LXV.

[111] [Rand: Dschami. 777.] Einige Züge zur Lebensbeschreibung Asmais, des ersten Hofdichters Harun Raschids, dürften, ihm selbst nacherzählet, nicht mißfallen.

Von armen Eltern in Basra geboren, sagt er, gieng ich dorten in die Schule. Mein täglicher Weg führte mich bey einem Gewürzkrämer vorbey, der mich mehr als einmal im Vorbeygehn aufhielt, und mir zuredete, meine Zeit nicht mit Erlernung unnützer Dinge zu verlieren, sondern mich lieber auf ein nützliches Brodhandwerk, wie das seinige, zu verlegen. Gieb mir, sagte er, deine Papiere, ich will Wasser darauf gießen und die Dinte abwaschen, und Düten daraus machen, um Zuckerwerk darein zu füllen. Ich gab seinen Vorschlägen kein Gehör, sondern setzte meine Studien fort, wiewohl ich kaum einen Rock hatte mich zu kleiden.

Eines Tages kömmt ein Diener, und ruft mich zum Emir von Basra, der von meinem Fortgange in den Studien gehört hatte. Woher kennt mich der Emir? fragte ich, und gieng hin, ganz beschämt ob meines zerfetzten Kaftans. Ich ward neu gekleidet, und er kündigte mir an, daß er mich zum Unterrichte der Prinzen des Chalifen ausersehen habe. So reiste ich dann nach Bagdad, wo mir der Fürst der Rechtgläubigen alle mögliche Sorge für den Unterricht und die Erziehung seines Sohnes Mohammed Emin anempfahl, mit dem Versprechen, mich, wenn er zufrieden[112] wäre, zum Hofimam zu machen. Meine monatliche Besoldung waren nicht weniger als zehn tausend Dirhem.

Auf diese Art ward ich gar bald reich, und als ich glaubte, daß der Prinz gehörige Fortschritte gemacht hatte, bat ich den Chalifen, selbst die Prüfung vorzunehmen. Er war ungemein zufrieden, und erlaubte mir, am nächsten Freytage die Kanzel als Hofimam zu besteigen. Nun mangelte nichts an meinem Glücke; und um alle meine Wünsche zu gewähren, ertheilte er mir noch die Erlaubniß, mich nach Bassora zu begeben, wohin ich mich schon längstens gesehnt hatte. Ja, es ward sogar dem Statthalter von Bassora der Befehl ertheilet, daß alle Große der Stadt sich einmal in der Woche bey mir versammeln sollten, um aus meinen Unterredungen Frucht und Nutzen zu ziehen.

Eines Tages kam auch der Gewürzkrämer, der mich aber nicht mehr erkannte. – Erinnerst du dich nicht mehr, sagte ich ihm, auf den guten Rath, den du mir gabst, Wasser auf meine Schriften aufzugießen, und Düten aus dem Papier zu machen, um Zuckerwerk darein zu füllen. Du siehst, ich habe deinen Rath befolgt, und lasse mir nun das Zuckerwerk schmecken.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 111-113.
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