Von einem, der ein Dutzend auf einen Streich abschlägt

[129] Ein anderer Schuster hatte seine Frau in der Brautnacht in zwölf ununterbrochenen Kämpfen entjungfert. Anderen Morgens hatte er gleich ein Ladenschild gefertigt, auf welchem geschrieben stand:

»Ich bin der, welcher ein Dutzend auf einen Streich abschlägt!«

Das Weib hatte nicht Mutter, nicht Schwester und war sehr verschwiegen. So kam es denn, daß kein Mensch im Lande der Inschrift Sinn verstand.

Einige Zeit verstrich. Hatte der Schuster eines Tages in der Stadt zu tun, um zerrissene Schuhe zusammenzuholen, die er richten und wieder aufarbeiten sollte.

Und kam an des Richters Hause vorbei.

Rief ihm des Kadi Weib an: »He, Mann, ich hab' dir Schuhe zu geben!«

Der Schuster aber setzte seinen Schuhsack nieder und trat ins Haus ein.

Das Weib verriegelte die Türe, schickte ihre Dienerin fort, brachte ein Dutzend alte Schuhe her und feilschte um den Preis.

»Habt Ihr keinen Hunger?« fragte sie den Kumpan.[130]

»Ich danke Euch. Würde gern ein Glas Wasser oder Wein trinken!«

»Hier ist Wein ... Aber sagt mir doch, was will die Inschrift bedeuten: ›Ich bin der, welcher ein Dutzend auf einen Streich abschlägt‹?«

»Niemals hab' ich es jemandem erklären wollen, edle Frau. Doch seid Ihr so liebenswürdig, daß ich's Euch gern verraten will!«

Und er gab ihr die wahre Auskunft.

»Das ist ja aber erstaunlich,« rief die Dame aus, »mein Gatte hat nie mehr als zwei Kämpfe vollführen können. Wäret Ihr noch einer solchen Heldentat fähig?«

»Sicherlich, doch liegen die Dinge jetzt anders. Mit meinem Weibe habe ich jetzt niemals mehr denn fünf oder sechs Kämpfe gekämpft.«

»Schuster sind Aufschneider!« sagte des Richters Weib.

»Ich wettete wohl zwanzig Goldfüchse, daß Ihr nicht zwölfmal mit mir spielen könnt, ohne zu verschnaufen!«

»Ich nehme die Wette an.«

»Versuchen wir's. Mein Mann ist auf dem Gerichtshof und wird nicht allzubald wiederkommen. Setzt Euch auf die Kissen hier, da haben wir's bequem!«

Der Schuster kramt eine tüchtige Ahle aus und hebt an zu sticheln. Nimmer hat das Weib eine ähnliche Hochzeit gefeiert, was sie aber nicht hindert zu zählen ... Eins ... zwei ... drei ...[131]

Das elfte Mal ist vollendet und das zwölfte in gutem Zuge, als es an die Türe pocht.

»Der Richter,« murmelt das Weib.

Und schnell schüttelt sie die Kissen auf, während der Schuster die Ahle in ihr Behältnis schiebt. Dann tut sie ihrem gehörnten Herrn und Meister auf.

Der Kadi hatte keinen Verdacht, zumal der Schuster damit beschäftigt schien, die Sohlen zu biegen und die Löcher in den Schuhen auszumessen. Er grüßt den Unbekannten und geht in sein Gemach.

»Nun also. Und meine zwanzig Goldstücke?« fragt der Schuster.

»Aber ich bin sie dir ja nicht schuldig,« so das Weib. »Du hast nur elf abgeschlagen und wir hatten ein Dutzend abgemacht!«

»'s ist doch nicht mein Fehler, wenn ich nicht fertig geworden bin mit dem zwölften Male, das ich doch begonnen hatte!«

»Das geht mich nichts an, ich werde nicht zahlen.« Der Mann empört sich und schreit so laut, daß der Kadi herbeieilt, um sich nach dem Lärm zu erkundigen.

»Was geht denn hier mit den verwünschten Schuhen vor?« forscht er nach.

Antwortet der Schuster: »Es handelt sich nicht um Schuhe hier, sondern um eine Wette, auf die ich mit Eurer Frau eingegangen bin. Da sie die Inschrift gelesen hat, die über meinem Laden steht, wollte sie[132] deren Sinn wissen. Und ich hab' ihr gesagt, daß ich mit einem einzigen kräftigen Stockhieb von einem bestimmten Apfelbaume Eures Gartens ein Dutzend Früchte abzuschlagen verstünde. Sie aber behauptete, ich sei ein Lügner. Kurz, wir haben zwanzig Goldstücke gewettet, wenn ich die Leistung vollbrächte. Und habe wirklich ein Dutzend Äpfel heruntergeholt, doch war der zwölfte nicht gut zu genießen. Hab' ich meine Wette genommen, Ehren-Kadi?«

Der Kadi war ein rechtlicher Mann.

»Der Schuster hat recht. Nicht seine Schuld ist's, wenn die zwölfte Frucht nicht genießbar ist. Weib, gib dem Burschen die zwanzig Goldstücke und lege mein Geld ein andermal nicht in solch albernen Wetten an!«

Quelle:
[Hansmann, Paul] (Hg.): Schwänke vom Bosporus. Berlin: Hyperionverlag, [1918], S. 129-133.
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