Dreiundvierzigste Geschichte

[38] geschah: Rabbi Beroke Chosoe, der war gewöhntlich, daß er auf dem Markt war in einer Stadt gehießen Lofot. Un Elijohu hanowi (der Prophet Elijohu) der war auch stets bei ihm. Einmal sprach Elijohu wider Rabbi Beroke: »Frag mich eppes (etwas) was du willst.« Da fragt er Elijohu hanowi: »Lieber, sag mir, is keiner auf dem Markt, den du kennst, der ein Ben Aulom habo (einer der das Jenseits verdient) is?« Da sah er dort einen Mann, der hat schwarze Schuch (Schuh) an, nicht wie der Jehudim Seder (Art) is un er hat auch keine Zizis (Schaufäden) an seinen Kleidern. Da sagt Elijohu hanowi wider den Rabbi Beroke Chosoe: »Der is ein Ben Aulom habo, der dort mit jenen schwarzen Schuch geht.« Da läuft ihm Beroke nach un fragt den Mann: »Lieber, sag mir, was sind deine Werken?« Da sprach der Mann wider ihn: »Ich kann dir's nit sagen zu diesem mal. Komm morgen wieder, so will ich dir's sagen.« Den andern Tag kam er wieder zu dem Mann. Da fragt der Rabbi Beroke den Mann wieder: »Lieber, sag mir, was sind deine Geschäfte?« Da sprach der Mann: »Ich bin ein Hüter über die gefangenen Leut. Und so ein Mann ins Gefängnis kommt, so leg ich ihn besonders, un wenn eine Frau ins Gefängnis kommt, so leg ich sie auch besonders un ich mach ein Bett zwischen sie beide hin. Denn warum? Daß sie nit sollten chass wescholaum (bewahre) sündigen mit einander. Un wenn ich ein Weibsbild von einem Juden gefangen hab, da seh ich ob die Schaumrim (die Wächter) ein Aug auf sie geben, daß sie chass wescholaum (bewahre) wollen bei ihr liegen. Da wag ich mein Leib dran, daß ich sie beschirmen tu.« Es geschah auf einen Tag, da ward gefangen eine hübsche junge Frau von einem Juden, die war schon entspust aber sie hat noch nit Broche (Hochzeit) getan. Und die Schaumrim wollten sie bezwingen mit Gewalt. Da nahm ich Heben von dem Weinfaß un streicht sie unten an ihr Kleider, das sieht schier wie das Blut, das von Unreinigkeit geht, un ich sagt wider die Schaumrim: »Beileib nit liegt bei ihr, denn sie hat ihr Zeit, un das selbige bringt Aussätzigkeit.« Da folgten sie mir un ließen die Frau gehn. Da fragt Rabbi Beroke den Mann: »Warum hast du schwarze Schuch an? Das is doch nit der Seder (Art, Sitte) von den Jehudim. Un warum hast du keine Zizis nit an?« Da sagte er wider: »Ich will dir's sagen. Ich geh gar viel aus un ein in des Melech's (Königs) Palast, un ich mach, daß man mich nit kennt für einen Jehudi (Juden). Un[38] wenn ich ein bös Gebot hör bei dem König, das chaß wescholaum nit gut is für die Jehudim, so lauf ich geschwind zu den Rabbonim unter Juden un sag ihnen, daß sie bald sollen drauf Tefille tun (beten), daß sie das Gebot möchten abwenden. Un daß ich dir nit gleich den ersten Tag hab gesagt, was mein Geschäften waren, das will ich dir auch sagen. Es war eben dasselbige mal ein bös Gebot für die Jehudim. Da gedacht ich, ich will bald gehn un will es den Rabbonim anzeigen, daß sie es mit ihrer Tefille möchten abwenden. Un ich wollt dir wol mehr sagen, was meine Geschäfte sind, aber ich hab nit keine Zeit.« Indem kamen da noch zwei Brüders zu gehn. Da sprach Elijohu hanowi zu Rabbi Beroke: »Diese zwei haben auch Chelek leaulom habo (Teil an Jener Welt).« Da ging Rabbi Beroke auch zu ihnen un fragt sie, was ihre Geschäfte sind. Da sagten sie wider Rabbi Beroke: »Wir sind Fröhlichmachers. Das meint, wo wir einen sehn der traurig is, den machen wir wieder fröhlich, daß sie ihr Leid vergessen. Un wo wir sehn, daß sich zwei Leut miteinander zanken, daß sie miteinander uneins wären, so mühen wir uns so lang in den Sachen, bis daß wir sie wieder eins machen.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 38-39.
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