LXXXIII.

[180] Ein arabischer Dichter hatte jährlich von Dschafer tausend Dukaten erhalten für ein Lobgedicht, das er ihm darbrachte. Nach Dschafers Tode wallfahrtete er zu seinem Grabe, wo er seinen Schmerz in Elegieen ausweinte; bis ihn der Schlaf überfiel. Im Traume erschien ihm der Barmekide und sprach: So ists Gottes Fügung. Wir gaben dir jegliches Jahr Lebensunterhalt, aber wir selbst leben nicht mehr; wir bewohnen das Grab statt der Palläste. Unsere Tage waren gezählt, doch soll die Kürze derselben die deinigen nicht verbittern. Geh nach Bassora, sage dem Kaufmann des dritten Gewölbes:[180] Dschafer, der Barmekide, beschwört dich, mir dreitausend Dukaten zu geben. Er beschwört dich beym Andenken der Bohnen.

Der Dichter erwachte mit dem größten Erstaunen. Mein Traum, rief er aus, ist wahr, wenn je ein Traum die Wahrheit gesprochen; hätte ich die Unterschrift des Barmekiden, so würde mir doch kein Mensch glauben wollen. Allein getrost! Alles will ich verlieren als das Vertrauen in meine Wohlthäter. Gott segne dich Barmekide Dschafer.

Er begab sich nach Bassora, und am folgenden Tage suchte er das ihm bezeichnete dritte Gewölb des großen Marktes auf.

Er fand einen Kaufmann sitzend aus einem Sofa von Goldstoff, von zwey Jünglingen bedienet, deren einer damit beschäftiget war, seidene und reiche Stoffe abzuschneiden, und der andere Gold und Silber abzuwägen.

Der Dichter, der diesen Wohlstand sah, ließ den Muth sinken, weil er dachte, daß dieser reiche Herr ihm ins Gesicht lachen würde, wenn er ihm seinen Traum erzählte, und im Namen der Bohnen Aushülfe begehrte. Allein zuletzt überwand er das Gefühl falscher Schaam, und er grüßte den Kaufmann. Dieser erwiederte den Gruß, und fragte, was zu seinen Befehlen stünde. – Ich bitte dich um Nichts als um Geduld mich anzuhören. – Rede immer zu.[181] So erzählte er ihm denn seinen Traum, und bat ihn zuletzt um Aushülfe im Namen der Bohnen. –

Beym großen Gott! sprach der Kaufmann, wenn du dreyßig oder fünfzigtausend Dukaten begehrt hättest im Namen meiner Dankbarkeit für die Bohnen, so hätte ich dir dein Begehren nicht abschlagen können. Sogleich befahl er dem Jünglinge, der Gold und Silber abwog, dem Dichter drey Beutel Goldes zu geben. So wahr Gott groß ist! sprach der Dichter, ich nehme diese Summe nicht, bis du mir sagst, was diese Dankbarkeit im Namen der Bohnen bedeutet. Ich bin gar zu neugierig sonderbare Begebenheiten zu vernehmen, und du wirst mich durch die Erzählung der deinigen nicht minder, als durch dein Gold verbinden. Es muß eine Geschichte seyn, werth, mit goldnen und silbernen Buchstaben aufgezeichnet zu werden, eine Geschichte, werth kommender Jahrhunderte.

