Fünfzigste Geschichte

[44] geschah: Er sagt, der Kaiser, zu Rebben Gamliel: »Ihr Juden sagt, wenn euer zehn beieinander seid, so is Gott allemal bei euch. Wieviel Götter müssen denn in der Welt sein, wenn allemal bei zehn muß ein Gott sein.« Da sprach Rebben Gamliel: »Ja, das is wahr, wo zehn beieinander sind, so is Gott bei ihnen un is doch nit mehr als ein einziger Gott in der Welt. Un das will ich dir beweisen, daß du mir mußt modoh sein (zugeben).« Un ging hin un ruft des Kaisers Knecht. Un wie der Knecht kam, da schlug ihm Rebben Gamliel an seinen Hals, daß er umfiel. Da sprach der Knecht: »Warum schlagst du mich?« Da sprach Rebben Gamliel: »Darum, daß du die Sonn laßt in des Kaisers Palast scheinen.« Da sprach der Kaiser: »Die Sonn scheint doch in die ganze Welt.« Da sprach Rebben Gamliel: »So gedenkt auch mein Herr Kaiser sich, die Sonn, die is nur ein Knecht zu dem Heiligen, gelobt sei er, un is doch in der ganzen Welt, mikolscheken (um wie viel mehr) der Heilige, gelobt sei er, der is der Herr in der ganzen Welt, der Himmel un Erde beschaffen hat, mikolscheken, daß er in der ganzen Welt is, un bei jedermann is.« Da schweigt der Kaiser still un sprach: »Du hast mir gar recht geantwortet, du hast dasmal wahr.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 44-45.
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