Geschenke der Querxe.

[177] In Dittersbach (bei Friedland in Böhmen) erzählt man sich, daß die Querxe häufig Taufemähler und Wöchnerinnen besuchen. Der Wöchnerin allein sichtbar, halten sie ihr Mahl unter dem Ofen oder unter dem Bette, und dann bringen sie der Wöchnerin immer ein Stück Zwieback oder dergleichen zum Bette.

Eine Wöchnerin, die noch das Bett hütete und allein in der Stube war, hörte einmal ein ungewöhnliches Geräusch in ihrem Zimmer. Zu ihrem Erstaunen sieht sie, daß in der Gegend des Ofens unten an der Wand eine kleine Oeffnung ist und daß daraus ein kleines graues Männchen hervorkommt, und mit vielen Grüßen ihrem Bette sich naht. Es redet sie mit Höflichkeit an und erbittet sich die Erlaubniß, ob nicht eine Gesellschaft ein Gastmahl in dieser Stube halten dürfte, man wolle dafür erkenntlich sein.

Die Wöchnerin, äußerst neugierig auf diese Gesellschaft, ertheilt die Erlaubniß und das Männchen entfernt sich. Bald darauf hört die Wöchnerin ein neues noch größeres Geräusch und das kleine graue Wesen erscheint wieder an der Spitze vieler kleiner Männchen, die wie geschäftige Ameisen kleine Tische und Stühle und ganze Körbe voll köstlicher Eßwaaren und[177] Speisen durch jene Wandöffnung hereinbringen und die Tische damit besetzen. Dann erschallen Töne aus der Ferne, sie nähern sich allmählich und es treten nun ebenfalls durch jene Oeffnung mehrere Spieler mit Saiten- und Blasinstrumenten ein, und ein langer bunter Zug von lauter solchen Querxen schließt sich an. Die Gesellschaft nimmt Platz an den Tischen und hält ein lebhaftes, vergnügtes Mahl unter der angenehmsten Tischmusik. Nach aufgehobener Tafel ertönt eine muntere Tanzmusik und schon fangen die kleinen Leutchen an, bunt untereinander sich zu drehen und zu schwenken, als plötzlich ein neues Zwerglein in's Zimmer gestürzt kommt, die Hände über den Kopf zusammenschlägt, und voller Betrübniß ausruft:


»O große Noth, o große Noth!

Die alte Mutter Pump ist todt!«


Wie ein Donnerschlag tönt dies den kleinen Gästen in die Ohren; so schnell als möglich nimmt jeder die Flucht, Alles was von Sachen da ist, wird eiligst hinweggeschafft und zwar alles zu der Oeffnung wieder hinaus, wo es hereingekommen war.

Die Stube war nun wieder leer und einsam, nur jenes kleine Wesen, das früher um die Erlaubniß gebeten hatte, war noch zu sehen; es kam auf die Wöchnerin zu, erzählte ihr, daß der plötzliche Tod der Ahnfrau ihres Stammes sie in Schreck und große Betrübniß versetzt habe; und daß sie nun sehr unglücklich werden könnten. Es bedankte sich dann höflich für den erlaubten Zutritt in der Wochenstube und schenkte der Wöchnerin im Namen der ganzen Gesellschaft zum Danke dafür drei Gaben, nämlich einen goldenen Ring, einen silbernen Becher und ein Weizenbrötchen. Die drei Dinge, sagte das Männchen,[178] seien von großer Wichtigkeit, denn so lange sie alle drei vereint in der Familie bleiben, würde sie immer größer, angesehener und reicher werden. Es müßten daher alle drei als ein Heiligthum betrachtet, und sorgfältig aufbewahrt werden; der Ring aber solle allemal im Geschlechte des ältesten Sohnes verbleiben und von dessen Gemahlin getragen werden. Hierauf empfahl sich das Männchen höflichst wieder und verschwand durch die Oeffnung und diese mit ihm. Der Wöchnerin war es, als ob sie aus einem Traume erwache, und sie würde auch Alles wirklich für Traum gehalten haben, wenn nicht die drei Geschenke ihr so in die Augen geglänzt hätten.

Es ward nun die ganze Familie, der ein solcher Glücksstern aufgegangen war, zusammenberufen, ihr der ganze Vorfall erzählt und endlich ward gemeinschaftlich berathschlagt, wie man jene drei Geschenke als Unterpfänder künftigen Glückes des Geschlechtes am besten sichern könne. Man faßte den Entschluß, einen festen steinernen Turm zu erbauen und den silbernen Becher und das Weizenbrötchen tief in seinem Innersten zu verwahren, so daß Niemand im Stande wäre, diese heilbringenden Gaben dem Stamme zu entwenden. Den Ring aber trug die, der er geschenkt worden war, unablässig an ihrer Hand. Nach ihrem Tode erbte er sich der Vorschrift gemäß, von Glied zu Glied fort, und das Geschlecht war seit dem Besitze dieser Zaubergaben immer größer, reicher und angesehener geworden.

Wie aber der Mensch nur allzu oft an seinem Unglücke selbst schuld ist, so ergieng es auch hier. Es war einst eine Besitzerin dieses Ringes so unvorsichtig, ihn zu verlieren, und alles Nachsuchens ungeachtet war er nicht zu finden. Trostlos[179] brach die Familie in Klagen aus und fürchtete nun den Zorn jener Wesen, deren Huld sie sich bisher zu erfreuen hatten. Und dieß nicht ohne Grund; denn ein heftiges Ungewitter erhob sich bald über jenem alten Thurme, der als Schutzwehr dieser Geschenke, gleichsam der Stammhalter des ganzen Geschlechtes gewesen war, spaltete ihn mit einem furchtbaren Blitz und Gekrach von oben bis unten, und verschlang im Nu die verehrten Heiligthümer. Die Verheißung des Ueberbringers jener Geschenke traf leider ein; denn so sehr dieses Geschlecht während des ungestörten Besitzes begünstigt gewesen war, so verlassen ward es, als die Güter ihm verloren giengen. Der Wohlstand der Familie verminderte sich von Jahr zu Jahr. (Vernaleken, S. 218.)

Quelle:
Grohmann, Josef Virgil: Sagen-Buch von Böhmen und Mähren. 1: Sagen aus Böhmen, Prag: Calve, 1863, S. 177-180.
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