Die Schuhe

[146] In Syra lebte ein armer Teufel, der mit einem jungen Weibe verheiratet war, die war munter und lebensfroh und eine ausgemachte Hure. Man brauchte ihr nur den kleinen Finger zu geben und schon lag sie im Bett oder im Rasen. Solcherart wurden dem Mann jeden Tag, den Gott werden ließ, Hörner aufgesetzt.

Eines Morgens beklagte sich die Schelmin, keine Schuhe mehr zu haben, die sie an die Füße ziehen könne, und brachte es dahin, daß ihr Gatte in die Stadt zu wandern und ihr welche zu kaufen beschloß.

»Um dir zu danken,« sprach sie zu ihm, »werd ich dir ein gutes Mittagessen kochen!«

Als der Mann fort ist, schlachtet die Frau ein Hühnchen, bereitet es zu und setzt's zum Kochen auf. Dann macht sie Pasteten mit Hackfleisch, backt kleine Kuchen, deckt den Tisch und setzt sich vor die Tür. Ein Bursche geht vorüber und hebt den Finger.

»Kannst hereinkommen,« sagte sie, »mein Mann ist fort und wird sobald nicht wieder da sein.«

Da es schönes Wetter ist, führt das gefällige Weibstück den Burschen in den Garten und schürzt, ohne Zeit zu verlieren, ihre Kleider auf und unterstützt ihren neuen Arbeiter aufs beste.[147]

Über diese Geschehnisse kommt der Ehemann mit den Schuhen zurück. Und hat einen Gefährten bei sich, den er auf dem Wege getroffen und zum Mittagessen eingeladen hat.

Man sucht die Frau im ganzen Hause. Sie ist nicht da. »Vielleicht werden wir sie im Garten finden,« sagt der Gefährte.

Tatsächlich erkennt der Ehemann hinter hohen Kräutern zwei gen Himmel gerichtete Beine, die tanzen, die sich tummeln und hüpfen. Es sind seines Weibes Beine, daran ist nicht zu zweifeln.

»Holla, he,« ruft der Gatte. »Wenn du also spazieren gehst, wirst du keine Stiefel mehr abnutzen. Warum hast du mich dann zum Schuster geschickt?«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 146-148.
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