Die gespenstige Fahrt zu Osseg.

[104] Ein Abt des Klosters Osseg war der im Munde des Volkes noch fortlebende Hieronymus Bösneker. Unter den vielen[104] Gerüchten, die von ihm verbreitet sind, ist folgendes das erheblichste. In einer Nacht, als der Nachtwächter der Abtei die Klosterhöfe durchwandelte, klopfte es an den Thoren und herein kam der erst verstorbene Abt Hieronymus. Da sich diese Erscheinungen wiederholten, meldete er es am gehörigen Orte, wo man ihm seine Furcht zu benehmen suchte und zugleich dem Nachtwächter die Weisung gab, sollte ihm dieses Gesicht noch einmal erscheinen, so möchte er sogleich zu dem Nachfolger im Vorsteheramte eilen. Beruhigt betrat der Hüter wieder seinen Posten. Um Mitternacht pochte es abermals am Thore gegen Herrlich. Das Thor öffnete sich und herein zogen vier schwarze Rosse schnaubend eine Kalesche, worin sich der Verstorbene befand. Auf das Rufen des Nachtwächters kam der damalige fromme und gottesfürchtige Prälat Cajetan im Ornate, ganz wie er beim Altare erscheint, herbei. Der Mann trat ab und es entspann sich zwischen dem furchtbaren Gaste und ihm ein Gespräch in lateinischer Sprache. Alsbald führte der fromme Cajetan seine Begleiter durch die Thür im Sommersalon, der schon vorbereitet war, hinaus in den Garten, und man sah durch die Lindenallee nach Herrlich wieder die greuliche Gestalt dahinfahren. Diese Allee wurde von dem Wiedererschienenen angelegt. Bald nachher entstand ein heftiges Gewitter, der Blitz schlug in eine Linde dieser Allee und die Krone kam in die Erde, die Wurzel aber oben zu stehen und seit der Zeit war nichts mehr zu sehen und zu hören. Der Enkel jenes Nachtwächters Waitzendörfer, ist ein Mann von 70 Jahren und lebt als Lehrer in Rathschitz. (Gebhard, Oesterr. Sag. S. 221.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 104-105.
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