[59] 17. Adaba

Es waren einmal drei Brüder, die zogen aus zum Jagen und nahmen ihre Schwester mit. Weit draußen im Walde bauten sie eine Hütte. Dort blieb die Schwester ganz allein, während die Brüder in den Wald hineinzogen auf der Suche nach Wild. Jeden Tag jagten die drei Brüder in allen Richtungen, aber sie brachten niemals Wildbret mit außer einem Hokko. So ging es viele Tage.

Nun lebte nahe bei der Hütte ein Adaba (Laubfrosch) in einem hohlen Baum, in dem sich etwas Wasser angesammelt hatte. Eines Nachmittags sang er sein Lied: »Wang! wang![59] wang!« Das hörte das Mädchen, und es rief: »Was machst du da für ein Gequak? Es wäre viel besser, du hörtest auf mit dem Lärm und brächtest mir Wildbret zum Essen!«


17. Adaba

Da hörte der Adaba auf zu quaken, verwandelte sich in einen Mann, ging in den Wald und kam nach ungefähr zwei Stunden zurück mit Fleisch für sie. »Koche dies, bevor deine Brüder kommen,« sagte er, »sie werden, wie gewöhnlich, nichts heimbringen!«

Adaba sprach wahr, denn bald danach kamen die drei Brüder mit leeren Händen zurück. Man kann sich ihr Erstaunen vorstellen, als sie sahen, daß ihre Schwester eine Menge Fleisch auf dem Bratrost liegen hatte, und daß ein fremder Mann in einer ihrer Hängematten lag. Es war in der Tat ein sonderbarer Mann; er hatte Streifen von oben bis unten an seinen dünnen Beinen, und er trug einen Schamschurz; sonst war er ganz nackt. Sie sprachen mit ihm, und sie sagten »Guten Tag« zueinander. Nachdem Adaba sie gefragt hatte, ob sie auf der Jagd gewesen wären, und sie ihm erzählt hatten, daß sie nichts geschossen hätten, sagte er, er möchte gern die Pfeile sehen, die sie gebrauchten. Als sie ihm diese zeigten, brach er in ein herzliches Lachen aus und deutete auf den Schwamm, der überall auf den Pfeilen wuchs. Er sagte ihnen, solange sie dieses Zeug nicht beseitigten, würden ihre Pfeile niemals gerade schießen. Dann reinigte er ihnen die Pfeile. Darauf bat er die Schwester, eine Fischleine zu spinnen, und als sie damit fertig war, band er die Leine zwischen zwei Bäume. Dann sagte er zu den Brüdern, sie sollten mit den gereinigten Pfeilen auf die Fischleine zielen und schießen. Das taten sie, und der Pfeil eines jeden Bruders steckte genau in der Mitte der Fischleine. Adaba hatte eine sonderbare Art, mit seinem Pfeil zu schießen. Anstatt direkt auf ein Tier zu zielen, schoß er den Pfeil in den Himmel hinauf, so daß er, wenn er herunterkam, das Tier in den Rücken traf. Die Brüder begannen diese Methode zu lernen und waren bald so geschickt[60] darin, daß sie niemals fehlten. Ja, die Brüder wurden so stolz auf sich selbst und auf Adaba, daß sie ihn mit nach Hause nahmen und zu ihrem Schwager machten, und Adaba lebte lange, lange Zeit sehr glücklich mit ihrer Schwester.

Eines Tages sagte die Frau zu ihm: »Komm, Mann, wir wollen baden gehen im Teich!« Sie gingen zusammen hin, und als sie dort ankamen, ging die Frau zuerst ins Wasser und rief Adaba zu, auch zu kommen, aber dieser sagte: »Nein, ich bade niemals in Teichen. Mein Badeplatz sind die Wasserstellen in den hohlen Bäumen.« Da spritzte sie Wasser über ihn, und nachdem sie dies dreimal getan hatte, sprang sie aus dem Teich und lief auf ihn zu, um ihn zu packen. Aber kaum hatte sie ihn berührt, als er sich wieder in einen Frosch verwandelte und davonhüpfte in einen hohlen Baum. Und dort ist er noch heute.

Als die Schwester wieder nach Hause kam, fragten die Brüder sie, wo ihr Schwager sei, aber alles, was sie ihnen sagte, war: er sei fortgegangen. Sie wußten aber, wie und warum er fortgegangen war, und daher schlugen sie ihre Schwester unbarmherzig. Das änderte aber nichts an der Sache, denn Adaba kam niemals mehr aus dem hohlen Baum, um ihnen Glück zu bringen. Die drei Brüder zogen noch oft auf die Jagd, aber sie brachten des Abends niemals mehr so reiche Jagdbeute heim, wie zu der Zeit, als Adaba bei ihnen war.

Quelle:
Koch-Grünberg, Theodor (Hg.): Indianermärchen aus Südamerika. Jena: Eugen Diederichs, 1927, S. 59-61.
Lizenz:
Kategorien: