Die Beichte

[41] Stellte sich ein junger Bursche beim Priester ein: »Ich will meine Beichte ablegen!«

»S'ist gut, komm' in die Kirche.«

Er erzählt ihm eine Masse geringfügiger Sünden und stockt dann.

»Ist das alles?« forscht der Pfarrer.

»Ich möchte wohl, daß es also sei,« seufzte der Sünder. »Aber glaub' nicht, mein Vater, daß ich dieser leichten, kleinen Sünden wegen gekommen bin!«

»Also fahre fort, mein Sohn!«

»Ich wag's nicht mehr. Wirklich, ich hätte besser getan, eine kleine Reise vorzugeben und nach Konstantinopel zu gehen und dort bei einem anderen als dir zu beichten!«

Der Beichtiger sprang auf.

»Gelte ich nicht ebensoviel wie jeder andere Priester, sei er auch in Konstantinopel?«

»Ärgere dich nicht. Du wiegst den Patriarchen auf. Doch was ich dir zu beichten habe, ist wohl etwas .... hart für dich. Es dreht sich da um Dummheiten, die ich mit Leuten begangen habe, welche dir recht nahe stehn!«

»Was kann mir das wohl anhaben. Ich bin hier[42] Jesu Christi Stellvertreter. Hier hab' ich nichts mit meinen Freunden zu schaffen!«

– »Wenn es sich nur um Freunde drehte.«

»Hä, was?«

»Ja, da liegt die Schwierigkeit. Die Anteilnahme ... aber ich wage nicht weiter zu gehen.«

»Gott hat dem heiligen Petrus verziehen, der ihn dreimal verleugnet hatte. Er gab es zu, daß Haufen der Allerärmsten, Räuber und törichte Mägdlein Heilige wurden, welche wir verehren. Warum solltest du, Geringer, keine Verzeihung erlangen?«

»Diese Beispiele verlocken mich. Wohlan denn: lieber Vater, ich klage mich an, bei Eurer Tante geschlafen zu haben.«

»Meiner Tante? Welcher?«

»Kalliope.«

»Kalliope, der scheeläugigen! Das ist keine Sünde! Du hast ihr einen gewaltigen Dienst getan; trotz ihrer fünfundvierzig Lenze hat niemand daran gedacht, sie zu entjungfern. Es ist gut, sehr gut. Du wirst ins Paradies eingehen, die weil du Erbarmnis mit der scheeläugigen Kalliope gehabt hast!«

Und solcherart schüttelte der Pfarrer sich den Bauch vor Lachen, daß die Knöpfe seines Gewandes abplatzten.

»Ist das alles?« fragte er ein wenig beruhigt.

»Wehe, nein.«

»Nun denn, Mut, mein lieber Sohn!«[43]

»Eure elende Nichte, die Tochter Eures Bruders Johannes überraschte mich mit Kalliope. Um ihr Stillschweigen zu erkaufen, mußte ich sie Bekanntschaft schließen lassen mit dem Klöppel, dessen ich mich bedient hatte.«

»Das ist schon böser. Aber in der Tat, mein Bruder Johannes hat's nicht besser verdient. Allen meinen weisen Ratschlägen zum Trotz erzieht er seine Tochter schlecht. Alles in allem bist du zu entschuldigen. Indessen hast du gut daran getan, deine unehrenhaften Handlungen einzugestehn. Bitte zum Herrn, er möge dir vergeben, wie ich dir vergebe.«

»Aber, Herr Pfarrer, meine Beichte ist noch nicht zu Ende. Ich fahre fort« ...

»Wie, was noch?« murmelt der Pope beunruhigt.

»Eure Nichte hat mit Eurer Tochter geschwätzt« ...

»Und dann?« ...

»Mein Gott, man hat sich scheints nicht gelangweilt mit mir, will sagen, mit der Arbeit meines Ackermännleins; meine schwachen Verdienste wurden gerühmt. Ich bin Eurer Tochter begegnet, die mir um den Hals gefallen ist und, da das Fleisch schwach ist und der Teufel uns reitet, hab' ich bei Eurer Tochter geschlafen ... viermal am Samstag.«

»Am Vorabend des Sonntags!«

»Und dreimal am Sonntag.«

»Elender Wicht,« heult der Pfarrer, »du hast meine Tochter geschwächt, meine angebetete Andromache;[44] eine Jungfrau, die ich dem reichsten Kaufmanne der Stadt zugedacht hatte. Räuber, du sollst in der Hölle braten!«

»Seht doch, lieber Vater« ...

»Ja, du kannst mich jetzt freilich deinen lieben Vater nennen!« ...

»Ihr habt mir zu eben dieser Stunde gesagt, daß ich ins Paradies eingehen würde, weil ich die Wiese der alten Scheeläugigen beackert. Jetzt wollt Ihr mich in die Hölle werfen.« ...

»Aber das ist doch wahrlich ganz etwas anderes. Du hast einen Heiligen vom Stamme Levi geschlagen. Bei einer Popentochter liegen! Das ist ein Fehl, den Gott nimmer vergeben wird!«

»Dann werde ich ein Türke. Was kann es mir fürderhin nützen, daß ich bete, faste, mich kasteie und Eure endlosen Predigten anhöre. Verdammt bleibt verdammt, ich will lieber nach Konstantinopel gehen und mich zum Glauben Mohammeds bekennen. Wenigstens werde ich dann soviel Frauen haben wie mir gefallt, und Allah wird mir die schönsten und verliebtesten nach meinem Tode zuführen.«

»Schweig, Unglückswurm, schweige still. Du entweihst diese Kirche ... Aber sage mir, würdest du wirklich ein Abtrünniger werden?«

»Wahrlich, wenn Ihr mich nicht zu Ende hört.«

»Nun denn, mein Sohn, rede und vergiß, was ich dir gesagt habe.«[45]

»Ich komme zu Ende, mein Vater, und will nicht weitschweifig sein. Habe auch bei Eurem Weibe gelegen!«

Der Pfarrer konnte nicht mehr an sich halten. Er riß seinen Rock ab, ließ seine Hose herunter und wies dem Sünder seine Schenkel.

Sprach: »So, küsse auch mich, dann hast du die ganze Familie geküßt.«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 41-46.
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