Achtundvierzigstes Capitel.
Von der gerechten Folge des Bösen.

[71] Dionisius berichtet uns, daß Perillus, ein Erzkünstler, dem grausamen und tyrannischen Könige Fallaris, der die Agrigentiner auszog und ihnen ausgesuchte Martern auflegte, einen für seine Grausamkeit nur zuwohl passenden ehernen Stier anbot, den er neuerlich gemacht und der an der Seite eine unmerkliche Oeffnung hatte, durch welche diejenigen Leute hineingesteckt werden sollten, die mit dem Tode zu bestrafen wären, auf daß sie von dem unten angemachten Feuer verzehrt würden. Und wenn nun die Menschen selbst wegen der Bitterkeit des Todes in dem Stiere schreien würden, so würde man ihre Stimme nicht für eine menschliche, sondern für die eines Thieres halten, damit so der Kaiser auf keine Weise zum Mitleid bewegt würde. Der König lobte das Werk, sprach aber zu dem Erfinder mahnend also: Du wirst dieses zuerst auf Dich nehmen und eine Probe machen mit dem, was Du mir Grausamen als ein noch weit Grausamerer angeboten hast. Denn nichts[71] ist billiger, als daß der Erfinder einer neuen Todesart durch seine eigene Kunst umkomme: wie Ovidius sagt.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 71-72.
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