[227] Micco.

[227] War einmal eine Mutter, die hatte einen Sohn, der hieß Micco. Eines Tages machte die Mutter Maccaroni und sagte zum Sohne: »Geh zuvor hinaus und schneide eine Mahd Gras.« Micco hatte aber keine Lust, er wollte erst seine Maccaroni essen. Da versprach ihm die Mutter, sein Theil aufzubewahren, und so ging er denn ins Gras. Die Maccaroni waren fertig, und da Micco nicht kam, fing die Mutter an zu essen, aß und vergaß, dem Sohn sein Theil aufzuheben. Sie guckte in den Kessel und fand noch eine einzige auf dem Boden liegen, die nahm sie, goß Schmalz darauf, streute Käse darüber, und wie der Sohn heimkam, gab sie ihm die einzige Nudel auf seinen Teller. Das war dem Micco zu wenig, er hub an zu weinen und wollte nicht essen. Da sagt die Mutter zum Stock: »Stock, schlag mir 'mal den Micco, weil er die Maccaroni nicht essen will.« Der Stock rührte sich nicht. Sagt die Mutter zum Feuer: »Feuer, verbrenn' mir 'mal den Stock, weil er den Micco nicht schlägt, der die Maccaroni nicht essen will.« Aber auch das Feuer rührte sich nicht. Sagt die Mutter zum Wasser: »Wasser, lösch' mir 'mal das Feuer, weil es den Stock nicht verbrennt, der den Micco[228] nicht schlägt, weil er die Maccaroni nicht essen will.« Dieses kehrte sich gar nicht daran. Da rief die Mutter den Ochsen: »Ochse, sauf' mir 'mal das Wasser, das mir das Feuer nicht löscht, das den Stock nicht verbrennt, der den Micco nicht schlägt, weil er die Maccaroni nicht essen will.« Der Ochse soff aber das Wasser nicht. Sagt die Mutter zum Strick: »Strick, bind' mir 'mal den Ochsen, der das Wasser nicht säuft, das das Feuer nicht löscht, das den Stock nicht verbrennt, der den Micco nicht schlägt, weil er die Maccaroni nicht essen will.« Doch der Strick gehorcht ihr nicht. Nun ruft die Mutter die Maus: »Maus, zernag' mir 'mal den Strick, der den Ochsen nicht bindet, der das Wasser nicht säuft, das das Feuer nicht löscht, das den Stock nicht verbrennt, der den Micco nicht schlägt, weil er die Maccaroni nicht essen will.« Die Maus zernagt den Strick nicht. Ruft die Mutter: »Katze, friß mir die Maus, die den Strick nicht zernagt, der den Ochsen nicht bindet, der das Wasser nicht säuft, das das Feuer nicht löscht, das den Stock nicht verbrennt, der den Micco nicht schlägt, der die Maccaroni nicht essen will.« ...

Die Katze fraß die Maus, die Maus zernagt den Strick, der Strick bindet den Ochsen, der Ochse säuft das Wasser, das Wasser löscht das Feuer, das Feuer verbrennt den Stock, der Stock prügelt den Micco, und Micco ißt die Maccaroni.

Quelle:
Kaden, Waldemar: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen. Leipzig: Brockhaus 1880, S. 227-229.
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