen ein Wolken mit viel Leut drinnen. Da schickt Rabbi Jehude Chossid nach dem andern Chossid, daß er sollt auch herunter kommen, un sollt sehen wie ein großer Wolken daher kommt mit großem Volk. Da kam der Chossid auch herunter auf das Feld un sah die große Neuigkeit un sahen all so lang bis sich der Wolken herniederließ auf einen hohen Berg vor der Stadt Regensburg. Da lauften die zwei Chassidim auf den Berg un wollten sehen was für ein Volk drinnen war. Da ging Rabbi Chanine mit seinen Bocherim aus den Wolken. Da kennt Rabbi Jehude seinen Eidam Rabbi Chanine, un fiel ihm um seinen Hals un küßt ihn, un weint gar sehr un gab ihm Scholaum. Da dankt Rabbi Chanine wieder. Desgleichen tät der andere Chossid auch. Da fragten sie ihn, was er gelernt hat, daß er all so lang war außen geblieben. Da sagten die Bocherim, er kann die ganze Thauroh un derzu siebenzig Sprachen un is auch ein Nowi (Prophet). Die fiel Rabbe Jehude Chossid auf seine Füße un küßt ihn. Un wie er nun wieder aufstund, da schickt er erst nach seiner Tochter, daß sie zu ihrem Choßen (Bräutigam), Rabbi Chanine, sollt kommen, denn er wär gekommen mit einer großen Herrschaft. Die Tochter lauft gar bald auf den Berg un fiel vor Rabbi Chanine hernieder un küßt ihm seine Füße un schrie von großer Freude wegen. Also führt ihn der Chossid in die Straß un dernach macht er die Broche (Segensspruch, Trauung) un lebten sieben ganze Tage auf dem Berg. Un es war schon all Ding zugerichtet gewesen, daß die Tochter hat sollen mit einem anderen Broche tun, wenn Rabbi Chanine auf denselbigen Tag wär nit gekommen. Also kamen viel Leut un lernen von Rabbi Chanine. Der Heilige, gelobt sei er, soll uns ihr Sechus (Verdienst) zu aller Zeit lassen genießen. Omen. Seloh.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 179-185.
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