Die betrogene Geizige

[170] Ein altes, meiner Treu, gut erhaltenes Mädchen war Jungfrau geblieben, weil sie nimmer einen Mann gefunden, der reich genug war und sie zur Ehe erbeten hatte. Und lebte nun, nichts mehr von Seiten der Liebe erwartend, in einem schmutzigen Geize.

Um dieses willen setzte ihrer Nachbarn einer sich in den Kopf, sie nach seinem Wunsche besitzen zu wollen und sich für die Augenblicke des Glückes, die er ihr wohl weihen wollte, bezahlt zu machen.

Als er sie eines Morgens allein im Hause vorfand, hub er an von verliebten Dingen zu reden und sagte ihr schließlich, daß er wohl bei ihr liegen möchte, sollte es ihm auch hundert Medjidieh kosten.

Das alte Mädchen spitzte die Ohren.

Schrie sie auf: »Hundert Medjidieh, aber das sind ja fünfhundert Piaster!«

»Wahrlich,« sagte er darwider, »denkt Ihr, daß das Glück, welches Ihr mir geben würdet, diese kleine Summe nicht aufwiegen könnte?«

Das Mädchen sann nach und dachte an alles, was sie sich für diese hundert Goldstücke kaufen konnte.

»Ich würde wohl darein willigen, aber ich fürchte ein[171] Kind zu kriegen, was mich in den Augen meiner Familie und der ganzen Welt entehren würde.«

»Ist's weiter nichts?« rief der junge Mann aus, »Und ich verpflichte mich, nur die Spitze meines Wonnebringers dort hineinzustecken, wo es nötig ist«

»Wenn es nur der Kopf ist, willige ich ein. Schwört mir aber einen heiligen Schwur, daß Ihr nicht weiter gehen wollt!«

»Ich schwöre es, außer wenn Ihr mich veranlaßt, meinen Eid zu brechen!«

Das alte Mädchen aber dachte ihre Wette zu gewinnen. O nein, sie war nicht so dumm, nicht zu wissen, wohin der Stock gesteckt werden mußte, welcher Frieden ins Haus brachte, und sie schickte sich an, ihm den Weg zu weisen.

Dann aber begann der Bursche den Tanz, ohne die Bedingungen außer acht zu lassen. Das Weib aber fing an, etwas Unbekanntes zu fühlen, das sie sich tummeln ließ.

»Geh weiter, geh weiter,« hauchte sie zwischen zwei Seufzern.

Antwortete er: »Ich habe geschworen. Kann nicht tiefer schürfen!«

»Ich entbinde dich deines Schwurs. Geh noch ein bißchen weiter!«

»Das wird dich hundert Medjidiehs kosten!«

»Sei es. Ich geb' dir dein Geld wieder. Doch geh noch etwas tiefer, mein Täuberich!«[172]

Der Spitzbube taucht bis zu zwei Drittel ein. Das Mädchen drückt ihn und will alles haben.

Und als er es verweigert, ruft sie:

»Stoß bis auf den Grund, ich beschwöre dich! Ich will dir hundert Medjidiehs geben, und wenn's nicht genug ist, sei alles, was ich habe, dein!«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 170-173.
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