[97] Die Elster.

[97] Es wird erzählt von einem Herrn, der hatte eine Elster. Diese diente ihm im Hause und that alles, was er ihr befahl. War aber der Herr ausgegangen, so eilte sie in den Garten des Nachbars, gegenüber dem Hause ihres Herrn, und aß die Feigen von den Bäumen, die darinnen standen. Sie besaß einen Zauber, denn immer wenn sie in den Garten ging, schüttelte sie zuvor alle ihre Federn ab und wurde ein schönes Fräulein. Dann kam sie zurück, nahm ihr Federkleid wieder und war eine Elster wie zuvor, bereit ihrem Herrn zu dienen. Rief er sie, so flog sie geschwind herbei und setzte sich ihm aufs Knie, und das war seine Freude.

Einstmals kommt der Herr nach Hause, findet die Elster nicht, findet aber die Federn auf dem Stuhle. Er ruft, niemand antwortet. Da merkt er, daß hier ein Zauber walte, und verbrennt alle Federn. Jetzt kommt das Fräulein zurück, sieht ihre Federn nicht mehr und erschrickt. Da tritt der Herr vor und ruft: »Also du warst die Elster? Wenn die Dinge also stehen, will ich dich wol zu meiner Frau nehmen.« Und so geschah es, sie heiratheten sich, und er hat es nie bereut, die Elster zur Frau zu haben.


Märchen gesagt und Märchen gesungen,

Erzählt jetzt das eure, denn mein's ist verklungen.

Quelle:
Kaden, Waldemar: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen. Leipzig: Brockhaus 1880, S. 97-98.
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