Dreiundachtzigste Geschichte

[72] geschah: Es hat gesagt Rabbi Jauchenen, die Füß von einem Menschen sind Orew (Bürge) für ihn, denn wo der Mensch sterben soll, da tragen ihn die Füß hin. Denn es waren einmal zwei Mannen aus dem Land Chusch. Der eine hieß Elia Ruf, der andere hieß Achi ben Schischa. Un sie waren alle Beide Schreiber bei Schlaume hamelech (König Salomo) un Schlaumo hamelech, der hat sie gar lieb. Eines Tages sah Schlaumo hamelech den Malach hamowes (Todesengel), daß er gar traurig war. Da fragt er den Malach hamowes: »Warum bist du so gar traurig?« Da sagt der Malach hamowes: »Um dieses willen, daß man will von mir haben die zwei Neschomes (Seelen) von deinen zwei Schreibern, die du bei dir hast. Un ich kann ihnen hie niks tun, denn ihr Tod is hie nit beschert.« Wie das der Melech (König) hört, da ging er hin un überantwortet sie einem Sched (Geist), der sollt sie gen Lus führen ohne Schaden. Denn das Lus is eine Stadt, daß niemand da sterbt. Wie nun der Sched die zwei Mannen unter die Pforte von Lus führt, da stund der Malach hamowes un wartet auf sie un tötete sie. Zu morgens sah Schlaumo den Malach hamowes, daß er wieder fröhlich war. Da sprach der Melech: »Warum bist du so fröhlich?« »Da sprach er wider: Du hast mir eben die zwei an so ein Ort[72] geschickt wo ihnen der Tod beschert is gewesen.« Da sprach Schlaume hamelech: »Jetzunder seh ich wol, daß die Füß von einem Menschen sind Orew: ›Wo Einer sterben soll, tragen ihn die Füß hin.‹« Es hat gesagt der alte Hillel: »An die Statt, da ich gern hinging, da tragen mich meine Füß hin.« Er meint dermit, wo einer sterben soll, da tragen einem die Füß hin, daß er dahin kommt.

Quelle:
Allerlei Geschichten. Maasse-Buch, Buch der Sagen und Legenden aus Talmud und Midrasch nebst Volkserzählungen in jüdisch-deutscher Sprache, Nach der Ausgabe des Maasse-Buches, Amsterdam 1723, bearbeitet von Bertha Pappenheim, Frankfurt am Main: J. Kauffmann Verlag, 1929, S. 72-73.
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