LXXXIV. Die Elbin, die mit einem Bauern verheiratet ist.

[314] Árn. I S. 104. Nach dem Manuskript des Ólafur Sveinsson in Purkey.


Ein Bauer ist lange Jahre hindurch mit einer Elbin verheiratet, und ihre Ehe ist mit zwei Töchtern gesegnet, die zur Zeit, wo diese Geschichte spielt, ungefähr 14 Jahr alt sind. Die Frau ist äusserst gutherzig und wohltätig, sie geht auch ebenso gern in die Kirche wie irgend ein anderer Christenmensch. Nur kann sie nicht dort bleiben während der Messe, da das Mysterium derselben für sie die Vernichtung bedeuten würde. Die Leute haben sich darum auch daran gewöhnt, dass sie immer vor der Messe die Kirche verlässt, und niemand[314] hindert sie daran. Einmal Sonntags kommen jedoch zwei nichtsnutzige junge Burschen zur Kirche, die ihr vor der Messe den Ausgang verwehren. Die Frau bittet sie mit Tränen, ihr den Weg freizugeben, doch alles vergeblich. Da wendet sie sich zu ihrem Manne zurück, küsst ihn weinend, legt dann die Hände auf die Häupter ihrer Kinder, um sie zu segnen, und zerfliesst hierauf wie Schaum.

Eine Parallele zu dieser Erzählung findet sich bei Gering (II LXXXV »Ritter und Waldfrau«, S. 185 ff.). Ein verschuldeter Bitter, der vergeblich bei seinen Verwandten um Hilfe bittet, verheiratet sich mit einer schönen, unbekannten Frau, die er im Walde angetroffen hat. Die Gattin versorgt ihn jederzeit mit den nötigen Geldmitteln, ist gut und mildtätig gegen jedermann und vernachlässigt auch nicht, eifrig die Kirche zu besuchen. Das einzige, woran die Leute mit der Zeit sich stossen, ist das, dass die Frau stets den Gottesdienst verlässt, ehe das Messamt beginnt. Der Bruder des Ritters, ein Dekan, hört von diesem seltsamen Benehmen und beschliesst, der Sache auf den Grund zu kommen. Er verhindert eines Tages, dass die Frau während der Messe das Zimmer verlässt, trotzdem sie unter allerhand Vorwänden den Ausgang zu gewinnen sucht. Wie sie einsieht, dass alle ihre Bemühungen vergeblich sind, legt sie ihren Töchtern die Hände auf das Haupt und fährt mit ihnen zum Schornstein hinaus (nach der Fassung B in Gestalt von Bauch). Ihre beiden Söhne bleiben zurück und werden brave, christliche Männer.

Köhler gibt zu dieser Erzählung noch weitere Literaturnachweise.

Was das Verlassen vor der Messe anbetrifft, so findet sich das noch in mehreren anderen isländischen Sagen erwähnt. Árn. I S. 73 ff. wird z.B. von der Tochter eines Pfarrers erzählt, die mit einem Elben verheiratet ist. Sie besucht nachher auch noch regelmässig die Kirche, nur muss sie dieselbe vor dem Segen verlassen, weil sie sonst ihrem Gatten verloren ist. In dem in dieser Sammlung aufgenommenen Märchen »Der Teufel als Hausmeister« (Árn. II S. 5 ff.) besucht der Hausmeister auch immer den Gottesdienst. Er verlässt jedoch gleichfalls die Kirche, ehe die Messe beginnt, und ehe der Segen gesprochen wird.

Quelle:
Rittershaus, Adeline: Die neuisländischen Volksmärchen. Halle: Max Niemeyer, 1902, S. 314-315.
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