Achtzehnte Geschichte

[15] geschah: Die Gemore geht: Rabbi Janne spricht: »Einer, der da will Tefillin (Gebetriemen) legen, der muß einen reintlichen Leib haben, wie Elische, baal Knofaim.« Da fragt die Gemore: »Warum muß er rein sein?« Derwegen, daß er keine Nefichoh (Blähung) in den Tefillin soll lassen. Rowe sagt einen anderen Taam (Grund): »Er soll nit schlafen in den Tefillin.« Da fragt die Gemore, warum hieß er Elische baal Knofaim? Denn es war einmal, da hat das Malchus (Regierung) verboten Tefillin zu legen, un wenn man wird einen Jud sehen, der Tefillin wird auf seinem Kopf haben, dem soll man sein Moach (Kopf) löchern. Denn vor Zeiten haben sie einen ganzen Tag Tefillin auf getragen. Un der Elische, der hat doch Tefillin angetragen un hat auf das Gebot niks geben. Da hat ihn einmal ein Schuft derwischt, der drüber gesetzt is. Da lauft der Elische vor ihm hinweg. Da lief ihm der Schuft nach. Wie er nun ihn derwischt, da nahm der Elische die Tefillin herab un tät sie in seine Hand un tät die Hand zu. Da fragt ihn der Schuft: »Was hast du in deiner Hand?« Da sagt er: »Was soll ich in meiner Hand haben? Ich hab Flügel von einer Taub in meiner Hand.« Da sprach er zu ihm: »Laß mich sie sehn.« Da tät Elische die Hand auf, da hat er Flügel von einer Tauben in seiner Hand. Darum hieß man ihn Elische baal Knofaim, denn Knofaim is teutsch Flügel. Un wie kam er aber drauf, daß er sagt Flügel von einer Taub? Mehr als er sagt auf einen andern Vogel, wie ein Kräh oder ein Storch oder sonst Vögel haben auch Flügels. Da is die Gemore wieder metarez (erklärend): die Kinder Jisroel die sind geglichen zu einer Tauben. Warum? Wie is ein Taub? Die Flügel beschirmt sie vor allem, un sie muß sich auch wehren mit die Flügel, mit wem sie streitet, aber nit mit ihrem Maul oder sonst ein Glied an ihrem Leib. So sind auch Jisroel die Mizwes (Gebote), die sie tun, daß sie tun sie beschirmen vor allen Leiden, daß ihm keine Völker können Böses tun. Derhalben soll man die Mizwes halten, da geschieht ihm niks Böses. Wie dem Elische auch geschehen war, wiewol das Malchus hat verboten Tefillin zu legen bei Leibesstraf. Noch gedacht er sich, weil Gott, sein Name sei gelobt, die Mizwe geboten hat, so will er sie halten un sollt er drum um das Leben kommen. Da geschah ihm das Neß (Wunder), daß der Heilige, gesegnet sei er, wieder bezahlt, daß die Tefillin verwechselt waren in seiner Hand un ward beschirmt vom Tod. Derhalben soll man Gott, er sei gesegnet, nit verachten wenn man wollt schon sein Leben drüber nehmen. Oder ein Pschat (Erklärung) is so: die Flügel von einer Tauben beschirmt sie mehr, denn die Flügel von einem andern Vogel. Denn ein anderer Vogel, wenn sie fliegen un sind gar müd, da müssen sie sich hernieder setzen auf einen Felsen oder einen Baum, aber ein Taub, wenn sie fliegt un is gar müd, so hält sie[16] mit einem Flügel still un ruht, un mit dem andern Flügel fliegt sie, un darnach mit dem andern tut sie auch so. So beschirmen sie ihre Flügel. So beschirmen auch Jisroel die Mizwes die sie tun.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 15-17.
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