1. Die Frauen

Einst lebten ein Mann und eine Frau. Sie waren vermögend und hatten einen Sohn im heiratsfähigen Alter. Doch da er von den Mädchen seiner Gegend alles wusste, so hatte er zu ihnen und ihrer Unberührtheit, wollte er doch nur eine Jungfrau zur Frau haben, kein Vertrauen. Was tat nun der Jüngling? Er reiste in eine andere Gegend, um ein Mädchen zu suchen, das noch kein Mann berührt hatte. Seinen Eltern erzählte er, dass er sich in den benachbarten Gegenden etwas umsehen wolle. Er reiste ab und nahm viel Geld mit.

Einige Tage zog er schon seines Weges, überall hatte er die Mädchen, die er begegnete, gemustert, da kam er endlich in ein Land, wo er, um sich auszuruhen, einige Zeit bleiben wollte. Er wohnte im Gasthaus. Schöne und hübsche Mädchen fand er in dieser Gegend und wusste nicht, welche er wählen sollte. Eines Morgens ging er in die Berge auf die Jagd. Auf einmal bemerkte er in der Ferne einen Rauch, der aus einer kleinen Hütte kam und diesem ging er neugierig zu.

Als er hinkam, trat soeben ein hübsches, schönes und lebensfrisches Mädchen, deren Schönheit er der Pracht der Sterne verglich, aus der Hütte. Sogleich sprach er zu sich: »Nur diese wird meine Frau; sie darf mir nicht entgehen!« Er begrüsste sie und nachdem er ihr einige Artigkeiten gesagt hatte, frug er sie, ob sie ihn nicht heiraten wolle. Sie erwiderte, dass sie nicht wisse, was heiraten sei und dass sie seine Worte nicht verstanden habe. Über diese Antwort war unser Jüngling sehr erfreut, denn dieses Mädchen, dachte er, hat sicher noch keiner berührt. Er frug sie weiter, ob sie noch Eltern habe. »O ja,« antwortete sie, »einen Vater, der ist dort im Walde oben.« Da sie sich beide nicht verstanden, so schlug er vor, sie möge ihren Vater benachrichtigen, damit er mit ihm sprechen könne.

[9] Der Vater kam und unser Jüngling frug ihn, ob er ihm seine Tochter zur Frau geben wolle. Der Vater glaubte jedoch, dass er sich über ihn lustig mache und frug, ob er ihn deswegen von der Arbeit wegrufen liess. Der Jüngling erklärte jedoch, dass er es ernst meine und dass er, falls er ihm die Tochter zur Frau gebe, ihm ein Haus und alles das, was er zum essen und trinken brauche, zur Verfügung stellen werde. Als der Vater das gehört hatte, sprach er: »Gerne gebe ich dir meine Tochter,« denn er sah ein, dass es für ihn, der das Leben im Walde satt hatte, gut sei, den Rest seines Lebens ruhig zu verbringen. Sein Auge wurde wieder jung und er wurde bei dem Gedanken an das Glück seiner Tochter und an seine eigene glückliche Zukunft fröhlich und so war eine Einigung Aller bald hergestellt. Der Jüngling gab ihnen eine Börse voll Gold und trug ihnen auf, zu warten, bis er ihnen Botschaften zusenden würde und sie mit einem Wagen abholen werde; das Mädchen möge sich Kleider kaufen und eine Kammerzofe aufnehmen. Nachdem er diese Befehle erteilt hatte, reiste der Jüngling ab, Vater und Tochter in grösster Zufriedenheit zurücklassend.

Zu hause angekommen, teilte er seinen Eltern mit, dass er sich mit einem Mädchen, das für ihn passend sei, verheiraten werde. Die Eltern widersprachen ihrem einzigen Sohn nicht, obwohl die Sache nicht nach ihrem Geschmack war. Sie liessen ihn nach seinem Belieben tun und gaben ihre Zustimmung, sodass die Vorbereitungen zur Hochzeit beginnen konnten.

Die Hochzeit war hübsch, nichts mangelte und alles war entzückt. Am Abend frug die junge Frau ihren Gemahl: »Sage mir doch, was ist das Heiraten eigentlich.« Sie erinnerte sich nämlich an das, was er ihr vor der alten Hütte gesagt hatte. Er gab ihr zur Antwort: »Bald wirst du es erfahren, warte nur noch etwas.«

Nach einiger Zeit frug sie ihn, da sie mit seiner Antwort nicht zufrieden war, wieder: »Sage mir nun, was das Heiraten für ein Ding ist. Ich gebe nicht mehr nach, ich muss es wissen und du musst es mir sagen!« Da er ihr nicht schon am ersten Tage widersprechen wollte, so versprach er ihr, es ihr gleich zu sagen und verabschiedete daher alle Anwesenden.

Sie beide gingen in die Schlafkammer und vollführten dort etwas, was sich jeder denken kann. Er sagte ihr: »Siehe, [10] das heisst man heiraten!« Rasch erwiderte sie jedoch: »O, wenn es sonst nichts anderes ist; das habe ich jeden Sonntag mit dem Sakristan getrieben.« Der Mann kam zur Einsicht, dass man den Frauen nie trauen solle. Sein Vertrauen zu ihr war weg.


(Pays basque.)

Quelle:
Blümml, Emil Karl: Schnurren und Schwänke des französischen Bauernvolkes. Leipzig: Deutsche Verlagsaktiengesellschaft, 1906, S. 9-11.
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