Neunundfünfzigste Geschichte

[53] geschah: Es sagt des Kaisers Tochter wider Rabbi Jehauschue: »Euer Gott is ein Zimmermann, gleich wir gefinden in eueren Büchern: ›Hamkoreh bamajim aliaußow‹, das is teutsch: ›Der da hat gebalkt im Wasser seinen Boden‹, da wollt ich auch wol, daß er mir ein schön Haus sollt bauen, gleich es ein Kaisers Tochter zugehört.« Da sprach Rabbi Jehauschue wieder zu ihr: »Ja, das wollen wir gar wol zuwegen bringen.« Da hebt Rabbi Jehauschue an un tät gar große Tefille (Gebete) auf sie. Da war sie aussätzig. Da gab man ihr ein Haus hin zu Rom auf dem Markt. Denn es war der Seder (Sitte) in Rom, daß man den Aussätzigen jeglicher ein Haus hingab auf dem Markt. So blieb des Kaisers Tochter in dem Haus sitzen an dem Fenster un spinnt Flachs am Fenster. Un sie sitzt darum am Fenster, daß sie die Leut sollten sehen un sollten für sie bitten, daß sie doch sollt wieder geheilt werden. Eines Tages ging der Rabbi Jehauschue über den Markt, vor ihrem Häuschen vorbei. Da saß sie un spinnt Flachs. Da sagt er[53] zu ihr: »Hat dir unser lieber Herr Gott ein Lusthaus gebaut?« Da sagt sie wider Rabbi Jehauschue: »Lieber, sag wider euerem Gott, daß er mir wieder nimmt, was er mir gegeben hat.« Da sprach Rabbi Jehauschue wieder zu ihr: »Unser lieber Herr Gott, der gibt, aber er nimmt niks wieder.«

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 53-54.
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