17.
Jack Barrett.

[27] Jack Barrett, der Spielmann, ging einst mit seinem Sohne über Land und kam gegen Abend in ein alleinstehendes Haus und bat um Obdach. »Gott segne dich,« sagten sie, als sie eintraten und einen alten Mann erblickten. »Seid gesegnet,« erwiderte er, ohne den Namen Gottes dabei zu erwähnen; »wie geht es dir, Jack Barrett?«

»Danke für gütige Nachfrage,« sprach der Geiger; »aber sage mir doch, woher du mich kennst.«

»O, ich kannte dich schon, als du noch an deiner Mutter Brust sogst. Bleibe ruhig hier und thue, als ob du zu Hause wärest.«

Darauf setzte er ihnen Milch und Kartoffeln vor und wies ihnen eine Schlafstelle an. Sie aßen und tranken, so lange es ihnen schmeckte, und legten sich darnach nieder. Doch Jack Barrett konnte trotz seiner Müdigkeit nicht einschlafen; unangenehme, beängstigende Gedanken plagten ihn fortwährend und der Kopf ward ihm so schwer, daß er, um sich etwas Linderung zu verschaffen, aufstand und hinaus ins Freie ging. Doch plötzlich schien es ihm, als stürzte ein Rudel wilder Hunde auf ihn los, und er kletterte so schnell er konnte auf den ersten besten Baum. Aber auf demselben war ein Krähennest und die Krähen ließen ihn für ihre unterbrochene Nachtruhe ihre scharfen Krallen gründlich im Gesichte fühlen.

Da er sich nicht zu helfen wußte, so schrie er laut auf und gleich eilte der Herr des Hauses herbei.

»Aber wie kommst du denn in den Hühnerstall?« fragte er.

»Der Himmel weiß es,« erwiderte Jack und ließ sich wieder in sein Schlafzimmer führen.

Doch er konnte nicht einschlafen; denn die alten Gedanken kamen wieder. Er stand auf und ging in ein anderes Zimmer; doch da fand er sich am Ufer eines breiten Flusses und zwei Hunde stürzten auf ihn zu, um ihn zu zerfleischen. Nun stand am Ufer ein hoher Baum, dessen Aeste über den Fluß hiengen; auf diesen kletterte er, doch die Hunde folgten ihm bis auf den letzten Ast, der auf einmal so laut krachte, daß es der Hausherr hörte und herbeilief.[27]

»Was ist los, Jack?« fragte er; »du wirst doch wol nicht die Schüsselbank für ein Pferd ansehen?«

Jack sprang herunter und ging wieder in sein Schlafzimmer. Kaum hatte er es betreten, da fuhren ihm die alten Gedanken wieder durch den Kopf, und er stand wieder auf und ging in ein anderes Zimmer, in dem sich ein großes, bequemes Bett befand. Dort legte er sich hinein; doch er fand keine Ruhe. Er fühlte solchen Druck auf dem Magen, als ob die Decke und der ganze Himmel auf ihn gefallen wäre, und es ward ihm schwer, um Hilfe zu rufen. »Was fehlt dir denn jetzt?« fragte der Hausherr.

»Ich habe die furchtbarsten Schmerzen im Unterleibe.«

»Soll ich vielleicht nach einer Hebamme schicken?«

»Hole dich der Teufel mitsammt der Hebamme!«

»Vater,« sagte darauf der Knabe, »ein Tropfen geweihten Wassers hilft dir mehr, als alles andere!«

»Ich reiße dir die Glieder vom Leibe,« schrie der Hausherr wüthend, »wenn du dieses Wort noch einmal sprichst!«

»Dann bekreuze dich wenigstens Vater, und bete ein Vaterunser!«

Der arme Spielmann that's; seine Schmerzen ließen nach und der Hausherr verließ das Zimmer. Als Jack Barrett und sein Sohn am nächsten Morgen erwachten, lagen sie am Abhange eines Berges in der Nähe der Landstraße.

Quelle:
Knortz, Karl: Irländische Märchen. Zürich: Verlagsmagazin J. Schabelitz, 1886, S. 27-28.
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