Die wilden Frauen im Plöckensteiner See.

[134] Im Plöckensteiner See wohnen die wilden Frauen, welche die Menschen anlocken und in ihre Wohnung ziehen. Ihr Aussehen ist sehr wild, ihre Haare flattern verworren im Winde und nur ein kleines rothes Käppchen bedeckt den Scheitel des Kopfes. Sie nähren sich von einer Wurzel (böhm. Sladička), die am Boden des Sees wächst und Zauberkraft besitzen soll. Man sagt, daß die wilden Frauen neugeborene Kinder stehlen und verwechseln. Die Kinder, die von den wilden Frauen umgetauscht werden, sind sehr häßlich und schreien den ganzen Tag hindurch. Um sich solcher Kinder zu entledigen, muß man im Besitze der früher erwähnten Wurzel (Sladička) sein. Man bindet nämlich dem Kinde mit dieser Wurzel die Hände und Füße zusammen, streicht es einigemal mit einer Ruthe und spricht: »Nimm dir das deine und bring' mir das meine.« Von dem heftigen Geschrei des Kindes wird die Mutter desselben gerührt und sie bringt das gestohlene Kind zurück. – Auch glaubt man, daß die wilden Weiber Schuld seien, wenn ein Kind todt zur Welt kommt. Wenn ein solcher Fall eintritt, so schneidet der Vater des Kindes einem neugebornen Kalbe den Kopf ab, stellt sich mit diesem auf eine Brücke, und wirft den Kalbskopf über den seinen weg in das Wasser, und eilt dann, ohne sich umzusehen nach Hause. Das todtgeborne Kind wird dann lebendig. (Bote a.d. Böhmerwalde. 1863.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 134-135.
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