Der Kaufmann versprach es ihm, und führte ihn mit sich nach Hause. Sie kamen zu einem großen Pallaste, dessen Vorhalle mit großen Lampen aus Sandalholz beleuchtet waren, die an seidenen Schnüren hiengen. Dreyßig Sklaven, und eben so viele Sklavinnen kamen ihnen entgegen. Die Wände der Zimmer und Säle waren reich vergoldet, der Boden mit Marmor gepflastert, die Fenster Krystallscheiben. Sie ließen sich in einem Köschke nieder, dessen Aussicht auf der einen Seite gegen das Haus,[182] und auf der andern gegen den Garten gieng. Die Tafel ward gedeckt mit prächtiger Mahlzeit, und nachdem der Sorbet herumgegangen war, nahm der Hausherr folgendermaßen das Wort: Ich war ehmals in Bagdad ein armer Bohnenverkäufer, und mein ganzes Eigenthum bestand aus einem halben Scheffel Bohnen. Das war das Capital, und die Interessen, von denen ich mich und meine Familie unterhalten mußte. Eines Tages, in der regnichten Jahrzeit, wo die Regen Tag und Nacht niederströmen, gieng durch vier und zwanzig Stunden ein Wolkenbruch nieder, so, daß alle Gassen in Wasser stunden, und daß es unmöglich war auszugehn. Ich sagte zu meinem Weibe, das sieht schlimm aus, wie kann ich mich bey diesem Wetter hinauswagen, und wer wird Bohnen kaufen wollen? Gott sey gelobt! sagte mein Weib, er wird uns helfen aus dieser Noth. Wohl ist zu fürchten, daß wenn du ausgehst, alle Bohnen verdorben werden durch den Regen, indeßen versuche dein Glück, vielleicht verkaufst du doch etwas, um uns für heute zu ernähren; ich wagte mich dann hinaus mit dem Scheffel auf dem Kopfe. Der Regen strömte unaufhörlich fort, als ob die Schleusen der großen Tiefe durchgebrochen wären; ich watete im Wasser bis an die Kniee, ermattet durch die Bemühung durchzukommen, und von Sorgen verzehret. Der Wesir Dschafer und seine Gemahlin standen diesen Tag unter ihrem bedeckten Balkon auf dem Gipfel[183] des Pallastes, und unterhielten sich damit, hinauszusehen in die strömende Wolkenfluth und auf die zahllosen Bäche, die sich in den Gassen bildeten.

Als sie mich erblickten, sprach der Wesir zu seiner Gemahlin: Siehst du diesen Bohnenverkäufer, der unerschrocken einherschreitet, während die Lastthiere sich mit Mühe aufrecht erhalten können. Entweder ist er sehr arm, oder sehr geitzig, um sich bey solchem Wetter hinauszuwagen. Im ersten Falle müssen wir seine Lage verbessern, im zweyten ein strafendes Beyspiel aufstellen. Der Wesir ließ mich durch einen seiner Leute holen, und fragte mich, was mich bewogen bey so abscheulichem Wetter auszugehn? Die Armuth und der Hunger, antwortete ich, denn wie sollte ich sonst meine Familie für diesen Tag ernähren? Dschafer sah seine Gemahlin an, und sprach: das Herz thut mir wehe bey diesen Worten. Dann ließ er das ganze Haus zusammenrufen; es erschienen mehr als tausend Personen Große und Kleine. Der Wesir sprach: Wer mich liebt, wird Bohnen kaufen, so viel er kann. Da gieng der Wettstreit an um meine Bohnen, und in Kurzem war mein Teller mit Gold und Silber, und mein Scheffel mit reichen Stoffen gefüllet, von beyläufig tausend Dukaten am Werthe. – Als ich Alles verkauft hatte, fragte Dschafer, nun hast du noch Bohnen? – Bey Gott! antwortete ich, nur diese einzige. Er nahm die Bohne, legte dieselbe zwischen sich und seine Gemahlin,[184] und rief sie aus zur öffentlichen Versteigerung zwischen ihnen beyden; wie viel bietest du, fragte er seine Gemahlin? Tausend Dukaten. Dschafer bot zweytausend. Die Frau dreytausend. So überboten sie Eines das Andere bis auf die Summe von zwanzigtausend Dukaten, von denen der Wesir die Hälfte, und die andere Hälfte seine Gemahlin erlegte. Er befahl, das Geld mir nachzutragen, und so langte ich in feyerlichem Zuge zu Hause an, wo mein Weih fast närrisch war vor Freude.

Wir beschloßen hierauf, Bagdad zu verlaßen, denn als neu aufgeschoßene Reiche wären wir nur unseren alten Bekanntschaften zum Spotte geworden, die sich über den von Gold starrenden Bohnenverkäufer gewiß nicht wenig lustig gemacht hätten. Wir ließen uns also hier in Bassora nieder, wo mein Handel bald so günstige Fortschritte machte, daß ich mich in meinen jetzigen Wohlstand versetzet sah, den ich einzig und allein der Freygebigkeit Dschafers des Barmekiden danke. Als wir seinen Tod vernommen hatten, legten ich und die Meinigen die Trauer an, und verteilten mehr als fünftausend Dukaten an Allmosen zur Ruhe seiner Seele. Der Dichter vereinte den Erguß seines dankbaren Herzens mit dem Ausdruck der Gefühle des ehmaligen Bohnenverkäufers, und pries den Barmekiden als seinen Wohlthäter auch nach dem Tode.

Quelle:
Hammer-Purgstall, Joseph Freiherr von: Rosenöl. Stuttgart/Tübingen: Cotta, 1813, S. 180-185.
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