Hundertundsechsundvierzigstes Capitel.
Wie Fürsten und Magnaten für ihre Schandthaten immerhin verklagt werden müssen.

[9] Augustinus in seinem Buche über das Reich Gottes erzählt, daß der Seeräuber Diomedes mit einer einzigen Galeere lange Zeit hindurch auf dem Meere die Leute ausplünderte und gefangen nahm. Da er nun auf Befehl Alexanders durch viele Schiffe aufgesucht, endlich gefangen und dem Alexander vorgestellt worden war, so fragte ihn dieser also sprechend: warum bist Du ein Feind des Meeres? Jener aber erwiderte sogleich: warum[9] Du einer des Erdkreises? Freilich weil ich das nur mit einer Galeere thue, heiße ich ein Räuber, Du aber, der Du die Welt durch eine Unzahl von Schiffen unterjochst, wirst Kaiser genannt: im Gegentheil, wenn das Schicksal sich mir gütiger zeigen wollte, würde ich mich bessern, Du aber, je glücklicher Du bist, desto schlechter wirst Du. Alexander entgegnete: Dein Schicksal will ich ändern, damit Deine Bosheit nicht dem Schicksale schuldgegeben werde. Also ward er reich durch ihn und aus einem Räuber zu einem Fürsten und einem eifrigen Rechtspfleger gemacht.

Quelle:
Gesta Romanorum, das älteste Mährchen- und Legendenbuch des christlichen Mittelalters. 3. Auflage, Unveränderter Neudruck Leipzig: Löffler, Alicke 1905, S. 9-10.
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