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[248] Als Kain seinen Bruder noch nicht erschlagen hatte, so heißt es im Jerusalemischen Targum I, 173, brachte die Erde ebensolche Früchte hervor wie die Früchte des Paradieses gewesen waren, aber seit dem Tage, an dem Blut auf ihr vergossen wurde, wuchsen Disteln und Dornen empor, denn das Angesicht der Erde wurde traurig, ihre Freude war verloren, der Flecken war auf ihrer Stirne.
[248] In der Apocalypse Mosis 40 heißt es, daß die Erde Abels Blut nicht trinken wollte. Wir erkennen hier die Ausgangssage, aus der sich die Naturdeutung entwickelt haben wird: die Sage von der jungfräulichen Reinheit der Erde, die diese bis zu Abels Tod bewahrte. Nachweise hierüber bei Reinhold Köhler, Kleine Schriften II, 7 ff. = Germania VII, 476 bis 80 (1862).
Aus der jüdischen Literatur ist mittelbar oder unmittelbar die Volkstradition befruchtet worden. Die Naturdeutung erhielt dabei ein leicht verändertes Aussehen, indem ihr eine gut beobachtete Eigenschaft des jungen Roggens zugrunde gelegt wurde. Wenn dieser nämlich im Herbst aufgeht, sehen die Blattspitzen rötlich aus, während alle andern Getreidearten grün aufgehen. Daher sagt das Volk:
Kain erschlug seinen Bruder Abel auf einem keimenden Kornfelde. Das Blut spritzte umher und färbte die Stelle ganz rot. Der liebe Gott ließ von dieser Bluttat an die junge Roggensaat immer rot aus der Erde emporkommen, damit dieses Kainszeichen alle Menschenkinder an den ersten Brudermord gemahne.